Tag 1217: Insider-Infos aus der City of London

von Heiko Gärtner
09.08.2017 07:33 Uhr

01.-02.05.2017 

Die letzten beiden Tage waren nun wieder etwas entspannter. Unser weg führte uns über die Dünen im Innenland, vorbei an Rapsfeldern und Kuhweiden. Heute war es angenehm ruhig und sogar verhältnismäßig warm. Gestern, vielleicht aufgrund des Maifeiertages, waren selbst die kleinsten Nebenstraßen so überfüllt, dass das Wandern hier alles andere als ein Genuss war. Man muss einfach festhalten, dass die Engländer ihre Autos mehr als alles andere lieben. Wenn jemand einen Spaziergang macht, mit dem Hund raus will oder Brot vom Minimarkt an der Ecke holt, dann nimmt er dafür das Auto. Ja, selbst zum Spazieren gehen! Man geht nicht einfach los, man fährt erst einmal 10 bis 15 Minuten in irgendeine Richtung, um seinen Weg dort zu starten. In einem Land, das von Trampelpfaden übersät ist, die alle mehr oder minder gleich aussehen ist das für uns nicht ganz nachvollziehbar, aber so wird es nun einmal gemacht. Neulich haben wir sogar vor einer Schule eine Werbetafel gesehen, mit der man das zu-Fuß-Gehen propagierte. Der Slogan lautete „Waking is Fun“, als „Spazieren gehen macht Spaß“ und es wurde dafür geworben, dass man seine Kinder durchaus auch zu Fuß zur Schule gehen lassen konnte, anstatt sie immer mit dem Auto zu fahren. Wenn ich mich auf die Suche nach einem Pfarrer oder einem Kirchenverwalter mache, ist es inzwischen eine feste Regel, dass man bei Häusern mit nur einem Auto in der Einfahrt nicht klingeln braucht. Ein Auto vor dem Haus bedeutet hier, dass alle Bewohner ausgeflogen sind, denn in einem normalen Haushalt mit zwei erwachsenen Personen gibt es für Gewöhnlich drei oder vier Autos. Das letzte verbleibende ist also in der Regel das Ersatzfahrzeug.

Der übermäßige Verkehr von gestern hatte aber noch einen anderen, inneren Grund. Er war nicht einfach so da, er war viel mehr ein Bote dafür, dass etwas auf uns zukommen würde. Heiko hatte es den ganzen Tag bereits im Gespür und als wir schließlich an unserem Übernachtungsplatz ankamen wurde es dann bestätigt. Es war eine Nachricht, die wir per Mail enthielten und auf die ich an dieser Stelle nicht genauer eingehen möchte, die aber einiges an Tragweite hatte. Mit ihr kamen eine ganze Reihe neue Themen in uns auf, die noch betrachtet und bearbeitet werden wollen.

Übernachten durften wir dieses Mal bei einer älteren, alleinstehenden Dame. Sie war noch dabei, sich von einer Chemo-Therapie auszukurieren und freute sich daher über einige Informationen zum Thema Entgiftungen und Körpersanierung. Dann zog sie sich in die erste Etage zurück und ließ uns weitgehend allein um sich auszuruhen.

Heute hatten wir dann zum ersten Mal eine windstille Phase, in der es auch keinen Verkehr gab. Oben in den Dünen machten wir ein Sonnenpicknick auf einer Kuhweide und genossen, die weite Aussicht über das grüne Land.

Relativ zeitig erreichten wir mit Broad Hinton einen kleinen, gemütlichen Ort mit einer ruhig gelegenen Kirche, die wir als den Schlafplatz unserer Wahl bestimmten. Der einzige Haken ist jedoch, dass wir bislang noch niemanden erreichen konnten, der uns eine Erlaubnis geben oder Verweigern könnte. Zurzeit sitzen wir also noch immer im Ungewissen.

Ein Gespräch hatten wir in den letzten Tagen noch, das recht spannend war. Wir trafen einen italienischen Anwalt, der einen Pub an einem kleinen Kanal eröffnet hat, um hier seinen Lebensabend zu verbringen. Zuvor hatte er an verschiedenen Orten der Welt für Firmen, Institutionen und Unternehmen mit ein klein wenig mehr Einfluss gearbeitet. Darunter eine Zeit lang in Afrika und Afghanistan, wo er versuchte, irgendwie die Lücke zwischen der größtenteils armen, oft hungernden Bevölkerung und der meist korrupten Elite zu schließen, die das Geld aus den Spenden und Stiftungen für sich selbst einbehielt. In Afrika, und das war besonders spannend, hatte er an mehreren Orten die gleichen Entdeckungen gemacht wie wir im Balkan. Chinesische Unternehmen errichteten ganze Arbeiterstädte um große Autobahnen quer durch das Land zu ziehen. Es war das selbe Konzept, über das wir in Montenegro gestolpert sind. Das gesamte Bauprojekt liegt in chinesischer Hand und es wird kein einheimischer Arbeiter beschäftigt. Wenn die Autobahn fertig ist, muss jeder, der sie nutzt Maut bezahlen und diese geht dann direkt an das chinesische Unternehmen. Auch hier geht es natürlich nicht darum, den Einheimischen eine möglichst gute Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, sondern rohstoffreiche Gebiete zu erschließen.

Die spannendste Erzählung war jedoch die über seine Zeit in der City of London, jenem unabhängigen Zwergstaat im Zentrum der britischen Hauptstadt, in der fast der gesamte Finanzmarkt der Welt beheimatet ist. Seine erste Aussage zu dem Thema lautete: „Ich war in Afghanistan und ich war in der City of London und ich kann sagen, vom Adrenalinspiegel, den man permanent in sich trägt, hat es sich nicht wirklich unterschieden. Vielleicht war es in der City of London noch ein bisschen schlimmer!“

Viele Details wollte er uns leider nicht verraten, nur dass die Bewohner der City tatsächlich überwiegend gegen den EU-Ausstieg des vereinigten Königreichs plädiert hat. Letztlich sei es den Menschen hier aber auch egal, da die City von dem Ausstieg ohnehin nicht betroffen wäre.

Spruch des Tages: Geld allein macht auch nicht entspannt.

Höhenmeter: 160 m

Tagesetappe: 15 km

Gesamtstrecke: 22.315,27 km

Wetter: erst Sonne, dann Wolken nachmittags Regen.

Etappenziel: Privathaus, Manton, England

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

 
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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