Tag 1006: Hoher Staatsbesuch

von Heiko Gärtner
05.10.2016 02:36 Uhr

20.09.2016

Am Abend bekamen wir zunächst Besuch von zwei Pilgern, die uns eine Brotzeit vorbei brachten und dann vom Pfarrer, der sich zum Essen zu uns setzte. Er selbst aß jedoch nichts, da er gerade eine selbst verordnete Diät machte. In der Früh führte uns unser Weg noch ein gutes Stück an der Zaya entlang, bevor wir dann wieder ins Hügellang abbogen. In einer kleinen Ortschaft wurden wir von einer jungen Frau auf dem Fahrrad überholt. Sie grüßte uns freundlich und wäre am liebsten abgestiegen, um sich mit uns zu unterhalten. Doch sie traute sich nicht und fuhr weiter. Kurz darauf kam ein Berg, so dass sie nur sehr langsam fahren konnte und wir sie beinahre wieder einholten. Oben auf dem Gipfel drehte sie sich um, hielt an und schaute zu uns zurück. Einen Moment lang hatte sie also den Mut gefasst, doch eine Unterhaltung mit uns zu beginnen. Dann aber kehrte ihre Schüchternheit zurück und sie fuhr doch weiter, kurz bevor wir sie erreichen konnten. Schon im losfahren erkannte man, dass sie sich den Rest des Tages darüber ärgern würde und doch schaffte sie es nicht, ihren innerne Schweinehund zu überwinden.

Nach einigen weiteren anstrengenden Hügeln erreichten wir ein keines Dorf namens Unterolberndorf, in dem wir unsere Zelte aufschlagen wollten. Im Garten des Pfarrhauses traf ich auf den Dorfpfarrer, der gerade beim Unkrautjäten war. Als ich ihm um einen Schlafplatz bat, brach gleich eine ganze Schimpftirade über mich herein, die jedoch nichts mit mir zu tun hatte. Der gute Mann war einfach vollkommen frustriert und wenn man seinen Schilderungen lauschte, konnte man es ihm auch nicht verübeln. Seit fünf Jahren war er nun der Pfarrer in diesem Ort, doch weil er aus Polen stammte, war er noch immer nicht akzeptiert.

"Ich habe nur einen einzigen Raum und den brauchen wir heute, für eine Gemeinderatsversammlung. Aber selbst wenn das nicht der fall wäre, würde ich euch nicht aufnehmen. Früher habe ich mal den Menschen geholfen, aber ich habe schon vor langer Zeit beschlossen, dass ich das grundsätzlich nicht mehr mache! Nicht einmal ein Danke bekommt man hier dafür! Man bedankt sich nicht, man sagt nicht guten Morgen und ich werde hier nicht einmal zum Essen eingeladen! Wenn du Hilfe suchst, dann musst du ins Gasthaus gehen. Dort triffst du um diese Zeit wahrscheinlich den Bürgermeister, denn der wird eingeladen im Gegensatz zu mir!" Ich versuchte, ihn ein wenig aufzumuntern, aber ich hatte keine Chance. Der Frust saß so tief, dass er sogar die Wilfpflanzen mit reinem Hass aus dem Boden riss.

Doch der Tipp erwies sich als hilfreich. Im "Gasthof zum grünen Jäger" traf ich zwar keinen Bürgermeister, dafür aber die Gastwirtin, die uns einlud in ihrer Pension zu übernachten. Dabei fanden wir heraus, dass der kleine Gasthof sogar eine sehr spannende Geschichte hatte. Vor vielen Jahren kamen einige Gäste aus Uganda zu Besuch, von denen einer ein recht hochrangiger Politiker war. Sie blieben für ein paar Tage und setzten sich dabei immer wieder im Speisesaal zusammen um an einem politischen Manifest zu arbeiten, dass sie dem Ort seiner Entstehung entsprechend das „Unterolberndorfer Programm“ nannten. Nach ihrer Heimreise wurde der Politiker noch hochraniger und schließlich übernahm der den Posten des Präsidenten von Uganda. Das „Unterolberndorfer Programm“ wurde in die Tat umgesetzt und besteht bis heute noch immer unter diesem Namen. Zehn Jahre später kam der nun amtierende Präsident noch einmal für einen Staatsbesuch nach Österreich und er ließ es sich nicht nehmen, neben allen offiziellen Terminen auch einen Abstecher in den grünen Jäger zu machen. So wurde das winzige und ansonsten vollkommen unbekannte Dorf für einen Tag zum Fokuspunkt des Weltgeschehens, in dem sich neben dem österreichischen Landeshauptmann und dem Präsidenten von Uganda auch viele andere namenhafte Persönlichkeiten aus Politik und Medien versammelten.

Spruch des Tages: Für einen Tag wurde der winzige Ort zum Fokuspunkt der Weltaufmerksamkeit

Höhenmeter: 16 m Tagesetappe: 33 km Gesamtstrecke: 18.381,27 km Wetter: herbstsonnig und warm Etappenziel: Gemeinderaum des Pfarrhofs, 4310 Mauthausen, Österreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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