Tag 265: Irrungen und Wirrungen

von Heiko Gärtner
24.09.2014 00:56 Uhr

Heute war ein so dermaßen verpeilter Tag, dass ich wahrscheinlich noch einen Tag brauchen werde, um ihn auf sinnvolle Weise wiederzugeben. Fürs erste werde ich einmal die groben Eckdaten zusammenfassen, vor allem, weil es schon wieder relativ spät ist.

Die Kuriositäten haben eigentlich schon in der Früh angefangen. Um kurz vor 9:00 Uhr stand plötzlich eine Frau in unserem Zimmer, grüßte uns mit einem knappen „guten Morgen!“ und verschwand auf unserer Toilette. Dort blieb sie dann so lange, bis wir sie schon fast wieder vergessen hatten. Dann kam sie heraus, wünschte uns einen schönen Tag und verschwand. Um 9:00 Uhr kam dann ein Mann in unser Schlafquartier, schaute uns mit großen Augen an und fragte verwirrt, wer wir denn wären. Wir schauten genauso und fragten ihn das gleiche. Viel erfuhren wir nicht, nur dass er in einem der anderen Räume an einem Computer arbeitete. Das bedeutete jedoch auch, dass dieses Gebäude noch immer in Benutzung war. Nach den Ameisen zu beurteilen, die hier eingezogen und das Haus komplett für sich beansprucht haben, nach dem verstaubten und verdreckten Gerümpel und vor allem nach der ekelhaft schmutzigen und tropfenden Toilette, waren wir uns sicher gewesen, dass hier seit 20 Jahren niemand mehr auch nur die Tür geöffnet hatte. Doch das war offensichtlich ein Irrtum gewesen.

Von San Antonio aus wanderten wir in Richtung Bétera und von dort wollten wir dann nach Nordosten weiter in Richtung Meer.

Auf dem Weg aus der Stadt trafen wir einen älteren Herren namens Vicente. Er lud uns in sein Haus ein, das sich jedoch leider rund 22km entfernt auf einem Berg auf 500m Höhe stand. Wir lehnten die Einladung daher schweren Herzens ab, freuten uns aber über das Gespräch mit ihm, von dem ich morgen mehr berichten werde.

Um nach Rafelbunyol zu gelangen mussten wir von hier aus durch die Orangenfelder weiter. Es war eine schöne Strecke, doch es war auch ein absoluter Blindflug. Die einzige Orientierung bestand in der nahegelegenen Bergkette und in dem ausgetrockneten Flussbett an unserer Seite. Ein Bauer, der gerade mit seiner Giftmischung an uns vorbeifuhr, erklärte uns, dass wir einfach nur dem Flussbett folgen müssten, dann kämen wir auch nach Rafelbunyol. Das klang einfach, war aber leider vollkommen falsch. Schließlich kamen wir an die Autobahn und nachdem wir sie überquert hatten befanden wir uns kurz vor einer Stadt namens Moncada, die etwa 10km südlich von Rafelbunyol lag. Jedenfalls, wenn man den Aussagen eines jungen Radfahrers glaubte, den wir nach dem Weg fragten. Zunächst glaubten wir ihm nicht und liefen in die andere Richtung. Dann stellten wir jedoch fest, dass alle anderen Anwohner der gleichen Ansicht waren wie der Junge. In der Richtung, in die wir wollten, gab es außer einem Industriegebiet und Feldern für die nächsten 15km nichts. Also drehten wir wieder um und wanderten doch nach Moncada.

Dort finge es dann ordentlich an zu regnen, während wir von einer Adresse zur nächsten geschickt wurden: Vom Priesterseminar zur Polizei, von der Polizei zu ein paar Nonnen, von den Nonnen zu einer Kirche, von der Kirche zu einem Pfarrhaus, vom Pfarrhaus zu einem anderen Pfarrhaus und von diesen wieder zurück zu den Nonnen. Hier gab es eine Herberge, die aber eigentlich nicht wirklich zu den Nonnen gehörte und deren Tür verschlossen war. Schließlich rief ich unter einer Telefonnummer an der Tür an und sprach mit einer jungen Dame, die ankündigte, in 10 Minuten hier zu sein. Sie hatte jedoch keine Befugnis, uns kostenlos in der Herberge übernachten zu lassen und so wanderten wir wieder zurück zu den Nonnen. Die wussten auch nicht weiter und am Ende lief alles darauf hinaus, dass wir unsere Wagen in der Herberge ließen und mit Alicia in ihre WG fuhren, wo wir nach einem gemeinsamen Abendessen mit ihr und ihrer WG-Mitbewohnerin Rita im Wohnzimmer übernachten durften. Wieder einmal war es ein Tagesende, mit dem wir am Morgen niemals gerechnet hätten.

Spruch des Tages: Umwege erhöhen die Ortskenntnis...

 

Höhenmeter: 30 m

Tagesetappe: 25 km

Gesamtstrecke: 5230,87 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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