Monogame Beziehungen - Darum scheitern sie! - Tag 482

von Heiko Gärtner
29.04.2015 19:41 Uhr

Warum monogame Beziehungen zum Scheitern verurteilt sind!

Als wir in der Früh aus dem Fenster schauten, war uns sofort klar, dass heute kein entspannter Picknicktag werden würde. Es schüttete mal wieder wie aus Eimern und es sah nicht so aus, als wollte es jemals enden. Zunächst jedoch konnten wir das Unvermeidliche noch ein bisschen hinauszögern, da wir im Restaurant zu einem Frühstück eingeladen wurden. Dann aber hieß es hinaus in die Nässe und in unser neues Thema, die monogame Beziehung ist zum Scheitern verurteilt. Die neuen Softshelljacken, die uns Heikos Eltern mitgebracht hatten, hielten zwar noch etwas mehr Wasser ab, als die alten, doch da es heute recht warm war und wir wieder fleißig bergauf wandern mussten, waren wir nach kurzer Zeit so durchgeschwitzt, dass wir auch ganz ohne Jacke hätten laufen können.

Die neuen Softshelljacken wurden prompt im Regen geprüft

Die neuen Softshelljacken wurden prompt im Regen geprüft

Um uns herum wirkte der Wald wie die Nebelwälder in Guatemala, die ich damals besucht hatte. Dichte Nebelschwaden stiegen über ihnen auf, während der Starkregen auf sie herab prasselte. Es hatte etwas von Urwald und trotz der Ungemütlichkeit war es etwas besonderes, hier entlang wandern zu dürfen.

Heiko kam nach einigen Metern noch einmal auf das Gespräch mit unserem Gastgeber vom Vortag zurück. Er hatte uns erzählt, wie viel sich in seinem Leben und vor allem in seiner monogamen Beziehung geändert hatte, seit er verheiratet war. Die alte Leidenschaft schien verloren zu sein und auch wenn er seine Frau noch immer liebte, konnte er es doch nicht verhindern, dass er sich nach Abwechslung und nach einer neuen Partnerin sehnte.

Welches tief verankerte Denkmuster hält uns gefangen?

Uns fiel auf, dass hier ein Denkmuster verborgen lag, dass so Tief in unserer Gesellschaft verankert war, dass man es kaum mehr aufrütteln konnte. Wir glauben, dass die Qualität unserer Beziehung, egal ob in Bezug auf die Liebe oder auf die Sexualität, von unserem Partner abhängig ist. Wenn es nicht funktioniert, dann war der Partner eben nicht der Richtige und wir brauchen einen Neuen. Das es mit dem falschen Partner nicht klappen kann ist ja logisch. Die Frage ist nur, warum erwischen wir nur immer wieder die Falschen? Oder kann Monogamie nicht funktionieren?

Doch ist dieser Gedanke nicht komplett irrsinnig? Gehen wir einmal davon aus, dass wir alles was in unserem Leben passiert, mit Hilfe unserer Gedanken, unserer Glaubenssätze und unserer Weltansichten selbst angezogen haben und dass alles was passiert aus einem bestimmten Grund geschieht. Wenn dem so ist, gibt es auch keine falschen Entscheidungen, denn wir entscheiden uns immer so, wie es uns im Moment der Entscheidung am besten erschien. Selbst wenn wir in diesem Moment schon wissen, dass wir die Entscheidung später wieder bereuen würden, so gab es doch immer einen guten Grund, warum wir genau so und nicht anders gehandelt haben.

Wir müssen unsere Denkmuster und Glaubenssätze hinterfragen!

Wir müssen unsere Denkmuster und Glaubenssätze hinterfragen!

Ihr findet, dass das etwas zu komplex klingt? Das ist wahrscheinlich nicht ganz falsch, denn das Thema, was dahinter steht ist schier unfassbar groß. Ich werde trotzdem versuchen, es kurz zu erklären.

Denkmuster und Verstrickungen

Das zentrale Prinzip, nach dem wir handeln ist unsere Selbstliebe und unser Selbsterhalt. Jede Entscheidung, die wir treffen, treffen wir so, dass sie uns ausgehend von unserem aktuellen Wissens- und Glaubensstand, die größtmögliche Heilung und den größtmöglichen Lust- bzw. Zufriedenheitsgewinn bringt. Bis hierhin ist es eigentlich ganz einfach. Das, was es komplex macht ist, dass wir seit unserer Zeugung verschiedenste Denkmuster von unseren Eltern und anderen Mitmenschen wie zum Beispiel die monogame Beziehung, aufgenommen haben die nicht unbedingt immer besonders hilfreich sind. Eine Wildkatze lernt von der ersten Sekunde ihres Lebens an, wie sie sich in der Wildnis zurecht findet, wie sie einen Partner findet, Beute fängt und es sich ansonsten gut gehen lässt. Sie bekommt kein schlechtes Gewissen eingeredet, wenn sie den halben Tag in der Sonne döst. Sie bekommt keine Existenzängste mit auf dem Weg, die sie glauben lässt, dass es im Wald nicht genügend Mäuse für alle gibt und sie muss auch keine Familienverstrickungen auflösen, die ihre Eltern bereits von den Großeltern übernommen haben.

Bei uns ist es etwas anders. Wir bauen uns bereits im Bauch unserer Mütter eine Weltsicht auf, die in unseren ersten Lebensjahren immer weiter verfestigt wird und die wir für wahr halten. Diese bildet dann die Grundlage für unsere späteren Entscheidungen und das wiederum ist der Grund, weshalb unsere Entscheidungen oftmals so falsch oder zerstörerisch wirken. Nehmen wir einmal an, Gundl hat als Kind gelernt, dass ihre Eltern sie nicht mehr lieben, wenn sie ihre wahren Gefühle zeigt. Ohne die Liebe ihrer Eltern, von denen sie als Kind vollkommen abhängig war, wäre sie gestorben, also war das Unterdrücken ihrer Gefühle eine der wichtigsten Überlebensstrategien, die sie aufbauen konnte. Viele Jahre später lernt Gundl einen Mann kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt.

Sie weiß, dass er sie ebenfalls mag und alles was sie machen muss, um ihn als Partner zu gewinnen, ist es ihm offen zu zeigen, wie sie sich fühlt. Ohne dass ihr dies bewusst ist, verbindet sie das Zeigen von intensiven Gefühlen jedoch noch immer mit der Gewissheit, dass sie dadurch sterben wird und dass will sie natürlich verhindern. Obwohl sie weiß, dass sie diese Entscheidung ihr Leben lang bereuen wird, schweigt sie und weist ihren Traumprinzen ab. Für sie selbst fühlt es sich zwar wie eine falsche Entscheidung an, doch wenn man alles mit einbezieht, dann war es die einzige Möglichkeit, die ihr blieb. Wäre die Angst vor dem Tod zur Gefühlsehrlichkeit inzwischen so weit aufgelöst worden, dass die Angst kleiner wäre vor dem Unglücklichsein aufgrund der verpassten Chance, dann hätte sie sich andersherum entschieden. Ob sie das Glücklicher gemacht hätte, weiß natürlich kein Mensch. Vielleicht hätte sie sich dann ihr Leben lang gefragt, was passiert wäre, wenn sie damals einfach die Klappe gehalten hätte.

Ein weiteres Beispiel

Hubert hat als kleiner junge gelernt, dass man es nur dann im Leben zu etwas bringt, wenn man stärker ist als andere und es diesen auch beweisen kann. Egal womit ein anderer in seine Selbstbestimmung eindringen will, er sieht sofort rot und geht auf die Barrikaden. Mit 21 bekommt er mit, wie sich ein Freund von ihm nach einem Diskobesuch an seine Freundin ranmacht. Sofort ist er zur Stelle und schlägt den Konkurrenten krankenhausreif. Auch diese Entscheidung diente der Selbstliebe, da er sich und seine Beziehung in Gefahr sah.

Die Kirche und deren Regeln sind nicht für jeden geeignet

Die Kirche und deren Regeln sind nicht für jeden geeignet

So wie Gundl implodierte und aus Selbstliebe ihre Gefühle nur in sich hineinfressen konnte. So ist Hubert jemand der explodiert und seine Gefühle so schlagartig nach außen entlädt, dass er damit anderen Schaden zufügt. Beide Wege sind weder richtig noch falsch. Sie sind die Resultate der inneren Glaubensmuster, die in den Menschen unbewusst vor sich hin schlummern. Es sind einfache Beispiele, doch egal welche Entscheidungen irgendjemand auch trifft, egal ob er seiner Oma einen Blumenstrauß schenkt, Präsident werden will oder als Serienmörder Leichen zerstückelt, es steht immer das gleiche Prinzip dahinter. Daher ist eine Entscheidung, egal was sie auch für Folgen hat niemals falsch, da wir immer so gut entschieden haben, wie wir es in diesem Moment konnten. Uns Vorwürfe oder Schuldgefühle wegen einer Entscheidung zu machen, die im Nachhinein Leid verursacht, ist nicht hilfreich, denn wir können die Entscheidung nicht ungeschehen machen. Und wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten um wieder an dem gleichen Punkt zu landen, dann würden wir uns wieder genauso entscheiden. Was wir jedoch tun können ist, die Konsequenzen der Entscheidung als Wegweiser anzunehmen. Wenn eine Entscheidung zu Leid führt, dann wissen wir, dass wir sie aufgrund einer unbewussten Überzeugung getroffen haben, die nicht mehr dienlich für uns ist. In dem Moment, wo wir verstehen, warum wir wie gehandelt haben und die Mechanismen aus dem Unbewussten ins Bewusste holen, können wir die nächste Entscheidung in diesem Bereich auch bewusst treffen. Das heißt natürlich nicht, dass wir dann mit dem Ergebnis absolut zufrieden sind, aber es bedeutet, dass wir uns auf einen Entwicklungsweg begeben können, der dazu führt, dass wir mehr und mehr Zufriedenheit in unser Leben ziehen können.

Doch kehren wir nun zum Thema Partnerschaft zurück

Wenn nun also all unsere Entscheidungen ausgehend von unserer aktuellen Lebenssituation immer die richtigen sind, dann sind auch automatisch unsere Partner immer die richtigen. Nicht unbedingt immer diejenigen, mit denen wir ein glückliches und erfülltes Leben bis in alle Tage führen, aber diejenigen, die in dieser Phase unseres Lebens wichtig waren, damit wir lernen und uns weiterentwickeln konnten.

Wenn wir jetzt also davon ausgehen, dass es keinen falschen Partner gibt und dass es nicht am Partner liegt, ob eine Beziehung erfüllt ist oder nicht, dann muss es eine andere Ursache dafür geben, dass eine Partnerschaft nach einiger Zeit die Spannung verliert. Und diese wiederum liegt in unserer eigenen Betrachtungs- und Denkweise, mit der wir durchs Leben gehen. Das Thema ist etwas zu groß und zu umfangreich um es hier jetzt komplett auszuführen. Heiko beschäftigt sich nun immerhin bereits seit mehr als vier Monaten damit und wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.

  Das Leben in Monogamie ist auf Dauer schwer, finden einige und daher kommen Seitensprünge oder das fremd gehen, auch in den besten Beziehungen vor. Warum wir an der sexuellen Treue immer wieder scheitern ist, weil wir nur an die vorhandenen Denkmuster glauben. Warum ist die Monogamie unrealtistisch? Vielleicht ist es an der Zeit über eine neue Monogamie nachzudenken und dies darf jeder für sich entscheiden. Und wie sieht es bei den Tieren und der Biologie aus? Monogamie findet sich nur ausgesprochen selten bei Fischen, Lurchen und Reptilien. Auch bei Säugetieren herrschen andere Paarungssysteme wie Polygynie und Promiskuität vor. Bei vielen Vögeln ist hingegen die Monogamie das vorherrschende Paarungssystem (wobei zwischen sozialer und sexueller Monogamie zu unterscheiden ist; ca. 90 % aller Vogelarten sind zumindest sozial monogam). Vielleicht habt ihr auch schon von der Variante Polyamorie gehört oder gelesen. Das Besondere an Polyamorie ist der Grundsatz, dass der Liebe keine Grenzen gesetzt werden sollten und dass man somit jede Person lieben kann, die man möchte und dies auch zeigen darf. Polyamorie wird daher als ganzheitliches Lebenskonzept gesehen, das einen Gegenentwurf zum traditionellen monogamen Beziehungsmodell darstellt. Falls ihr mehr über die Kritik und eventuelle Probleme zum Thema erfahren wollt, empfiehlt sich der ehrliche und interessante Polyamorie Blog. Hier können erste Informationen einen neuen Raum schaffen, aber dennoch könnt ihr auch eure eigene Einstellung dazu nachwirken lassen. Welche Gefühle kommen auf wenn ihr an ein Polyamorie Dating denkt? Oder ist dein Partner Polyamorie? Eine ausführliche Doku über das große und vielleicht auch neue Thema, wird euch viele Fragen beantworten können.
Was hat der Tischtennis Vergleich mit dem Partner zu tun?

Was hat der Tischtennis Vergleich mit dem Partner zu tun?

Das interessante Currywurst Debakel

Hier möchte ich nur auf einen Aspekt der monogamen Beziehung eingehen, der uns heute besonders beschäftigt hat. Denn fest verbunden mit dem Glauben, dass es die Aufgabe unseres Partners ist, uns Glücklich zu machen, ist auch die Angst, dass diese Aufgabe von einem einzigen Menschen überhaupt nicht zu bewältigen ist. Vor allem in Bezug auf die Sexualität spukt bei vielen von uns immer wieder die Frage im Kopf herum, ob eine einzige Partnerin oder ein einziger Partner auf Dauer nicht automatisch zu Langeweile im Bett führt. Bedeutet eine monogame Beziehung nicht automatisch, dass man sich sein ganzes Leben auf etwas festlegt, das immer gleich bleibt? So als würde man sich verpflichten, von heute an nur noch einen einzigen Fernsehsender zu schauen, nur noch ein einziges Bettspiel zu spielen und nur noch ein einziges Gericht zu essen. Selbst wenn dieses Gericht das absolute Lieblingsgericht ist, wie zum Beispiel Currywurst mit Pommes und man am Anfang glaubt, man könne sich niemals daran satt essen, dann hängt es einem doch früher oder später zum Hals heraus. Ich meine, niemand kann jeden Tag zum Frühstück zum Mittag und zum Abendessen Currywurst essen, oder doch? Aber selbst wenn er es kann, dann sieht schon bald die Pizza auf dem Teller des Nachbarn so viel verlockender aus, dass man beginnt von ihr zu träumen, auch wenn man es vielleicht gar nicht will. Und der Nachbar, der den tagein tagaus nur Pizza vorgesetzt bekommt, der verzehrt sich nun plötzlich nach unserer Currywurst oder nach der Schüssel voll Eis auf dem Tisch gegenüber.

Doch funktioniert dieser Vergleich überhaupt? Wenn wir in unserer Partnerschaft gelangweilt sind, dann glauben wir, dass dies an unserem Partner liegt. Es muss dabei nicht einmal Schuld sein. Die „Chemie“ stimmt einfach nicht mehr. Man hat sich eben auseinander gelebt. Ein neuer Partner macht da bestimmt alles besser. Doch schon bald stellen wir fest, dass mit diesem Partner wieder die gleiche Langeweile aufkommt und wir schon wieder einen neuen brauchen. Wenn wir das System perfektionieren, dann legen wir uns gar keine festen Partner mehr zu, sondern entscheiden uns für ein System mit vielen lockeren Partnerschaften und Affären. Das kann sogar ein System sein, mit dem wir sehr gut zurechtkommen und viele, die auf diese Weise Beziehungen pflegen sind damit zufriedener als viele, die einen festen Partner haben. Doch so wirklich erfüllend ist auch diese Variante nicht. Warum?

Das Gleichnis mit der Currywurst auch andersherum

Wir glauben, dass wir anderen Sex erleben, wenn wir andere Partner haben. Es ist wieder neu, wieder spannend, wieder aufregend, denn das Gesicht und der Körper des Partners sehen nun anders aus und auch vom Temperament und vom Charakter unterscheidet er sich. Es ist jedoch ein Trugschluss, dass dadurch der Sex selbst abwechslungsreicher wird. Es ist ein bisschen ähnlich, wie das System, mit dem wir früher unsere Wildniskurse geleitet haben. Natürlich kam zu jedem Wochenendkurs eine neue Gruppe und je nachdem wie sich diese zusammensetzte, war auch jeder Kurs immer etwas anders. Man hatte stets mit neuen Menschen zu tun und diese brachten eine gewisse Abwechslung. Gleichzeitig führte es aber auch dazu, dass man jedes Mal wieder bei Null begann und so auf Dauer immer wieder die gleichen Aufgaben und Übungen machte. Trotz der wechselnden Teilnehmer stellte sich schließlich eine Routine ein, die bei uns als Trainer zu einem akuten Gelangweilt-Sein führte. Und die gleiche Langeweile stellt sich auch dann wieder ein, wenn man täglich neue Sexualpartner und keine monogame Beziehung hat. Das Gleichnis mit der Currywurst ist also andersherum. Einen Partner zu haben bedeutet nicht, täglich Currywurst essen zu müssen, sondern immer beim gleichen Koch oder der gleichen Köchin zu essen. Wenn dieser Koch oder diese Köchin natürlich nur ein einziges Gericht kann und uns dieses bei jeder Mahlzeit wieder vorsetzt, dann ist der Brechreiz nach kürzester Zeit vorprogrammiert. Dass man sich nun nach einem neuen Koch umsieht ist nur verständlich. Selbst wenn dieser ebenfalls nur Currywurst serviert, so hat er doch wenigstens ein etwas anderes Rezept und bringt damit eine neue Nuance in die monogame Beziehung mit ein.

Der Tischtennis Vergleich mit dem festen Partner

Seine Partner ständig zu wechseln ist hingegen eher vergleichbar mit der Tätigkeit eines Restauranttesters, der sich auf Fastfood-Läden spezialisiert hat. Auch er isst täglich Currywurst, probiert dabei aber sämtliche Imbissbuden durch und kann so ein persönliches Ranking erstellen. Hier war es etwas besser, dort etwas schlechter. Doch letztlich bleibt er bei der Currywurst. Die Spannung die er den Langzeitpaaren voraus hat, liegt dabei nicht beim Sex selbst (Currywurst bleibt Currywurst) sondern viel mehr in der Jagd, dem Eroberungsprinzip, bei dem er seine Instinkte nutzen und seinen Trieb befriedigen kann. Mit einer erfüllten, heiligen und energetisierenden Sexualität hat es jedoch wenig zu tun. Man kann es ein bisschen mit dem Spielen von Tischtennis vergleichen.

Die Spannung und die Abwechslung entsteht dabei nicht dadurch, dass man stets einen neuen Partner hat, mit dem man auf immer gleiche Weise den Ball locker von einer Seite auf die andere tippeln lässt. Sie entsteht dadurch, dass man mit unterschiedlichen Techniken und Geschwindigkeiten spielt, dass man mal flache mal hohe, mal schnelle, mal langsame Bälle spielt, dass man zwischen Vorhand und Rückhand wechselt, dass man den Ball schmettert, andreht abfängt oder den Gegner mit einem Topspin überrascht.

Welches Gesicht einem von der anderen Seite der Platte entgegenblickt spielt natürlich auch eine gewisse Rolle, doch nicht so sehr, wie das Spiel selbst. Genauso ist es auch beim Sex in einer monogamen Beziehung. Die Spannung entsteht, wenn ich verschiedene Spielarten mische. Wenn ich mit Handschellen spiele, mit Wachs, mit verschiedenen Berührungen, Stimmungen, Massagen und der gleichen mehr. Das unterscheidet die Sexualität. Um das zu ermöglichen muss man sich jedoch wie zwei Tanzpartner auf einander einspielen. Es erfordert Vertrauen, Hingabe, die Bereitschaft sich fallen zu lassen und natürlich Übung. Seinen Partner ständig zu wechseln bedeutet immer auch im Anfängerbereich zu bleiben. Beim Kochen bedeutet dies, dass man mit jedem neuen Küchenpartner immer wieder nur die einfachsten Gerichte zustande bringt. Das kann natürlich ebenfalls Spaß machen, doch es sind die Gerichte, die am wenigsten Befriedigung, am wenigsten Energie und am wenigsten Verjüngung bringen. Wenn man wirkliche kulinarische Highlights zaubern will, dann muss man das Kochen lernen und das geht am besten dann, wenn man sich gemeinsam auf diesen Weg einlässt und ihn beständig weiter geht.

Wieviel Tiefe möchte man haben bzw. kreieren?

Der heilige Jakob als Wegweiser

Der heilige Jakob als Wegweiser

Wenn wir also spüren, dass unsere bisherigen monogamen Beziehungen und vielleicht auch die aktuelle, ihre Spannung verloren haben und uns mehr Energie kosten als sie uns bringen. Dann müssen wir uns fragen, ob wir wie der Restauranttester stets neue Varianten von Currywurst ausprobieren wollen, oder ob wir lieber in die Tiefe gehen und die Kunst des Kochens, bzw. der Partnerschaft und der Sexualität wirklich erlernen wollen. Denn täglich Currywurst, die auf die gleiche Weise hergestellt wird, ist definitiv die denkbar ungünstigste Lösung. Doch andauerndes wechselndes Fastfood führt irgendwann leider auch zur Verfettung.

Wir sterben jedes Mal einen kleinen Tod, verlieren jedes Mal ein bisschen Lebensenergie und brauchen unsere Lebenskraft so recht schnell auf. Wenn wir gesunde, energetisierende Nahrung und auch gesunden, bereichernden Sex haben wollen, dann brauchen wir Übung. Aber heißt das jetzt, dass wir nicht üben und lernen können, wenn wir unsere Partner wechseln? Nicht ganz, denn jeder Mensch ist etwas anders und hat andere Vorerfahrungen. Wenn wir mit einem Tischtennispartner spielen, der zwar ein Anfänger ist, aber bereits eine recht gute Rückhand hat, während alles andere ein Desaster ist, können wir von ihm natürlich etwas über das Rückhandspiel lernen.

Wir sehen die Sexualität nicht als Trainingssport an!

Der nächste Partner kann uns stattdessen vielleicht etwas über Ausdauer und Ballgefühl beibringen. Auf diese Weise können wir auch von einer Auswahl an Anfängern einiges für unsere eigene Entwicklung mitnehmen. Dies ist es wahrscheinlich auch, was diese Form der Beziehungsstrukturierung für viele so verlockend macht. Doch irgendwann ist eine Art Limit erreicht, ein Punkt an dem man Entwicklungstechnisch ins Stocken gerät, weil sich das meiste zu wiederholen beginnt. Und in den meisten Fällen ist dieser Punkt erreicht, bevor es wirklich zu einer energetisierenden Sexualität kommt. Es sei denn, man schafft es, andere Partner zu finden, die auf einem Fortgeschrittenen Level sind. Doch da wir Sexualität anders als Tischtennis nicht als Trainingssport ansehen, gibt es kaum jemanden, der sich hierin wirklich übt, so dass die Chancen einen Partner zu finden mit dem man bereits durch einen One-Night-Stand wirklich lernen kann, eher gering.

Doch was wäre, wenn es nicht nur Anfänger in diesem Bereich gäbe, sondern auch eine große Zahl an Fortgeschrittenen und Profis? Gehen wir noch einmal zu unserem Tischtennisbeispiel zurück. Wenn man den Ball nur locker über die Platte springen lassen kann, dann ist es relativ egal, mit wem man spielt. Doch bei einem Turnier ist es etwas anderes. Hier kann die Herausforderung schon darin bestehen, sich mit verschiedenen Gegnern zu messen. Was bedeutet das aber für die Sexualität? Auch hier wäre es Denkbar, dass ein Austausch unter Menschen, die es schaffen, eine heilende und energetisierende Sexualität zu leben, durchaus bereichernd sein kann auch ohne eine monogamen Beziehung. Wie immer dieser Austausch auch aussehen mag.

Wollen wir Köstlichkeiten mit der Zeit erschaffen?

Doch zunächst stehen wir vor einem anderen Problem. Denn die Tatsache, dass wir uns für monogame Beziehungen, in denen wir uns auf einen Partner einlassen, entwickeln können, heißt leider nicht, dass wir es auch machen. Im Normalfall betrachten wir es als eine Sache, die ist wie sie ist und je länger wir bei einander sind, desto mehr schleift sie sich ein. Hier spielen natürlich viele Komponenten mit. Man braucht Zeit, wirkliches Vertrauen und man muss vor allem Ehrlich zueinander sein. Wie man eine bereichernde Sexualität lernt ist ein Thema für sich, über das wir sicher später auch noch etwas schreiben können. Jetzt geht es erst mal nur um den Gedanken, dass es da überhaupt etwas zum Lernen und Weiterentwickeln gibt. Wenn wir uns wirklich darauf einlassen, dann können wir mit der Zeit die Köstlichkeiten erschaffen, die uns ein glückliches, lustvolles und langes Leben bescheren.

Köstlichkeiten in jeglicher Hinsicht

Wo wir gerade bei kulinarischen Köstlichkeiten sind. Als wir an diesem Punkt angelangt waren, hatten wir den kleinen Ort Podbocie erreicht. Es schüttete noch immer und auch wenn wir noch nicht viel Strecke hinter uns hatten, beschlossen wir doch, dass es uns langsam reichte. Einen Pfarrer fanden wir natürlich mal wieder nicht. Der wohnte hier zwar, verbrachte die nächsten zwei Tage aber in seiner Ferienresidenz mit Pool irgendwo außerhalb der Stadt. In dem Restaurant Gostilna Gadova Pec neben der Kirche fragte ich nach seiner Telefonnummer. Sofort wurden wir herzlich empfangen und alle Anwesenden überlegten, welche Möglichkeiten es hier geben würde.

Bevor etwas entschieden wurde, gab es jedoch erst einmal ein Grillhähnchen mit Salat und slowenischem Omelette für uns beide. Dann bekamen wir die Antwort. Der Pfarrer von hier und auch der aus dem Nachbarsdorf hatten abgesagt. Doch wir konnten in einem Gästezimmer der Restaurantbesitzer übernachten.

„Auf die Kirche ist eben kein Verlass!“ meinte der junge Gast, der sich als Dolmetscher angeboten hatte, mit einem grinsen. Zuvor hatte er sich bereits darüber lustig gemacht, dass es seit der kommunistischen Zeit in Slowenien, zwei Lager gab, die sich zwar nicht anfeindeten, aber auch nicht die besten Freunde waren. Die einen waren Anhänger der Kirche und die anderen die des Kommunismus. Als der Junge das Lokal verließ rief er uns noch schnell zu: „Erzählt überall herum, dass ihr heute zu Gast bei Kommunisten seit!“

Kommunismus oder nicht, wir bekamen einen warmen und vor allem trockenen Platz im Wohnzimmer zum Arbeiten und ein frisch für uns vorbereitetes Gästezimmer zum Schlafen. Es ist ein schöner Platz, an dem man gut einen Nachmittag verbringen kann, um mehr über die monogame Beziehung herauszufinden. Bars und Restaurants scheinen langsam unsere Hauptadresse für Schlafplätze zu werden.

Spruch des Tages:   Es ist das natürlichste auf der Welt zu lernen und sich weiterzuentwickeln, bis zu dem Moment wo Jemand kommt und uns dazu zwingt.

Höhenmeter: 60

Tagesetappe: 5 km

Gesamtstrecke: 8731,77 km

Wetter: regen, den ganzen Tag

Etappenziel: Gästezimmer der Familie Gadova, 8312 Podbocje, Slowenien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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