Tag 1021: Österreichische Gastfreundschaft

von Heiko Gärtner
28.10.2016 23:54 Uhr

03.10.2016

Unser Gasthof lag rund zwei Kilometer außerhalb der Ortschaft an einer Hauptstraße. Zunächst waren wir nur wenig begeistert, dass wir nach dem Höllenstrip das ruhige Dorf wieder verlassen sollten, doch die Fenster in unserem Zimmer waren tatsächlich so gut isoliert, dass man von der Straße nichts mitbekam. Die Pension an sich war nicht schlecht und auch das Abendessen, das wir bekamen war gut und ausreichend. Für uns als Gäste des Pfarrers war es ein Top Platz, vor allem wenn man bedenkt, dass die Alternative eine regennasse Nacht im Zelt mit dünnen Schlafsäcken gewesen wäre. Doch wenn man die Umstände unserer Reise einmal beiseite lässt und sich das Gasthaus aus der Perspektive eines gewöhnlichen, zahlenden Gastes brachtete, dann muss man sagen, dass es doch einige Details gab, die recht grenzwertig waren. So gaben sich die Wirtsleute nicht die geringste Mühe um zu verbergen, dass sie keinerlei Interesse am Wohlergehen ihrer Gäste hatten.

Die Wirtin, die uns beim Abendessen bediente, was die wahrscheinlich grimmigste und unfreundlichste Frau, die wir seit langem getroffen haben. Alles was sie machte, vom Aufnehmen der Bestellung bis hin zum Abräumen des Tisches, tat sie gegen einen inneren Widerstand und mit einem Gesichtsausdruck der sagte: "Ich mag niemanden und will nur meien Ruhe haben!" Während wir am Essenstisch saßen und noch einmal über die vergangenen Tage nachdachten, mussten wir feststellen, dass wir eine solce Unfreundlichkeit in Österreich durchaus recht heufig erfahren hatten. Auch die Hilfsbereitschaft war im allgemeinen nicht wirklich höher als zum beispiel in Italien und wenn man es genau betrachtete, dann waren auch die Gespräche nicht tiefer und die Straßenverhältnisse nicht besser. Hier wie dort blieben die Kontakte in der Regel an der Oberfläche und führten meist nicht weiter als bis zum üblichen "Wo kommt ihr her, wo geht ihr hin?" Natürlich gab es Ausnahmen, aber die hatte es auch in den anderen Ländern gegeben. der Unterschied war nur, dass wir uns hier insgesamt besser verständigen konnten, als in anderen Ländern, weil wir die Sprache beherrschten. Wenn wir aber ganz ehrlich waren, dann verziehen wir den Österreichern viel mehr als beispielsweise den Italienern und das aus dem einzigen Grund, dass sie Deutsch sprachen. Besonders stark spürte man hier immer wieder die Oberflächlichkeit in Bezug auf Kleidung und Auftreten. Man musste nicht schön sein, um akzeptiert zu werden, aber man brauchte eine ordentliche, angemessene Kleidung. Wer verschwitzt oder schäbig daher kam, wurde sofort komisch angesehen und musste erst einmal einen Berg an Skepsis und Argwohn überwinden, bis man ihm überhaupt zuhörte. Langsam kam immer mehr die Idee in uns auf, dass es vielleicht gar keine Kultur gab, in der es eine wirklich tiefe Verbindung zwischen den Menschen gab, dass uns dies nur einfach zuvor nie aufgefallen war.

Deutlich willkommener fühlten wir uns in unserem Zimmer, denn hier warteten gut 60 Mücken auf uns, die uns voller Vorfreude begrüßten. Im Kosovo hatten wir uns noch darüber lustig gemacht, wie diese fremden Kulturen ihre Hotels führten und wir waren uns sicher, dass man so etwas im Deutschen Sprachraum nicht bringen konnte, ohne dafür gesteinigt zu werden. Nach eingehender Prüfung muss ich nun sagen, dass dies definitiv ein Irrtum war. Man konnte es hier bringen und man brachte es auch.

In de Früh brachten die Wirtsleute die Abneigung gegen ihre Geste dann auf den Höhepunkt. Außer uns waren noch drei weitere Gruppen im Frühstückssal, die sich alle in einem dezenten, leisen Ton unterhielten, so dass sie niemanden störten. Die einzigen, die so laut und unangenehm waren, dass man sie am liebsten sofort bitten wollte, das Restaurant zu verlassen, wenn sie sich nicht anständig benehmen konnten, waren die Wirtsleute, die ebenfalls an einem Esstisch zusammensaßen. Erst als sie sich auflösten wurde die Atmosphäre angenehm und auch die anderen Gäste begannen aufzuatmen und sich zu entspannen. Jetzt war es nur noch das überlaute Radio, das scheppernd aus den viel zu kleinen Boxen dröhnte, das die entspannte Frühstücksstimmung störte. Auch dies war eine Sache, von der wir hätten schwören können, dass wir sie nur in anderen Ländern, nicht aber in Deutschland oder Österreich erleben würden.

Das Wetter war noch immer grau und trübe, aber der Donauweg war wieder einmal gigantisch und so merkten wir zunächst gar nicht, wie weit wir schon wieder gegangen waren. Ohne einen Blick auf die Uhr zu werfen, ließen wir das erste Dorf, im Glauben hinter uns, dass es noch viel zu früh für eine Einkehr war. Ein böser Fehler, denn wie sich herausstellte war es nicht nur deutlich später als gedacht, sondern auch deutlich regnerischer und so bekamen wir nur wenige Minuten nach Verlassen des Ortes einen heftigen Schauer ab. Fünf Kilometer weiter mussten wir noch einmal über eine Donaubrücke und kamen dann nach Aschach, wo wir einen Raum im Vereinshaus der Stadtgemeinde bekamen.

Spruch des Tages: Der Weg ist immer besser als die schönste Herberge. (Miguel de Cervantes)

Höhenmeter: 90 m Tagesetappe: 16 km Gesamtstrecke: 18.687,27 km Wetter: überwiegend sonnig und warm Etappenziel: Hotel-Café-Rathaus "Zum Fischerwirt", 93077 Bad Abbach, Deutschland

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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