Tag 1223: Fokus setzen

von Heiko Gärtner
16.08.2017 08:05 Uhr

08.05.2017

Seit langem habe ich heute endlich mal wieder das Gefühl, dass sich etwas in mir bewegt. Ich bin auf einen Kernschlüssel gestoßen, oder viel mehr gestoßen worden, der zwar nicht neu ist, aber der mir zum ersten Mal in seiner vollen Tragweite bewusst wird. Und zum ersten Mal kann ich etwas damit anfangen. Der Schlüssel heißt „Fokus“.

Wie gesagt es ist eigentlich nichts neues, aber eben etwas sehr wichtiges. Aufgefallen ist es vor ein paar Tagen, als ich beim Kochen wieder einmal eine halbe Kirche mit Kochutensilien belegt habe. Alles war zugemüllt und lag irgendwo herum, ohne dass es einen Sinn machte. Wieso passierte mir das immer wieder? Wieso konnte ich, obwohl es so wichtig auf unserer Reise war, auch jetzt noch immer keine Ordnung halten? Die Antwort, auf die ich bislang noch nie gekommen bin war, dass es in mir kein Standartszenario für die meisten Dinge und Handlungsabläufe in meinem Leben gibt. Normalerweise trainieren wir Menschen uns als Kinder eine Art Baseline in jedem Bereich an, also einen Standarthandlungsablauf nach dem wir verfahren, solange keine Abweichungen erforderlich sind. Effektiv und optimal Handlungsfähig sind wir dann, wenn wir ein gut funktionierendes Standartkonzept für möglichst alle häufigen Abläufe haben, auf das wir immer zurückgreifen können und wenn wir gleichzeitig in der Lage sind, jederzeit davon abzuweichen, wenn es die Umstände erfordern. Können wir nicht abweichen werden wir pedantisch, unflexibel und kleinkarriert. Hat man jedoch kein Grundkonzept, muss man jedes Mal neu überlegen, was man wie machen will. Da einem aber im Normalfall die Zeit fehlt, jede Situation wieder neu so einzuschätzen um ein funktionierendes Grundkonzept zu erarbeiten, wird man hektisch, verliert die Übersicht, wird schluderisch, chaotisch und unkontrolliert, wodurch man sämtliche Produktivität verliert. Genau das ist ja mein Problem.

Das gleiche passiert mir auch beim Trainieren, beim Arbeiten und in allen anderen Bereichen. Ich habe oft nicht einmal eine Vorstellung davon, welcher Muskel mit welcher Übung trainiert werden soll, so dass es natürlich kein Wunder ist, dass ich hier nur wenig voran komme.

Punkt Nummer 1 lautet also: Erstelle dir Grundstrategien für alltägliche Handlungsabläufe, die du bewusst durchführst und immer wieder überprüfst, ob sie effektiv sind oder nicht. Wenn es kein Konzept gibt, man also keine Ausgangsbasis hat, kann man auch nichts dazu lernen. Es ist ein bisschen, als würde man wissenschaftliche Studien machen, ohne sich die Ergebnisse anzuschauen und zu dokumentieren. Man findet vielleicht einiges heraus, kann es aber nicht nutzen, weil es keine Basis gibt, in die man es integrieren kann.

Punkt 2: der Fokus.

Genauso wichtig wie ein funktionierendes Grundschema ist natürlich eine Ausrichtung, also die Frage: Was will ich erreichen. Wo will ich hin. Was ist mein Ziel. Oft setze ich mich an meinen Computer und versuche eine To-Do-Liste abzuarbeiten, ohne mir bewusst zu sein, war ich eigentlich erreichen will. Ich schreibe Texte, ohne zu wissen, worauf ich hinaus will oder starte einen Internettag mit dem Gefühl, unendlich viel zu tun zu haben, habe aber keine Übersicht, was wirklich jetzt getan werden muss.

Heute beim Wandern ist mir dabei noch einmal aufgefallen, wie unkonkret ich hier in diesem Bereich bin. Heiko stellte ein paar Fragen dazu und ich konnte nur schwammige Antworten geben. Kein Zeitlicher Rahmen, keine Unterscheidung zwischen kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Zielen, keine Prioritätensetzung.

Punkt 3: Zeitlicher Überblick

Zeit ist für mich etwas vollkommen ungreifbares. Sie flutscht mir nur so durch die Finger und ehe ich mich versehe ist ein ganzer Tag um und ich weiß nicht warum. Heute habe ich es deshalb zum ersten Mal anders gemacht und mir einen kompletten Zeitplan geschrieben: Fünf Tagesetappen Strecke raussuchen: eine Stunde dreißig. Drei Tagesberichte einstellen: 24 Minuten, Mails beantworten: 10 Minuten, ….

Teilweise funktionierte es sehr gut, teilweise noch nicht besonders. Aber ich konnte zum ersten Mal feststellen, wo es eigentlich genau hakte. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass ich viel motivierter und zielstrebiger war als sonst und dass es mir viel mehr spaß gemacht hat, meinen Zeitplan auch wirklich einzuhalten. Am Ende habe ich gemerkt, dass ich etwa 80% von dem was ich schaffen wollte wirklich geschafft habe. Das ist noch nicht gut, aber es ist besser als meine üblichen 20%, die mich dann jeden Abend deprimieren.

Eine lustige Anekdote gibt es übrigens über heute auch noch zu erzählen. Wir mussten wieder einmal mitten über eine Kuhweide wandern und wurden von einem Zaun aufgehalten, den ein dreister Bauer mitten auf den öffentlichen Weg gebaut hatte. Während wir nach einer Alternativlösung schauten, kamen die Kühe neugierig an unsere Wagen heran und begannen an allem zu schnuppern, was wir so mit uns herum fahren. Dabei entdeckten sie auch meinen Klo-Lappen, der hinten auf meinen Wagen gespannt war. Der Geruch schien sie irgendwie scharf zu machen, denn sie fingen an, daran zu schlecken. Und wo sie einmal angefangen hatten, schleckten sie auch gleich weiter und weiter, bis mein halber Wagen voll von schleimigem Kuhspeichel war.

Spruch des Tages: Wer sein Ziel nicht kennt, geht den dreifachen Weg dorthin.

Höhenmeter: 160 m

Tagesetappe: 15 km

Gesamtstrecke: 22.417,27 km

Wetter: Sonnig, windig

Etappenziel: Kirche, Upleadon, England

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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