Tag 1235: Gülle zerstört den Asphalt

von Heiko Gärtner
09.09.2017 18:58 Uhr

21.05.2017

Tierdung ist heute so toxisch, dass er Aspahlt auflöst

Vor drei Jahren haben wir in Frankreich eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Überall dort, wo Kuhdung auf der Straße lag, hatten sich Risse im Asphalt gebildet und teilweise waren sogar ganze Asphaltplacken aus der Straße herausgebrochen. Damals hatten wir vermutet, dass dies eine Reaktion auf die immense Hitze auf der Asphaltoberfläche war. Wenn die Sonne mit all ihrer Macht darauf hernieder prügelte dann wurde der Asphalt an den Stellen, an denen er nicht mit Kuhmist bedeckt war vielleicht weicher und produzierte so eine Spannung.

Heute jedoch sahen wir hier in Wales genau das gleiche Phänomen und das sogar noch um einiges intensiver, obwohl Hitze hier garantiert keine Rolle spielen konnte. Es war also wirklich der Kuhdung selbst, der den Asphalt zerstörte. Wo immer der Jauche-Tank des Bauerns einige Schlucke seiner stinkenden Fracht auf der Straße verloren hatte, platzte der Asphalt heraus, wellte sich nach oben und hinterließ schließlich eine Vertiefung. Derartige Vertiefungen hatten wir schon oft auf den Straßen gesehen, nur hätten wir bislang niemals gedacht, dass sie durch Tiermist verursacht wurden. Wie aggressiv musste also der Kuhdung sein, wenn er ganze Straßen auflösen konnte? Was bekamen diese Tiere zu fressen? Und woher stammte dieser Dung? Die einheimischen Kühe hier grasten auf den Weiden und hinterließen auch ihren Kot genau dort. Er konnte also nicht in die Tanks gefüllt werden. Langsam begannen wir zu verstehen, warum Tierdung vielerorts als Giftmüll oder Sondermüll behandelt wird.

Zu viel Smalltalk, zu wenig Zeit

Unser Zielort trug den Namen Pontrobert und er erwies sich nicht gerade als der produktivste Arbeitsplatz aller Zeiten. Immer wieder bekamen wir Besuch aus dem Ort oder von den zuständigen Pastoren, Kirchenverwaltern und allen anderen, die irgendwie mit der Kirche verbunden waren. Einige dieser Besuche waren kurz, angenehm und hilfreich, andere hingegen kosteten vor allem Zeit und hinterließen das Gefühl, im Endeffekt nichts aus der Begegnung gewonnen zu haben. Das beste Beispiel für die zweite Kategorie war ein Pfarrer aus Pakistan, der hier in der Gemeinde als Zweitpfarrer aushalf. Tatsächlich enthielt das Gespräch durchaus einige interessante Punkte, jedoch zumeist an den Stellen, an denen unser Besucher eigentlich nichts erzählen wollte.

Wie finanziert sich die englische Kirche?

Zum einen erfuhren wir dabei, dass die Kirche hier tatsächlich fast ausschließlich davon lebt, dass es viele reiche Menschen gibt, die aus unterschiedlichsten Gründen ein schlechtes Gewissen haben und dieses durch die Unterstützung der Kirche reinkaufen wollen. Seit dem Ablasssystem aus Martin Lutters Zeiten hat sich hier also wenig verändert. Die Kirche, in der wir gerade saßen, wurde tatsächlich zu 95% von nur vier gütigen Spendern aus dem Ort finanziert. Zur sonntaglichen Messe kamen hingegen nur zwei.

Der Pfad Gottes ist unergründlich

Spannend war aber vor allem die Geschichte des Mannes selbst, die er zwar nicht offen erzählte, aber von der er immer wieder genug preis gab, um sie verstehen zu können. Er hatte als katholischer Franziskanermönch in Pakistan begonnen und war gerade dabei, seine Pfarrersausbildung zu machen. Bevor er diese jedoch beenden konnte, brach es alles aufgrund von Unstimmigkeiten mit seinem Ausbilder ab und verließ sein Land in Richtung Europa. Hier hatte er dann jedoch das Problem, dass er nicht als katholischer Pfarrer arbeiten durfte, da er ja kein katholischer Pfarrer war, sondern lediglich einmal einer werden wollte. Also sah er sich nach Alternativen um und stellte fest, dass die anglikanische Kirche aufgrund ihres akuten Mangels an Geistlichen kein Problem damit hatte, einen halbfertigen Pfarrer zu beschäftigen. Dies war der Grund, weshalb er in die Chirch-of-England eintrat. Mit diesem Schritt hatte er nun nicht nur einen Job, er war nun auch nicht mehr verpflichtet, im Zölibat zu leben. Also sprach nun nichts mehr gegen eine Heirat und die Anwesenheit einer Frau. Leider klappte es mit den englischen Frauen nicht besonders und so schrieb es einen Brief an seine Mutter, mit der Bitte, ihm eine pakistanische Frau zu schicken, die er heiraten konnte. Was für uns so abstrakt klingt, dass man den Brief als Mutter wahrscheinlich gleich zerrissen hätte, war in Pakistan eine ganz normale und vollkommen akzeptierte Bitte, der die Mutter sofort nachging. Er bekam die Frau wie bestellt und lebt noch immer mit ihr zusammen.

Spruch des Tages: Es gibt nichts, das es nicht gibt.

Höhenmeter: 460 m

Tagesetappe: 19 km

Gesamtstrecke: 22.627,27 km

Wetter: bewölkt

Etappenziel: Kirche, Pontrobert, Wales

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

20.05.2017

Großbritannien ist definitiv mit Abstand das anstrengendste Land, das wir je bereist haben. Eine Etappe mit 12km macht uns hier genauso fertig wie andernorts eine mit 30. Und sie kostet hier auch in etwa genauso viel Zeit. Die Landschaft ist zweifellos schön und sehenswert, vor allem die knorrigen, alten Bäume, unter denen die Schafe am Gras knabbern, auf denen die Eichhörnchen herumtollen und über denen die Milane ihre Kreise ziehen. Das Problem ist nur, dass sich die Briten in Sachen Straßenbau nicht die geringste Mühe gegeben haben. Es wurde auf keine Landmarke und keine geografische Eigenschaft geachtet, sondern einfach wild drauflos gebaut.

Montenegro war bei weitem bergiger und hügeliger als diese Gegend hier und dennoch nicht einmal im Ansatz so anstrengend. Warum? Wenn es irgendwo einen Fluss gab, dann hat man die Straßen parallel entlang gelegt, so dass man weitgehend eben durch die Berge wandern konnte. Hier verlaufen die Straßen nahezu nie parallel zu irgendeinem Fluss oder einem natürlichen Talverlauf und wenn sie et tun, dann schaffen sie es trotzdem dabei wie eine Wellenlinie auf und ab zu hüpfen. Im Balkan gab es Tage, an denen wir Berge oder Klippen erklimmen mussten, die mehrere hundert Höhenmeter hoch waren. Hier starten wir meist auf 100 Metern über dem Meeresspiegel, kommen auf der selben Höhe an und haben uns dazwischen nicht mehr als 50 Meter von dieser Marke entfernt. Dennoch haben wir insgesamt vier-, fünf- oder sechshundert Höhenmeter gemacht, weil es auf der ganzen Strecke kein einziges, ebenes Stück gibt. Das allein wäre aber noch in Ordnung, wenn die Straßen dabei nicht auch noch so steil verlaufen würden. Teilweise hat man das Gefühl, man stürzt sich wirklich im freien Fall ins Tal hinunter. Durch die Bremsen an unseren Wägen, die uns ein bisschen nach hinten halten, fühlt es sich hin und wieder wie House-Running an. Houserunnning ist eine Extremsportart, bei der man ein Seil umgebunden bekommt und dann von einem Hochhaus oder einem hohen Turm abgeseilt wird, währen man mit dem Gesicht nach unten an der Fassade entlang läuft. Die Aufstiege als Gegenstück dazu fühlen sich dann ein bisschen wie Freeclimbing an, nur dass man einen 60kg schweren Wagen mit nach oben schleift.

Unser Ziel fanden wir heute in einer winzigen Ortschaft mit einer alten, steinernen Kirche. Aus irgendeinem Grund waren die meisten Menschen in diesem Ort sogar noch ängstlicher und verschlossener als wir es von den letzten Wochen gewohnt waren. Eine ältere Dame traute sich nicht einmal, mir die Adresse der Kirchenverwalterin zu geben, weil sie fürchtete, diese könne sauer werden, wenn man ihre Adresse einfach so an einen Fremden verriet.

Die einzigen, die wirklich entspannt waren, war ein Messi-Pärchen, die in einer winzigen Hütte lebten, in der man kaum ein Bein auf den Boden bekam. In ihrem Garten häuften sich Wraks und Einzelteile von Autos, Kleinbussen und allerlei Gerümpel. Und doch waren sie die einzigen, die sich hier wirklich wohl fühlten.

„Es ist ein bisschen wie der Garten Eden,“ meinte der Mann, als wir gemeinsam über das endlos weite Tal blickten, „Nur mit mehr Regen!“

Spannend dabei war, dass der Mann hier tatsächlich der einzige war, der es wirklich genoss hier zu leben und der seinen Garten nicht nur aus Prestige-Gründen hatte.

Spruch des Tages: Darf's noch ein bisschen hügeliger sein?

Höhenmeter: 390 m

Tagesetappe: 11 km

Gesamtstrecke: 22.608,27 km

Wetter: bewölkt und regnerisch

Etappenziel: Kirche, SY21 0AG Llanllugan, Wales

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19.05.2017

Kein Gepäck in der Öffentlichkeit stehen lassen

Heute wurden wir wieder einmal unter Terrorverdacht gestellt. Wir kamen auf unserer Wanderung durch eine Kleinstadt, die nicht besonders schön war, dafür aber einiges an Läden und Sehenswürdigkeiten bot. Um uns etwas umzuschauen stellten wir die Wagen in einem Park ab, doch noch ehe wir dessen Ausgang erreicht hatten, wurden wir von einem Security-Man aufgehalten.

„Stopp! Sie können Ihr Gepäck hier nicht stehen lassen!“ rief er hinter uns her.

„Wie bitte?“ fragte Heiko erstaunt über die plötzliche Ruhestörung.

„Ihr Gepäck! Es könnte eine Bombe enthalten und darf daher nicht unbeaufsichtigt im Park stehen gelassen werden!“ erklärte er.

Dann führte er aus, dass es vor einigen Tagen eine Terror-Warnung gab, durch die alle zur extremen Wachsamkeit aufgefordert wurden. Es sei aber keine Schutzmaßnahme aufgrund der vergangenen Anschläge, sondern eine Warnung in Bezug auf etwas neues.

„Und Sie denken, dass sich ein Terrorist ausgerechnet dieses Kaff hier aussuchen würde?“ fragte Heiko ungläubig, „Ich meine die Stadt ist doch grauenhaft! Wie will man hier noch etwas kaputt machen. Der ganze Bereich hier besteht aus Betonbunkern und Wohnklötzen in denen niemand leben will. Die einzigen, die ein Interesse daran haben, hier alles in die Luft zu sprengen, sind diejenigen, die darin wohnen!“

Der Sicherheitsbeamte unterdrückte ein Lächeln und entgegnete: „Naja, wir haben ja auch Stadtteile mit einer gehobeneren Schicht!“

Später stellten wir fest, dass er damit Recht hatte, wobei sich „gehoben“ in diesem Fall hauptsächlich auf die Höhe, des Stadtteils bezog und nicht auf die Menge an Geld auf den Konten der Bewohner.

Bomben sind OK, solange man bei ihnen ist

„Können wir die Wagen dann dort drüben abstellen?“ fragten wir und deuteten auf eine Grünfläche, die nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Beamten fiel.

„Mh“, entgegnete er, „von meiner Seite ist das in Ordnung, aber dort ist das Museum und die haben ebenfalls Sicherheitspersonal, das möglicherweise etwas dagegen hat!“

„Na Super! Dann stehen wir in drei Minuten wieder vor dem gleichen Punkt!“ kommentierte Heiko.

„Sie können Ihre Wagen hier schon abstellen!“ lenkte der Mann nun ein, „sie dürfen nur nicht unbeaufsichtigt sein. Wenn also immer einer hier bleibt ist es kein Problem!“

„Wirklich?“ fragte Heiko noch erstaunter als zuvor, „Na das ist mal konsequent. Euch ist schon klar, dass ihr auf diese Weise versucht, Selbstmordattentate zu verhindern. Also selbst wenn ich nun wirklich so ein Attentäter wäre, dann wäre es doch kein Problem für mich, den Wagen einfach zu sprengen, wenn ich daneben sitze. Das einzige Problem wäre natürlich, dass ich damit niemandem schaden würde, außer mir selbst, diesen Bäumen und der Bank hier. Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist: Ihr Park wird aus irgendeinem Grund von nahezu jedem gemieden. Es ist außer Ihen und uns niemand hier, was möglicher Weise an Ihrem Umgang mit Gästen liegt. Ich würde also im schlimmsten Fall diese Bänke zerstören und ein paar Eichhörnchen obdachlos machen. Und ja, die Bank ist unbequem, aber auch wieder nicht so grauenhaft, dass sich deshalb der Aufwand lohnen würde.“

Regel Nummer 1: Immer die Identität verraten

Als wir den Park mit unseren Wägen verließen, fiel uns noch eine Unsinnigkeit an dieser Argumentationskette auf. Würde ein Terrorist wirklich seine Internetseite in riesiger Schrift auf den Wagen schreiben, wenn er ein Attentat plant. So nach dem Motto: „www.attentat24.org – Ihr zuverlässiges Bomben-Portal!“ Wir waren schon ein sehr komisches Volk!

Wenn suspektes Gepäck unbeaufsichtigt zurückgelassen werden soll, dann dort wo es sich lohnt.

Nach einer ordentlichen und vor allem fettigen Portion Fish and Chips verließen wir die Stadt wieder. Wir hatten die Wagen in der Zwischenzeit mitten vor dem Haupteingang der Kirche im Zentrum geparkt, von minütlich rund 40 Fußgänger und 50 Autos vorbei kamen, darunter auch vier mal Beamte von der Polizei. An dieser Stelle hatte jedoch niemand ein Problem mit unseren Wagen und einer eventuell davon ausgehenden Terrorgefahr.

Im weiteren Verlauf kamen wir durch zwei kleine Orte und an einem Kongresszentrum der Walser Universität vorbei. Alle drei boten uns jedoch keinen Schlafplatz. Die beiden Orte aus dem irritierenden Grund, dass die Kirchen hier an Privatpersonen verkauft und zu gewöhnlichen Wohnhäusern umgebaut wurden. Das Hektar große, millionenschwere Zentrum der Universität weil es von einem spießigen, kleinkarierten Bürokraten verwaltet wurde.

Übernachten durften wir schließlich in einer Kapelle etwas abseits des Weges, die einer Methodistischen Gemeinde gehörte. Bis um 21:00 Uhr sprachen wir mit den verschiedensten Personen, die alle nichts gegen unsere Anwesenheit hatten, aber sich auch nicht trauten, uns ohne Erlaubnis von noch höherer Stelle ein sicheres OK zu geben. Letztlich war es dann jedoch die Putzfrau, die die Verantwortung übernahm, uns den Platz zusicherte und sogar noch etwas zum Essen vorbei brachte.

Spruch des Tages: Man kann nie vorsichtig genug sein!

Höhenmeter: 430 m

Tagesetappe: 25 km

Gesamtstrecke: 22.597,27 km

Wetter: sonnig

Etappenziel: Methodistische Kapelle, SY16 3EH Tregynon, Wales

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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