Tag 1357: Übernachten im Zisterzienser-Kloster

von Heiko Gärtner
12.02.2018 05:45 Uhr

23.08.2017

Wir haben hier in Frankreich nun bislang inmitten einer Großstadt, in einem städtischen Apartment im Ortszentrum und in einem abseits gelegenen Kloster außerhalb des Dorfes übernachtet, das von Gästen für Retreats und Entspannungstage besucht wird. Und tatsächlich war das Kloster bislang der lauteste der drei Plätze. Es scheint fast eine Regel geworden zu sein, dass man in einem Kloster permanent von Rasenmähern umgeben ist. Zumindest, wenn es sich dabei um Zisterzienser-Klöster handelt.

Ein nonnenkloster südlich von Cherbourg

Ein nonnenkloster südlich von Cherbourg

Das war in Irland so und es war auch heute so. Das Skurrilste aber war das Abendessen. Vor rund drei Jahren haben wir im Süden Frankreich einmal ein merkwürdiges Kloster besucht, in dem die Mönche gemeinsam mit geistig behinderten Gelebt und gearbeitet hatten. Eine der Traditionen an diesem Ort war es, dass beim Abendessen laut aus einem Buch vorgelesen wurde. Das hat uns bereits damals irritiert, weil niemand dem Leser zuhörte und jeder in als ein störendes Hintergrundgemurmel ansah, das einen beim Essen irgendwie unter Stress setzte. Heute war es noch eine Stufe skurriler. Die Mönche hier hatten die gleiche Tradition, speisten jedoch nicht mit uns im gleichen Raum. Stattdessen wurde das Geschehen im Mönchspeisesaal via Mikro live in unseren Essensraum übertragen.

Das Kirchenschiff der Klosterkirche

Das Kirchenschiff der Klosterkirche

Als wir Eintrafen standen die anderen Gäste bereits am Tisch und lasen auf großen Zetteln das Abendgebet mit, das irgendwo in einem anderen Raum hier im Kloster gesprochen wurde. Allein das zauberte schon ein Schmunzeln auf unsere Gesichter.

Die Stallungen, Personalwohnungen und Nebengebäude des Klosters

Die Stallungen, Personalwohnungen und Nebengebäude des Klostersccc

Dann aber wurde es erst richtig merkwürdig. Zunächst einmal hörte man Stühle scharren, Geschirr klappern und einzelne Mönchstimmen, die sich unterhielten. Dann folgte ein lautes Räuspern und die raue, kratzige und vollkommen übersteuerte Stimme eines alten Mannes erhob sich, um Passagen aus einem Buch vorzulesen. Es war so laut, dass die Mikros immer wieder aussetzten und doch verstand man so gut wie nichts. Der einzige Effekt war, dass die ansonsten ruhige und angenehme Atmosphäre beim Essen zerstört wurde. Erst als es an den Käse ging wurde es wieder still und dies war wie eine Erlösung für die Ohren. Trotzdem war es ein gutes Essen und vor allem das Obst, das es als Nachspeise gab, setzte neue Maßstäbe. So etwas hatten wir in Irland und Großbritannien nicht ein einziges Mal bekommen.

Der Klostdrgarten

Der Klostdrgarten

Was an diesen Zisterzienser-Klöstern wirklich super ist, ist ihre Anonymität. Sobald man einmal als Gast aufgenommen wurde, ist man für sich und das bis zu dem Moment, an dem man wieder geht. In der Früh kann man sich ein Frühstück nehmen und dann geht jeder wann immer er es für richtig hält. Da wir heute vor 12:00 Uhr in unserem Zielort ankommen wollten um die Öffnungszeiten des Rathauses nicht zu verpassen, kam uns das sehr gelegen.

Das Haupthaus des Klosters

Das Haupthaus des Klosters

Auch heute wurde der Weg wieder ein Traum und da er komplett eben und mit gutem Bodenbelag vor uns lag, legten wir ihn zurück, ohne es großartig zu merken.

Die Ruinen der historischen Burganlage sind der ganze Stolz der Stadt

Die Ruinen der historischen Burganlage sind der ganze Stolz der Stadt

Unser Zielort war leider wieder etwas größer, weshalb der Bürgermeister dieses Mal nicht mitspielen wollte. Dafür bekamen wir aber wieder einen Platz in einem nahegelegenen Kloster, das für sich allein genommen schon eine Reise wert war. Allein hier in diesem Dorf haben wir nun mit dem Klosterkomplex und der Burg, die über dem Zentrum thronte mehr Sehenswertes gesehen, als in ganz Irland. Und dies ohne dass es großartig beworben oder angepriesen wurde. Hier standen eben einfach ein paar alte Gebäude herum, das war ja kein Grund zur Aufregung.

Ein Grafiti-Hulk ziert den Weg zum Kloster.

Ein Grafiti-Hulk ziert den Weg zum Kloster.

Nach dem Mittagessen machten wir noch einen kleinen Ortsspaziergang, bei dem wir unter anderem ein Baguette, zwei Stücken Käse und einiges an frischem Obst geschenkt bekamen. Der Käse in der Größe eines normalen Camembert kostete hier 20€. Das Stück, das wir geschenkt bekamen war also rund 4€ wert. Auf den ersten Blick war das eine Menge Geld, doch wenn man bedenkt, dass man in Irland den gleichen Preis für ein Stück geschmacksneutralen Industrie-Cheddar bezahlt hat, dann relativierte sich das wieder. Wie kann es sein, dass man in einem Land viel Geld ausgibt, um handgemachte Qualitätswaren zu bekommen und im anderen bekommt man für die gleiche Summe den letzten Rotz. Irgendwo kann man hier doch nicht mehr sagen, dass Geld ein Mittel mit einem festen Wert isyyyyyy t, oder?

Spruch des Tages: Nur weil „Kloster“ drauf steht muss es noch kein Ort der Stille sein.

Höhenmeter 70 m

Tagesetappe: 15 km

Gesamtstrecke: 25.552,27 km

Wetter: bedeckt aber überwiegend trocken, schwül

Etappenziel: Wohnheim für Behinderte, Ligueil, Frankreich

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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