Tag 1329: Body, Mind and Spirit

von Heiko Gärtner
23.01.2018 22:18 Uhr

Fortsetzung von Tag 1328:

Der Pastor war ein freundlicher und offenere Mann, der uns rein theoretisch sofort aufnahm. Praktisch fürchtete er jedoch, dass sein katholischer Kollege enttäuscht oder sauer sein könnte, wenn er erfuhr, dass wir als katholische Pilger von der Konkurrenz-Kirche abgegriffen wurden, ohne dass man ihn über uns informiert hatte. So wie es uns die einen schwierig machten, weil sie nicht wussten, ob es nicht besser war, uns auszuschließen, machte man es uns nun schwierig, weil man nicht wusste, ob man uns nicht vielleicht jemand anderem wegnahm.

Erst als er ganz sicher war, dass sein katholischer Kollege im Urlaub und damit unerreichbar war, führte er uns in seine Gemeindehalle.

Sonnengang über dem Meer

Sonnengang über dem Meer

Damit war nun aber noch immer nicht alles erledigt. Denn nun, da wir offiziell seine Gäste waren, sollten wir auch als Maskottchen fungieren und etwas Leben in seine Gemeinde bringen. Da passte es sich gut, dass ausgerechnet heute das Programm „Body, Mind and Spirit!“ für Frauen stattfand. Hätten wir gewusst, was es damit auf sich hatte, hätten wir uns nicht darauf eingelassen, doch der Pfarrer wusste, wie er Dinge verkaufen musste, dass sie sich gut anhörten. Laut seiner Angabe ging es darum, für 5 Minuten etwas über unsere Reise zu erzählen und dann mit Obstsalat und allerlei anderen Snacks verwöhnt zu werden. Im Endeffekt sah es jedoch so aus, dass wir in die Nachbargemeinde fuhren, dort erst einmal 10 Minuten warteten, dann 20 Minuten mit einem Frauenkreis wandern gingen, dann noch einmal eine Viertelstunde in einer Halle mit unangenehmer Atmosphäre herumstanden, etwas Obstsalat und jede Menge Süßigkeiten essen konnten und schließlich einen Vortrag hielten. Wieso wir nach einem 25km-Tag auf eine Wanderung eingeladen wurden, war uns ein Rätsel und der Umstand, dass wir auf diese Weise mehr als zwei Stunden der eh schon knappen Zeit verloren, trübte unsere Begeisterung über den freundlichen Pfarrer ein wenig. Wir fühlten uns ein wenig verkauft, als uns klar wurde, dass es ihm von Anfang an um diesen Vorteil ging. Deswegen war es ihm auch so wichtig gewesen, dass die Katholiken keinen Anspruch auf uns erheben konnten, denn nun konnte er ohne Bedenken in der Presse und in der Gemeinde Publik machen, wer hier zu Gast war und als Dozent an seinen Kursen teilnahm. Nicht, dass es nicht auch interessant gewesen wäre, denn auf diese Weise bekamen wir noch einmal einen Einblick in das Gemeinschaftsleben, dass sich hinter der Fassade des Glaubens verbarg. Viel war da ehrlich gesagt nicht.

Sonnenuntergang am Meer

Sonnenuntergang am Meer

Die Kirche war hier, wie auch sonst in den meisten Fällen in der heutigen Zeit, ein Verein, der seine Mitglieder mit Bespaßungsprogrammen bei der Stange halten musste. Mit wahrem Glauben hatte dies so viel zu tun, wie unsere Erlebnispädagogik-Klassenfahrten von früher mit echter Persönlichkeitsentwicklung. Es ging rein darum, den Menschen irgendetwas zu bieten, das sie vom Alltag ablenkte. Nicht dass das schlecht war, aber es brachte eben auch niemanden wirklich weiter.

Spruch des Tages: Jede Zelle meines Körpers ist Glücklich, ...

Höhenmeter. 70m

Tagesetappe: 29 km

Gesamtstrecke: 25.093,27 km

Wetter: sonnig, warm

Etappenziel: Holzfass auf dem Campingplatz, Sourdeval, Frankreich

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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