Tag 1460 bis 1463: Herbstwandern

von Heiko Gärtner
17.04.2018 06:49 Uhr

10.-13.11.2012

Mit der Gemütlichkeit ist es nun wohl endgültig erst einmal vorbei, denn die letzten Tage gab es fast täglich eine Steigerung, was die Schlechtigkeit des Wetters anbelangte. Angefangen von eisigem Wind und Nieselregen bis hin zu regelrechten Sinnfluten, die den ganzen Tag andauerten war nun wirklich alles dabei. Gleichzeitig sorgte dieses Wetter jedoch auch dafür, dass die Wälder, durch die wir nun wandern durften eine ganz besondere Stimmung ausstrahlen. Es war nicht angenehm, bei diesen Bedingungen zu wandern, aber es machte trotzdem Spaß, weil es etwas zu sehen gab und weil es irgendwie ein ganz eigenes Erlebnis war, immer wieder durch die Nebelschwaden zu steigen oder den knorrigen, alten Bäumen dabei zuzusehen, wie sie dem Wind trotzten.

Hin und wieder ist die Welt im Herbst ruhig und harmonisch

Hin und wieder ist die Welt im Herbst ruhig und harmonisch

Dennoch freuten wir uns auch jedes Mal darüber, wenn wir irgendwo einen Platz zum einkehren fanden. In der ersten Nacht wurde es eine leerstehende Wohnung, deren Heizung leider nur sehr bedingt funktionierte und in der wir uns noch recht lange mit einer hübschen und netten Dame aus dem Rathaus, sowie mit einem Zeitungsreporter zusammensetzten, um ein Interview zu geben.

Oft überwiegt aber das trübe Einheitsgrau

Oft überwiegt aber das trübe Einheitsgrau

Die Menschen, denen wir am nächsten Tag begegneten waren nicht ganz so freundlich und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis wir schließlich jemanden dazu überreden konnten, auch nur den Pfarrer anzurufen. Als dieser jedoch einmal erreicht war, war die Sache innerhalb von 30 Sekunden geritzt und wir hatten ein komplettes Pfarrhaus mit Büros und zwei Etagen an Nutz- und Seminarräumen für uns alleine. Leider wurde ich in der Nacht wieder einmal so sehr vom Schlaf übermannt, dass ich erst mit dem letzten Wecker-Klingeln aufwachte, das soviel sagte wie: „Raus Jetzt! Du hast schon fast die Zeit verschlafen, in der ihr aufbrechen wolltet!“

Alte Lehmhäuser

Alte Lehmhäuser

Das war nicht nur ärgerlich, sondern warf mich auch in meinen Versuchen, die Tagesberichte nachzuholen wieder ein ordentliches Stück zurück. Außerdem warf es die dringende Frage auf, wie ich es geschafft hatte, gleich 7 Wecker zu überhören. Es war nicht einfach nur ein Verschlafen, sondern eine Art Koma-Zustand in den ich da verfiel und in dem es fast wirkte, als wäre ich vom Geist her nicht einmal mehr in diesem Körper anwesend.

Der Besuch im Megastore ist eine willkommene Gelegenheit, um sich etwas aufzuwärmen

Der Besuch im Megastore ist eine willkommene Gelegenheit, um sich etwas aufzuwärmen

Am heftigsten waren jedoch die Erfahrungen vom dritten Tag. Hier gerieten wir direkt vor dem Haus des Bürgermeisters in einen so heftigen Regenschauer, dass wir binnen weniger Minuten bis auf die Unterhose hin vollkommen durchnässt waren. Dank des eisigen Windes war es nun umso dringender, das wir einen Platz fanden, den lange hielten wir es so nicht mehr aus. Da war es umso erschreckender zu erleben, wie gering die Hilfsbereitschaft der Menschen in einem solchen Moment war. Nicht einmal der Feuerwehrmann bot uns etwas an, das über die Beschreibung zu einem Nachbarn hinaus ging, der im Rathaus arbeiten solle. Dieser besagte Mann brachte es dann auf die Spitze, indem er uns offen mitteilte, dass es zwar Räume gab, er jedoch nicht gewillt war, so nasse und dreckige Leute hinein zu bitten. Angeblich würde der Hauptbürgermeister da eh Nein sagen, warum sollte man es also versuchen? Wir müssten eben einfach noch einmal 10km weiter.

Der Sauerbraten von Heikos Mutter tröstet über viel Ungemütlichkeit hinweg.

Der Sauerbraten von Heikos Mutter tröstet über viel Ungemütlichkeit hinweg.

Dies war der Moment, in dem mir der Geduldsfaden riss. Ich war ja schon öfter mal aufgebracht gewesen, wegen derartiger Ereignisse aber dieses Mal reichte es endgültig und ich platzte nur so aus mir heraus. Ich schimpfte und zeterte wie ein Rohrspatz und warf ihm Grausamkeit, Herzlosigkeit und Unmenschlichkeit vor. Zu meinem eigenen Erstaunen machten ihn diese Worte tatsächlich betroffen und er änderte seine Meinung. Wenig später führte er ein kurzes Gespräch mit dem Bürgermeister und noch einen Moment drauf hatten wir ein Vereinshaus um die Ecke in dem wir bleiben und uns trocknen konnten.

Die Harvester haben in den Wäldern spuren der Zertörung hinterlassen

Die Harvester haben in den Wäldern spuren der Zertörung hinterlassen

Dass diese Gegend jedoch insgesamt ein hartes Pflaster war zeigte sich später noch einmal bei der Essenssuche. Von rund zwanzig Häusern an deren Pforte ich klingelte sagten insgesamt nur zwei zu. Eine davon war eine Familie aus Afrika, die sich selbst gerade so über Wasser halten konnte. Die zweite war eine Messifamilie, die mit drei Generationen unter einem Dach lebte. Hier bekamen wir nicht nur reichlich Essen, sondern gleich auch noch einen Heizstrahler für die Nacht geborgt, denn das Vereinshaus selbst war bereits wieder dabei, eine Kühlkammer zu werden.

Spruch des Tages: Man muss nur erst einmal laut werden.

Höhenmeter 12m / 15m / 15m / 16m

Tagesetappe: 15km / 11km / 16km / 18km

Gesamtstrecke: 27.488 ,27km

Wetter: Kälte und Dauerregen

Etappenziel 1: Jugendhaus der Gemeinde, Veendam, Niederlande

Etappenziel 2: Katholisches Gemeindehaus, Winschoten, Niederlande

Etappenziel 3: Martin-Luther-Haus, Beerta, Niederlande

Etappenziel 4: Gemeindehaus, Driborg, Niederlande

09.11.2017

Heute kam unser Paket mit den neuen Packsäcken an. Wo gerade ohnehin schon einer kaputt gegangen war, haben wir die Gelegenheit genutzt, und gleich alle erneuert, die es vertragen konnten. Heikos Eltern haben natürlich auch wieder einiges an Nahrung hinzugelegt und schon hatten wir wieder ein Paket, das fast das Postamt sprengte. Der Ort, an dem wir es in Empfang nahmen, trug den Namen Bains les Bains, was soviel bedeutet wie „Bad des Bades“. Es klingt ein bisschen wie „Creme de la Creme“ oder „Top oft he Top“, was allerdings ein wenig hochgegriffen ist, denn man kann ohne zu flunkern behaupten, dass Bains le Bains der wohl mit Abstand hässlichste Kurort der Welt ist. Es ist Weltweit allgemein anerkannt, dass die pragmatisch eckige und betonlastige Architektur des ehemaligen Ostblocks die meisten Werteskalen in Sachen Ästhetik nach unten hin sprengen, aber gegen diese Gegend hier sind die sowjetischen Wohnbunker geradezu kuschelig.

Das Kur-Hotel von Bains-le-Bains

Das Kur-Hotel von Bains-le-Bains

Dementsprechend hoch war auch die Quote an Touristen und Badeurlaubern die uns über den Weg lief und es machte ein bisschen den Anschein, als hätten auch viele Einheimische schon vor langer Zeit das Weite gesucht. Theoretisch hätte man nun vermuten können, dass dies für uns ideal ist, dann dadurch gab es unzählige Leerstehende Gebäude, die von der Stadt verwaltet wurden und die man uns locker hätte zum Schlafen überlassen können. Doch die städtische Gemeinde sah das anders. Immerhin gab es hier ja eine offizielle Einrichtung, die man Hausierern und Vagabunden anbieten konnte und da man einmal ein Konzept hatte, wurde von dem auch nicht mehr abgegangen, nur weil es weniger erniedrigende Möglichkeiten gab. Vor allem war so natürlich alles viel leichter, da ja jeder Bescheid wusste und es kaum noch organisatorischen Aufwand gab. Wir mussten nur das Antragsformular B35x-C7 ausfüllen, sämtliche Personalien angeben, unsere Ausweise kontrollieren und kopieren lassen und dann auf die zuständige Dame warten, die den Schlüssel und die Öffnungsgewalt für besagte Örtlichkeit hatte.

Ein Wohnhaus in Bains-le-Bains

Ein Wohnhaus in Bains-le-Bains

Einkaufsmeile von Bains-les-Bains

Einkaufsmeile von Bains-les-Bains

Letzteres dauerte so lange, dass wir unseren gesamten Wagenumbau auf dem Rathausplatz vornehmen konnten. Der gesamte Inhalt meines Wagens wurde ausgeleert, sortiert und überprüft. Dann wurden die Packsäcke getauscht, zusätzliches Ballastmaterial wurde abmontiert und alles wurde wieder an seinen Platz gebracht. Danach hatten wir noch genug Zeit um den halben Vorrat an Nüssen aufzuessen, den uns Heikos Eltern mitgeschickt hatten. Erst dann ließ sich die Frau blicken, die uns zu unserem Quartier führen sollte. Seit meiner ersten Anfrage und der Zusicherung: „Kein Problem, das haben wir gleich!“ waren nun dreieinhalb Stunden vergangen.

Das Zentrum von Bainsl-les-Bains mit der Pilgerherberge links im Bild

Das Zentrum von Bainsl-les-Bains mit der Pilgerherberge links im Bild

Das wirklich beeindruckende war jedoch, dass es dreieinhalb Stunden angefüllt mit einer Symphonie der Grausamkeit waren. Das im Nachhinein zu beschreiben ist nicht so leicht, da es sich nun sogar für uns selbst unrealistisch anhört. Wir hatten den Platz kaum erreicht, da begann ein junger Mann damit, Laub von einem Ende ans andere zu pusten, wobei er einen großen motorisierten Laubbläser verwendete. Er war gewissermaßen die E-Gitarre in unserem Störgeräuschorchester. Kurze Zeit später setzten dann die Drums in Form eines Presslufthammers am oberen Straßenende ein und dann folgte das Piano als monotones Pfeifen eines Kleinbaggers, der permanent seinen Rückwärtsgang eingestellt ließ. Für die Melodie im Stück sorgte schließlich noch eine Autoalarmanlage und um den Gesang kümmerten sich zwei Hunde, die sich auf benachbarten Gärten gegenseitig ankeiften. Damit waren nun also alle wichtigen Posten besetzt. Ach halt, der Backround darf natürlich nicht fehlen, aber dafür gab es ja noch das tiefe, bassige Rauschen der Rathausklimaanlage.

Stadtzentrum von Bains-les-Bains

Stadtzentrum von Bains-les-Bains

Treppenaufgang zu einem Wohnhaus

Treppenaufgang zu einem Wohnhaus

ooom

Eine Symphonie des Lärms

In den besagten dreieinhalb Stunden erlebten wir dann ein geradezu hervorragend komponiertes Wechselspiel zwischen diesen Lärmquellen. Immer mal wieder setzte die eine oder andere aus und fast automatisch wurden andere lauter, so als hätte gerade jemand seinen Solo-Auftritt. Ihr könnt euch also denken, dass es wie eine Erlösung war, als schließlich die Frau mit dem Schlüssel auftauchte. Man muss hier jedoch noch erwähnen, dass unsere Meinung über das Spektakel nicht allgemein geteilt wurde. Der Laubbläsermann beispielsweise hatte extra seine Hörgeräte eingeschaltet, damit er den röhrenden Sound seines Arbeitsgerätes auch voll genießen konnte. Werner würde dazu sagen: „Dad muss Kesseln!“

Doch wir waren noch immer nicht am Ziel.

Unser Pilgergepäck verteilt auf dem Marktplatz

Unser Pilgergepäck verteilt auf dem Marktplatz

Die Frau, die leider nicht besonders gut zu Fuß war und daher nur im Schneckentempo voran kam, stellte zehn Minuten später vor der Tür des Schlafquartiers fest, dass sie den falschen Schlüssel dabei hatte. Also ging alles noch einmal zurück und nur 20 Minuten nach unserem Aufbruch standen wir nun wieder an der gleichen Stelle auf dem Rathausplatz. Das Spiel wiederholten wir dann noch ein weiteres Mal, denn wie sich herausstellte wollte auch der zweite Schlüssel nicht in die vollkommen verrostete Tür passen, die außer ein paar Spinnen und Käfern schon seit einem Jahrzehnt niemand mehr betreten hatte. Wir nutzten die Zeit des erbitterten Kampfes von Frau gegen Tür um uns noch etwas genauer umzusehen. Die Straße, auf der wir uns befanden, war eine Hauptstraße und das Gebäude vor uns war so marode, dass sogar die Wände den Schall durchließen als wären sie aus Pappe. Von den Fenstern die bereits jetzt im Takt der vorbeirauschenden LKWs klirrten mal ganz zu schweigen. Alles ins allem war der Platz in etwa wo schlecht wie der, den wir vor einiger Zeit vom pensionierten Pfarrer ausgeschlagen hatten.

Unser Postpaket kam mit dem Service "Poste Restante"zu uns.

Unser Postpaket kam mit dem Service "Poste Restante"zu uns.

Die Weltreiseausrüstung wird noch eingehend durchgecheckt.

Die Weltreiseausrüstung wird noch eingehend durchgecheckt.

Dann lieber doch ins Schwarzzelt…

„Es tut mir leid!“ sagte die Frau schließlich, „ich brauche noch einmal einen weiteren Schlüssel! Dauert nicht lange!“

„Es tut uns leid!“ sagte ich daraufhin, „aber lassen Sie ihren Schlüssel einfach da wo er ist. Wir gehen weiter bis in einen Ort, an dem man nicht versucht uns in ein Rattenloch zu stecken, obwohl es ein gutes Dutzend an Gebäuden gibt, bei denen man keine Angst hat, verschüttet zu werden, wenn man niesen muss.“

        Die optimale Weltreiseausrüstung

So befanden wir uns nun also erneut auf der Piste, nur dass wir dieses Mal einen zusätzlichen Packsack und knapp 20kg anderes Zusatzgepäck dabei hatten. Offroadstrecken und starke Steigungen waren also nicht ratsam. Drei mal dürft ihr raten, was uns auf den folgenden 9km immer wieder erwartete...

           

Meine erste Übernachtung in der Jurte

Nach all den nur bedingt erfreulichen Ereignissen nahm der Tag letztlich dann aber noch eine vollkommen neue und unerwartete Wendung. Denn im nächsten Dorf in dem wir ankamen bekamen wir nicht etwa den Festsaal, das Vereinshaus oder Räume des zurzeit unbenutzten Seminarbetriebes zur Verfügung gestellt. Nein, wir durften zum ersten Mal auf unserer Reise und zum ersten Mal in meinem Leben in einer Jurte schlafen. Zwei Kilometer hinter dem Ort hatte ein junges Pärchen einen Jurtenplatz aufgebaut, der immer von Urlaubern, Heiratenden, Schülergruppen und Firmen besucht wurde. Die Jurten waren in weitgehend Traditionellem Stil gebaut, verfügten aber über elektrischen Strohm und via Satellit sogar über einen Internetzugang.

             

Zum Abendessen wurden wir in die Nachbarjurte eingeladen, die von unseren Gastgebern selbst bewohnt wurde. Sie lebten nun seit einem knappen Jahr hier auf dem Platz und waren immer mehr davon überzeugt, dasss eine Jurte ein schönes Zuhause ist. Auch wir selbst waren begeistert, wie ausgeklügelt diese Art des Wohnens war, allein wenn es ums Beheizen ging. Obwohl unser Raum einen Durchmesser von etwa 12m hatte, reichte ein winziger Ofen aus, um ihn zu beheizen. Viele der vergangenen und noch kommenden Nächte, die wir in festen Häusern verbrachten, waren so kalt, dass wir ohne Verspannungen und zweiten Schlafsack nicht durch kamen. Doch die Nacht im Schwarzzelt war durchgängig warm und angenehm. Ein Hoch auf die Jurte!

Ein spannender Kurztrip mit außergewöhnlicher Übernachtung als Erlebnisgeschenk

Eure eigene Übernachtung in der Jurte

Ihr habt durch den Artikel Lust bekommen, selbst einmal in einer Jurte zu übernachten? Kein Problem, schaut einfach mal in unserer Erlebnisgalaxie vorbei. Dort findet Ihr gleich eine ganze Auswahl an außergewöhnlichen Übernachtungen. Neben einer Nacht in der Jurte gibt es zum Beispiel auch Schlafen im Heuhotel, übernachten im Iglu und viele weitere ungewöhnliche Schlafplätze wie Baumhäuser, Riesenbierfässer, Tipis, Höhlen und Schlösser.

[/av_button_big]

Spruch des Tages: Nicht schlecht so eine Jurte!

Höhenmeter 25m / 33m / 45m / 16m

Tagesetappe: 13km / 11km / 16km / 18km

Gesamtstrecke: 27.428 ,27km

Wetter: Kälte und Dauerregen

Etappenziel 1: Jugendbildungsstätte, Hoogeveen, Niederlande

Etappenziel 2: Privatpension, Assen, Niederlande

Etappenziel 3: Städtisches Jugendhaus, Groningen, Niederlande

Etappenziel 4: Private Gästezimmer, Hoogezand, Niederlande

07.11.2017

Pferdefütterung

Gestern abend haben wir von unseren Nachbarn zwei riesige aber leider geschmacklich vollkommen unterentwickelte Äpfel geschenkt bekommen, die uns heute in der Früh als Wegzehrung dienen sollten. Lustlos kauten wir darauf herum, bis wir an einer Koppel mit zwei Pferden vorbei kamen, die uns neugierig anschauten.

neugierig schauen die Pferde, was außerhalb ihrer Weide so los ist.

neugierig schauen die Pferde, was außerhalb ihrer Weide so los ist.

„Wie siehts aus?“ fragte Heiko, „habt ihr Lust auf einen Apfel? Mein Fall ist er nicht so ganz!“

Er legte den Apfel auf einen Zaunpfahl, von wo aus er zunächst einmal neugierig beschnuppert wurde. Zur gleichen Zeit bot ich meinen Apfel dem zweiten Pferd an. Vorsichtig, um meine Finger nicht zu verletzen nahm er ihn an, stellte jedoch fest, dass er ihn ein klein wenig überschätzt hatte.

Zwei Pferdefreunde

Zwei Pferdefreunde

Portrait eines Pferdes mit beeindruckender Mähne

Portrait eines Pferdes mit beeindruckender Mähne

Es war ein lustiger Anblick, wie er da so auf dem riesigen Apfel herumkaute, ihn von einem Ende seines Maules zum anderen schob und nicht wusste, ob er ihn lieber herunterschlucken oder ausspucken sollte. Währenddessen hatte das zweite Pferd Heikos Apfel für sich entdeckt. Auch er biss vorsichtig zu, verlor ihn aber erst einmal aus dem Mund und musste ihn am Boden mit etwas Schlamm neu aufnehmen. Nun kauten beide synchron und es schien fast eine Art Wettkampf. Der Kampf mit dem Brocken dauerte etwa eine Minute, dann ging das Pferd erste Pferd als triumphierender Gewinner hervor. Das zweite kämpfte noch immer, hatte es aber nun geschafft, die äußere Schicht so weit herunterzunagen, dass der Apfel nun fast schon kaubar war.

der alte, verlassene Bahnhof

der alte, verlassene Bahnhof

Verfluchte Straßen

08.11.2017

Als wir vor einem guten halben Jahr die britischen Inseln betreten haben, waren wir geradezu entsetzt über den Zustand der Straßen dort. Anstelle von gewöhnlichem Asphalt war man hier dazu übergegangen regelrechte Schotterpisten mit ein klein wenig Teer zu fixieren, so dass ein Lautstärketrichter entstand, der jede noch so kleine Straße unerträglich machte. An einigen Stellen, vor allem bei große Hauptstraßen waren bewusst dicke Steine in den Asphalt eingearbeitet worden. Auf den Nebenstraßen hingegen hatte man ein noch abstrakteres Modell entwickelt. Auf die bereits vorhandene Straße wurde eine dünne Schicht flüssigen Teers aufgetragen und darauf eine dicke Schicht Rollsplitt verteilt. Das war alles. Nach eingier Zeit sorgten die normalen Autos mit ihrem Reifendruck dafür, dass sich ein Teil der Splittersteine im Teer festsetzte und mit ihrem Fahrtwind, dass die übrigen von der Straße geweht wurden. Wie man auf so eine Idee kommen konnte war uns fraglich und wir waren sicher, dass es ein Tick der Briten war, den man sonst nirgendwo auf der Welt finden würde.

Stadtkirche

Stadtkirche

Heiligenstatuen

Heiligenstatuen

Doch nun mussten wir mit erschrecken feststellen, dass diese grauenhaften Klebestraßen auch schon in Frankreich Einzug gehalten hatten. Irgendwann vor ein paar Tagen hatten wir die erste hier im Land gesehen und seither waren es immer mehr geworden. Es wirkte fast, als würden sie sich wie eine Epidemie verbreiten und nach und nach das ganze Land erobern. Angenehmes Wandern würde dann auch hier nahezu unmöglich sein. Wir können also nur hoffen, dass es ein Kurzzeittrend ist, der bald wieder aufgegeben wird.

Ein eher schlichtes Adelshaus

Ein eher schlichtes Adelshaus

Am Nachmittag erreichten wir ein kleines Dörfchen, dass sich durch seine besondere Touristenattraktion auszeichnete. Man konnte hier Pferdewagentouren buchen und dann gemütlich wie in alte Zeiten mit Pferd und Planwagen durch die Lande fahren. Mir stachen diese Touren vor allem deshalb sofort ins Auge, weil meine Eltern oft erzählt hatten, dass sie vor meiner Geburt eine solche Tour gebucht hatten und dass sie damals sehr begeistert davon waren. Ob es vielleicht sogar dieser Ort gewesen war, durch den sie dabei reisten?

Um noch deutlicher zu machen, dass meine Familiensystematik mal wieder eine größere Rolle spiele, hieß die Frau vom Bürgermeister, die wir kurz darauf trafen noch genau wie meine Mutter.

Halloween im Geisterdorf

Halloween im Geisterdorf

Bäckerei mit gruseligem Halloweenschmuck

Bäckerei mit gruseligem Halloweenschmuck

Zum Übernachten bekamen wir dieses Mal den Aufenthaltsraum der Rentner, die hier Mützen strickten oder Weihnachtsdeko bastelten. Es war eine wahre Schatzkammer an Kinkerlitzchen und Bastelmaterial, in dem wir uns erst einen Platz zum Schlafen freischaufeln mussten. Abgesehen davon war es aber ein guter Platz und wir hatten sogar eine Badewanne in der wir unsere kalten Knochen und Muskeln wieder auftauen konnten. Internet und Abendessen durften wir von einer Nachbarsfamilie beziehen. Diese hätte uns kurz zuvor auch zu sich zum Übernachten eingeladen. Nicht, weil sie unser Projekt so gut fanden oder weil wir ihnen sympathisch waren, sondern einfach nur, weil sie erkannt hatten, dass wir einen Schlafplatz brauchten. Während ich nach dem Bürgermeister gesucht hatte, hatte Heiko auf dem Platz gewartet und war dort entdeckt worden. Höflich hatte der Mann gefragt ob er helfen könne.

Der Wanderweg führt lange am Kanal entlang

Der Wanderweg führt lange am Kanal entlang.

Das Dach der Kirche wird von einem Mosaik geziert.

Das Dach der Kirche wird von einem Mosaik geziert.

Es war eine chaotische Familie, in der jeder sein ganz eigenes Päckchen zu tragen hatte, aber sie waren hilfsbereiter und auf ihre eigne Art auch höflicher und diskreter als nahezu alle anderen Menschen, die wir in letzter Zeit hier im Land getroffen haben.

Spruch des Tages: Being creative is not a hobby, its a way of life! (Spruch in einem Schaufenster)

Höhenmeter 22m / 30m / 30m / 16m

Tagesetappe: 17km / 16km / 20km / 18km

Gesamtstrecke: 27.370 ,27km

Wetter: Kälte und Dauerregen

Etappenziel 1: Gemeindehaus, Nijverdal, Niederlande

Etappenziel 2: Gemeindehaus, Raalte, Niederlande

Etappenziel 3: Gemeindehaus, Zwolle, Niederlande

Etappenziel 4: Exerzizienhaus, Meppel, Niederlande

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare