Was sind Besetzungen?

von Franz Bujor
16.09.2015 12:02 Uhr

Am nächsten Morgen kam es dann zu einer weiteren folgenschweren Diskussion mit Paulina, die vielleicht zu einer Art Zusammenfassung von allen früheren Auseinandersetzungen wurde. Wir kamen dieses Mal auf den Kernpunkt, auf die alles entscheidende Frage, die darüber entschied, ob wir eine gemeinsame Zukunft als Weltreise-Nomaden-Herde hatten oder nicht.

Doch bevor ich euch davon erzähle, müssen wir noch einmal einige Schritte zurückgehen. Weit zurück, bis zu dem Tag, als Paulina und Heiko im Wald kurz hinter Sarajevo ein Ritual machten. Ein Ritual, bei dem sich in Heikos Geist etwas grundlegend veränderte. Nach diesem Ritual setzte er sich viele Tage nach dem Wandern daran, sich selbst und unsere Erfahrungen hier zu reflektieren und alles in einem Bericht niederzuschreiben. Um zu verstehen, was in unserer Gruppe los ist und wie alles miteinander verbunden ist, müsst ihr zunächst auch Heikos Sicht der Dinge kennenlernen. Doch um diese zu verstehen, braucht ihr zunächst noch ein paar Hintergrund-Informationen zum Thema Geister und Geistesbesetzungen. Denn auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht ein wenig abstrakt klingt, ging es bei dem Ritual mit Paulina um eine Geistesaustreibung. Genaugenommen übernahm Paulina dabei also den Job als Exorzistin (mehr oder weniger). Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass sie davon auch nicht wenig überrascht war, doch ich will nicht zu viel vorwegnehmen. Erst einmal folgt hier nun der Bericht über die Besetzungen.

Die Wunderheilungen in Medjugorje und anderen heiligen Orten, sind oft auch mit dem Thema Besetzungen verbunden. Es gibt seit Jahrtausenden eine Menge Erzählungen, Mythen und Sagen, aber auch Tatsachenberichte und verschiedenste Ereignisse im Zusammenhang mit Besetzungen durch Dämonen, Teufel oder böse Geister.

In Medjugorje haben wir uns länger mit dem Leiter der Malteser-Hilfsstation über dieses Thema unterhalten. Er war ein absolut bodenständiger Mann, der selbst nicht an Dämonen und Geister glaubte. Doch im Laufe seiner Arbeit hatte er viele Fälle gesehen, die er sich nicht erklären konnte. Menschen, die wild zuckten, absolut apathisch waren oder plötzlich begannen, auf vollkommen fremden Sprachen zu sprechen. Wenn also derartige Dinge passieren, dann müssen sie auch eine Ursache haben und die muss auf irgendeine Art und Weise erklärbar sein. Wenn man außerdem bedenkt, dass es in Rom sogar eine Exorzismusschule gibt, also ein Institut des Vatikans, dass sich nur mit der Austreibung „böser Geister“ befasst, dann muss es auch Fälle geben, mit denen die dort ausgebildeten Geistlichen arbeiten können. Es scheint also, als wären Besetzungen nicht nur ein Mythos, sondern als existierten sie wirklich. Doch was genau ist eine Besetzung überhaupt? Gibt es wirklich böse Dämonen, die uns befallen, besitz von uns ergreifen und uns dazu bringen können, schreckliche Dinge zu tun? Wie wird das in anderen Kulturen gesehen? Was genau kann man sich darunter vorstellen? Wir sind der Sache einmal tiefer auf den Grund gegangen und haben einige interessante Dinge darüber herausgefunden.

Was sind Besetzungen?

Wenn man von Besetzungen spricht, dann ist damit meistens eine Art feindliche Übernahme des eigenen Körpers und des Bewusstseins gemeint. Plötzlich handelt ein Mensch nicht mehr so, wie er es normalerweise tun würde. Er selbst hat keine Kontrolle mehr über sich selbst, entweder im Allgemeinen oder aber in bestimmten Teilbereichen. Es ist, als hätte er eine Art Parasit in sich, der jedoch nicht auf der physischen sondern auf der geistigen, energetischen Ebene existiert und den Besetzten auf irgendeine Art beeinflusst. Er kann ihn dazu veranlassen über bestimmte Grenzen zu gehen, die er normalerweise nicht überschreiten würde, er kann Gelüste und Zwänge auslösen, die nicht kontrollierbar sind, kann Angstzustände verursachen oder auch die Lebensenergie des Betroffenen anzapfen, so dass sich dieser ständig schlapp und kraftlos fühlt.

Was aber ist dieser energetische Parasit?

In unserer westlichen Welt, die hauptsächlich durch die christliche Kirche geprägt ist, haben wir uns angewöhnt, alles in „gut“ und „böse“ zu unterteilen. Die Geister oder Dämonen sind demnach böse, teuflische Wesen, die uns vernichten wollen oder die uns als Werkzeug im ewigen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen missbrauchen.

Rein logisch kann es einen solchen Kampf zwischen Gut und Böse jedoch nicht geben, denn zum einen wäre unsere Welt längst vernichtet und zum anderen widerspricht sie allem, was wir in der Natur beobachten können. Die gesamte Schöpfung ist auf Liebe ausgerichtet und besteht auch selbst aus nichts anderem als Liebe, die sich stetig weiter ausdehnen will. Alles, was uns also jemals begegnen oder widerfahren kann, dient dazu, dass die Liebe weiter wachsen kann. Natürlich begegnen uns in unserem Leben viele Dinge, Menschen und Erfahrungen, die wir als negativ, also als schlecht oder Böse empfinden können, weil wir ihren Sinn nicht verstehen und ihre Geschichte nicht kennen. Man kann sie jedoch ein bisschen mit dem Schmerz vergleichen, den wir bekommen, wenn wir auf eine glühende Herdplatte fassen. Weder der Schmerz, noch die Herdplatte, noch unsere Hand oder unsere Entscheidung, die Hand dort abzulegen, sind böse, schlecht oder falsch.

Alles hat seinen Sinn und seine Berechtigung. Wäre die Platte nicht so heiß, dass wir uns daran verbrennen können, dann wäre sie zum Essen kochen nutzlos. Was immer auch der Grund war, warum wir die Platte anfassen wollten, es war uns so wichtig, das wir es getan haben, also muss auch er einen Sinn gehabt haben. Dennoch führte diese Handlung dazu, dass unsere Hand plötzlich in eine Gefahrensituation geraten ist. Sie hat sich in einen Bereich begeben, der nicht gut für sie war und somit brauchte sie ein Zeichen, dass sie dazu bewegt, diesen Bereich zu verlassen. Dieses Zeichen bekamen wir als brennenden Schmerz. Jetzt könnten wir natürlich sagen, dieser Schmerz sei böse, er sei etwas Teuflisches oder dämonisches, da er sich nicht im Geringsten gut für uns anfühlt. Ohne diesen Schmerz aber hätten wir die Hand auf der Platte liegen lassen und die Hitze hätte unsere Haut zerstört, die Körperflüssigkeiten darunter zum Kochen gebracht, das Gewebe verbrannt und schließlich die Knochen in eine spröde, krümelige Kalkmasse verwandelt. Unsere Hand wäre danach vollkommen nutzlos gewesen und wir hätten für den Rest unseres Lebens große Probleme gehabt. Der Schmerz war also der größte und wichtigste Liebesbote, den wir in diesem Moment erhalten konnten. Ebenso war aber auch die Platte kein Dämon, der uns böses wollte. Es war lediglich ein Energiefeld, das uns helfen kann, unser Essen warm zu machen, damit wir nicht hungern müssen.

Nicht anders verhält es sich auch mit allen anderen Dingen, die uns in unserem Leben begegnen, nur dass sie nicht immer so klar sind, wie eine glühende Herdplatte. Ein Bär, der uns im kanadischen Busch über den Weg läuft und den wir aus Versehen wütend gemacht haben, so dass er uns mit seiner Pranke den Hintern versohlt ist genauso wenig böse, wie ein Bankräuber, der die Bankangestellte mit einer Waffe bedroht. Alles hat seine Geschichte und wenn man sie wirklich versteht, dann kann man nicht mehr urteilen. Wenn wir einem Menschen begegnen, der uns tierisch nervt oder zur Weißglut bringt, dann ist dieser Mensch nichts anderes als ein Spiegel, der uns die eigenen Lebensthemen vor Augen hält, die wir uns nur ungern anschauen wollen.

Nichts anderes ist es auch mit Krankheiten und physischen Parasiten. Sie spiegeln uns unsere eigene Gedanken- und Gefühlswelt und helfen uns dabei, unseren Weg zurück in die Liebe zu finden, wenn wir diesen verlassen haben.

Warum also sollten Geister und Dämonen, die uns besetzen hier eine Ausnahme sein, und nicht von der Liebe sondern von einem bösen Teufel stammen?

Selbst in der Bibel ist der Teufel nichts anderes als ein gefallener Engel, also ein Geschöpf der Liebe, dass seinen Weg verloren hat und sich nicht mehr daran erinnern kann, dass es eigentlich auch Gott ist. Die Unterteilung von Dingen, Ereignissen, Wesen und Personen in Gut und Böse ist also eine reine Gedankenkonstruktion, die wir uns selbst erschaffen haben.

Wenn es also im gesamten Universum nichts als Liebe gibt, dann müssen auch die Geister oder Dämonen Liebe sein. Was aber bringt sie dazu, uns zu besetzen und was soll das ganze?

Jeder Mensch hat bestimmte Lebensaufgaben, die er mit auf die Welt bekommt und die er im Laufe seines Lebens lösen darf, um auf diese Weise die Liebe auszudehnen und zu vergrößern. Anders als Tiere und Pflanzen kommen wir auf die Welt und vergessen dabei in den meisten Fällen, dass wir ein Teil von Gott und damit auch selbst göttlich sind. Wir nehmen uns als Individuen, also als einzelnes Bewusstsein wahr, das von allem anderen getrennt ist. Dadurch können wir Ängste aufbauen, die uns von der universellen Liebe trennen. Unsere Aufgabe ist es daher, den Weg zurück in unser Gottbewusstsein zu finden und damit auch zurück in die Liebe. Wenn es uns gelingt, dann stärken wir die Liebe damit und dehnen sie so weiter aus. Gelingt es uns nicht, kehren wir wieder zur Quelle, also zu Gott zurück und können es im nächsten Leben noch einmal versuchen. Nach unserem Tod haben wir also die Möglichkeit, die noch offenen Themen aufzulösen und wieder mit neuen Aufgaben ins Leben zu kommen. Oder aber, wir nehmen die alten Aufgaben bei unserer neuen Geburt wieder mit.

Jetzt kommt es natürlich vor, dass wir bestimmten Aufgaben gegenüber besonders lernresistent sind, so dass wir sie immer und immer wieder mitnehmen und sie jedes Mal etwas stärker werden, um den Druck zu erhöhen, damit sie gelöst werden können. Wenn das nicht funktioniert, kann es sein, dass wir als Hinweise für unseren Lösungsweg nicht nur unsere Träume, unsere Krankheiten, unsere Intuition und Spiegelpartner in Form von Tierboten und anderen Menschen bekommen, sondern eben auch eine Art der Besetzung.

Aber wie genau kommt es dazu?

Angenommen wir haben eine Lernaufgabe mitbekommen, die wir schon des öfteren hatten und die wir nicht lösen konnten. Dieses Mal befinden wir uns wieder auf dem Weg der Nichtlösung und gehen dabei besonders hartnäckig vor, indem wir den entsprechenden Teil gänzlich von unserer Persönlichkeit abspalten. Dies passiert zum Beispiel dann, wenn wir uns selbst als besonders heilig und rein betrachten wollen und uns daher „unreine“ Wesenszüge wie Triebhaftigkeit, sexuelle Fantasien und Wünsche, starke Gefühle wie Wut, Ärger, Aggression aber auch Euphorie und pure Lebensfreude verwehren, weil wir glauben, dass sie sündhaft seien, oder dass wir sie nicht verdient haben. Wenn wir diese Teile unserer eigenen Persönlichkeit verneinen, verneinen wir damit jedoch auch unsere Göttlichkeit und unsere eigene schöpferische Kraft. Wir empfinden uns selbst als etwas Schlechtes und entfernen uns dadurch von der Liebe. Dies ist auch einer der Gründe, warum besonders „fromme“ oder „reine“ Menschen eine größere Chance haben, besetzt zu werden, als andere.

Um uns dabei zu helfen, zu erkennen, dass dies nicht der Weg sein kann, kann sich nun ein Spiegelpartner in Form eines Geistes oder einer anderen Seele an uns haften und diesen Teil unserer eigenen Persönlichkeit zurück in unser Bewusstsein drängen, in dem er gänzlich oder teilweise die Führung übernimmt. Das, was wir zuvor verdrängt haben leben wir nun überdeutlich, so dass ganz klar wird, worum es hier geht. So wie wir zuvor in einem Extrem feststeckten, erleben wir nun das andere und können dann, wenn wir die Lernchance annehmen, zurück in die Balance finden.

Fortsetzung folgt...

Spruch des Tages: Geister sind vielleicht gar nicht so unheimlich, wie man immer denkt.

Höhenmeter: 390m

Tagesetappe: 17 km

Gesamtstrecke: 10.598,27 km

Wetter: sonnig

Etappenziel: Zeltplatz hinter einem alten Haus, Gvozd, Montenegro

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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