Tag 1194: Urlaub in der Jagdhütte

von Heiko Gärtner
28.05.2017 22:08 Uhr

08.04.2017

Unsere letzten Tage in Frankreich sind gezählt. Heute habe ich bereits die ersten Etappen für England rausgesucht, damit wir nach der Überfahrt nicht irgendwo in der Bredoullie stehen. Die Situation dabei war etwas abstrakt und ist durchaus eine Erwähnung wert.

Vom Bürgermeister haben wir heute die Jagdhütte seines Vaters bekommen. Es ist ein kleines Häuschen im Wald an einem kleinen Fischteich und es wird für gewöhnlich nur von den Männern während der Jagdsaison genutzt um zu grillen, zu feiern und sich zu betrinken. Ihr könnt euch wahrscheinlich vorstellen, dass das so einem Haus nicht unbedingt gut tut und obwohl es eigentlich eine tolle Hütte ist, sieht es hier ein bisschen aus, wie nach einem Zombieangriff. In der Spüle lag sogar noch eine unabgewaschene Schöpfkelle mit Krautresten daran, die sicher mehr als einen Monat alt waren. Am Boden lagen zerbrochene Weingläser und wenn man den Gewürtzschank in der Küche öffnete, zerstörte man damit die monatelange Arbeit von mindestens sechs fleißigen Spinnenfamilien.

Da die Heizung nicht funktionierte bekamen wir am Nachmittag noch Besuch vom Hausbesitzer, der schauen wollte, ob er sie wieder zum Laufen brachte. Er brachte es nicht, aber er erzählte ein bisschen von seinen sonst üblichen Aktivitäten hier im Haus und er war fast ein bisschen enttäuscht, dass wir uns nicht mit ihm besaufen wollten.

Zu den Vorzügen der Hütte gehörte zwar eine Badewanne aber kein Internetanschluss, weshalb ich mich noch einmal auf die Suche nach einem freundlichen Nachbarn machte. Dabei lernte ich einen freundlichen alten Mann ohne Kehlkopf kennen, der mir einen Platz in seinem Arbeitszimmer anbot. Ich brauchte etwa eine halbe Stunde, um die Strecke rauszusuchen und während der gesamten Zeit blieb er stumm neben mir sitzen und beobachtete jeden meiner Schritte. Mehrmals wies ich ihn darauf hin, dass es etwas dauern könnte, aber das störte ihn nicht im geringsten. Ein wenig komisch fühlte es sich schon an, unter diesen Bedingungen zu arbeiten, aber für mich war es wahrscheinlich nicht schlecht, denn auf diese Weise musste ich wirklich effektiv sein und konnte nicht wie üblich herumtrödeln.

Die Badewanne funktionierte dieses Mal übrigens wirklich und sie bot ausreichend Platz und heißes Wasser für einen entspannten Tagesausklang.

Spruch des Tages: Auf ihrer hektischen Jagd nach einem imaginären Glück, verpassen viele Menschen dabei die eigentlichen Glücksmomente. (Burckhard Adam)

Höhenmeter: 180 m Tagesetappe: 16 km Gesamtstrecke: 21.898,27 km Wetter: Sonnig und relativ warm Etappenziel: Jagdhütte des Bürgermeisters, etwas außerhalb von 62850 Escœuilles, Frankreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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