Reisestrapazen: Warum es einige Pilger nicht ans Ziel schaffen
Zu wenig Schlaf: Josef Bogner steigt wegen Reisestrapazen aus
EXKLUSIV Der Neumarkter Abenteurer Heiko Gärtner marschiert 2300 Kilometer - abseits der Zivilisation. Einmal pro Woche berichtet das Tagblatt über seine Reise.
UNTERWEGS MIT HEIKO GÄRTNER
NEUMARKT. Woche 3: Bei Kilometer 426 fiel die Entscheidung. Josef Bogner musste die Tour nach Santiago de Compostela wegen vorliegenden Reisestrapazen abbrechen. Wenigstens vorläufig. Aufgrund chronischer Schlafstörungen war es dem eigentlich zähen und erfahrenen Sportsmann aus Kemnath unmöglich, mit Heiko Gärtner weiter gen Süden zu marschieren. „Er war total traurig - ich hoffe, sein Arzt kann ihm helfen und er kommt bald gesund zurück. Schließlich ist er doch mein Aufpasser", erzählt der 31-jährige Wildnis-Pädagoge aus Neumarkt, der sich gestern in der Nähe des Ortes Brunnen am Vierwaldstädter See in der Schweiz riesig über einen lange herbei gesehnten sonnigen Morgen und trockenes Wetter freute.
„Die von mir nach mittelalterlichen Methoden präparierte Leinenplane, die ich als primitiven Zelt-Ersatz verwende, schimmelt inzwischen in allen möglichen Farben vor sich hin", sagt Gärtner leicht genervt. „Auch der Fellschlafsack ist nach sieben Tagen, an denen es quasi permanent regnete, zu so einer Art Wasserbett mutiert". Ganz allein ist Heiko nach dem vorläufigen Abschied seines Kumpels Josef zum Glück nicht: Seine Freundin Raphaela fasste sich kurz entschlossen ein Herz und schnürte ihre Wanderstiefel, um erstmals in ihrem nun ebenfalls 31 Jahre währenden Leben einen Teil der 2300 Kilometer langen Gewalt-Tour mit ihrem Lebensgefährten in Angriff zu nehmen.
"Der perfekte Einstieg", witzelt ihr Freund. „Denn verglichen mit den Hardcore-Strecken, die wir zurzeit bewältigen müssen, waren die Wege durch Deutschland auf Kindergarten-Wandertags-Niveau. Es geht bergauf, und zwar eigentlich dauernd. Die Schweizer sind freundliche Leute, die Schweiz selbst ist eine Katastrophe". Heiko ist viel herumgekommen auf der Welt. „Aber so viel Stacheldraht wie hier habe ich noch nirgends gesehen", versichert er.
„Außerdem stehen praktisch überall Verbotsschilder aller Art herum, man findet keine einigermaßen abgeschiedenen Plätze zum Campen und sämtliche Pflanzen, die man als Nahrung verwenden könnte, sind wegen Überdüngung des Bodens wirklich ungenießbar". Der geneigte Leser stelle sich eine Skala von eins bis zehn vor: Wie beurteilt ein erfahrener Survival-Spezialist die nicht aus religiösen Gründen angetretene „Wallfahrt" zum Grab des Apostels Jakob? „Hinsichtlich der Durchführbarkeit würde ich die volle Punktzahl vergeben."
Der Grad der körperlichen Anstrengung liegt meines Erachtens bei acht bis neun Zählern - Raphaela pocht bei diesen Reisestrapazen auf zwölf. Da seit Beginn der Wanderung vor allem witterungstechnisch so ziemlich alles schiefgeht, was schiefgehen kann, gehe ich mit meiner Freundin bei 15 Punkten für die Kategorie „Willenskraft" konform. Aber aufgeben kommt herzlich nicht in Frage. „Auch nicht mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen". Über die Unterstützung von Menschen, die weiterhin kleine Geldbeträge auf sein Konto überweisen, um die trotz aller spartanischen Verhältnisse kostspielige Tour zu finanzieren, freut er sich riesig.
Ebenso über die Gastfreundlichkeit vieler Leute, die Quartiere zum Übernachten anboten. Ganz besonders bedankt er sich bei einer Firma, die Sportsocken herstellt und ihn mit den „einzigen Luxus-Artikeln", die er verwendet, großzügig eindeckte.
HEIKO GÄRTNER UND SEINE IDEE VON DER SCHULE DER WILDNIS
Das Credo von Heiko Gärtner: „Wir bräuchten nur eine Generation Kinder, die wirklich die Mutter Erde aus tiefstem Herzen lieben und schützen will. Ab dieser Zeit hätten wir keine Sorgen mehr, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel, dem Ölcrash, der Hunger- und Glaubenskriege und den Seuchen stehen. Wenn jedes Kind die Liebe zur Natur fest im Herzen verankert hätte, wäre es ihm unmöglich, den Planeten zu verschmutzen oder zu verletzen. Kein Menschenkind könnte ohne Schuldgefühle seine eigene „Mutter" treten, wenn es diese spezielle Liebe im Herzen tragen würde." Das ist das Credo von Heiko Gärtner, der es für dringend notwendig hält, „wildes Wissen" im Schulsystem zu verankern. Weitere Informationen gibt es auf seiner Homepage www.wildnisschule.net
Spendenaufruf: Wer die trotz aller spartanischen Verhältnisse kostspielige Tour nach Santiago de Compostela „sponsern" will, kann Spenden auf das Konto Nr. 080-616-2200 bei der Dresdner-Bank Neumarkt, BLZ: 760 800 40 überweisen.
Interessantes zum Thema Strapazen:
Strapatzen oder Strapazen geschrieben oder ausgesprochen. Aus der Aussprache des Substantivs kann man die Schreibweise nur mit z statt tz ableiten denn das zweite a in dem Wort wird lang ausgesprochen. Bei Patzer oder patzen dagegen oder Matratze verhält es sich anders. Das entsprechende a wird kurz ausgesprochen.
Bei Wiki findet man unter dem Synonym Strapaze die Anstrengung (auch Mühe) die ist eine willentliche (und mühsame) Erhöhung der normalen Aktivität zur Erreichung eines definierten Ziels ist. Eine Anstrengung bewirkt zeitweilig Dis-Stress. Anstrengung besteht aus motorischen und psychischen Anteilen. Das Ziel der Anstrengung überlagert andere Appetenz. Beständige Anstrengung verändert Psyche und Motorik, die sich entsprechend den Anforderungen im Idealfall positiv anpassen. Im Duden gibt es mehr über die genaue Definition zu erfahren.