Tag 307: Wieder und wieder im Kreis

von Heiko Gärtner
04.11.2014 23:12 Uhr

 Die Wege des Herren sind unergründlich! So heißt es jedenfalls in der Bibel. Heute hat er diesen Vers dann wohl mal wörtlich genommen und uns eine Irrfahrt geschickt, die ihres gleichen sucht.

Von welchen Seiten hier Hilfe auftaucht, von denen man es nie vermutet hätte ist zum Teil absolut unglaublich. Ebenso unglaublich wie einem dann wieder von anderen Seiten keine Hilfe zuteil kommt, obwohl man sich ihrer absolut sicher war.

Gestern Abend beispielsweise Trafen wir eine Spanierin vor einer kleinen Tienda, die hier nach Frankreich ausgewandert war. In Spanien hätte sie uns wahrscheinlich nicht geholfen, hier jedoch war sie begeistert, jemanden zu treffen, der ebenfalls Spanisch sprach und sofort waren wir ihre Freunde. Sie setzte sich bei ihrem Chef für uns ein, und dieser spendierte uns widerwillig ein paar Tomaten und Orangen. Während wir auf ihn warteten kam jedoch ein weiterer Freund der Spanierin in den Laden, dem sie uns ebenfalls vorstellte. "Ihr sucht etwas zu Essen?" fragte er, "kommt und sucht euch etwas aus!"

Ich dachte zunächst, dass es sich bei diesem Mann um den Chef des Ladens handelte. Wie selbstverständlich spazierte ich also mit den Lebensmitteln in den Händen aus der Tür, bis ich merkte, dass mich alle Anwesenden irgendwie sonderbar anstarrten. Dann schaute ich den netten Mann an, bemerkte meinen Fehler und legte alles kleinlaut auf die Theke.

Der Mann wusste nichts über uns und stellte auch keine Fragen. Für ihn reichte es, dass wir hungrig waren und dass seine Bekannte uns mochte. Als wir den Parkplatz verließen hielt er noch einmal an und drückte uns zehn Euro in die Hand. Dann fuhr er mit seinem klapprigen Bulli davon. Die Hecktüren wurden lediglich von einer Schraubzwinge zusammengehalten, die er zwischen Tür und Stoßstange geklemmt hatte. Wieder war es jemand, der selbst gerade über die Runden kam, der uns beschenkte. Langsam wurde das wirklich auffällig.

Unsere Wohnsituation wurde ebenso abstrakt. Um 18:30 Uhr trafen wir uns mit dem Besitzer des Grundstückes, auf dem der Wohnwagen stand. Seine Frau machte uns eine Suppe und schenkte uns etwas Fleisch von irgendeinem Tier mit einem langen Schnabel. Nicht dass ich den Schnabel gesehen hätte, doch das war alles, was ich anhand ihrer Beschreibung verstand.

Kurz darauf traf ein Freund des Mannes ein, von dem wir glaubten, dass er der Wohnwagenbesitzer war. Die beiden hatten gemeinsam den Jakobsweg von hier aus gemeistert und unser Gastgeber hatte sogar einen richtigen Jakobsschrein, in  dem er den Pilgerstab, die Muschel, seine Kredencial, die Karten und sämtliche Fotos präsentierte. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, dass es die Jakobsmuschel war, die seinen plötzlichen Stimmungsumbruch herbeigeführt hatte. Als ich ihn auf der Straße angesprochen hatte, war er zunächst überhaupt nicht davon überzeugt gewesen uns zu helfen. Erst als ich bereits weiterging änderte er seine Meinung und rief mich zurück. Am Nachmittag hatten wir wieder die Jakobsmuschel am Rucksack angebracht, die wir in Spanien vorsichtshalber verbannt hatten. Die hatte er erst sehen können, als ich ihm den Rücken zudrehte und genau in diesem Moment entschied er, uns den Wohnwagen anzubieten.

Man spürte deutlich, dass er und sein Kumpel noch immer in den Erinnerungen an jene Zeit lebten, wenngleich der Weg für sie damals mehr ein Wettkampf gewesen zu sein schien. Denn das einzige, was er uns wirklich erzählte, waren die Tageskilometer, die er geschafft hatte. Er blätterte sein ganzes Tagebuch durch, in dem er alle Erinnerungen festgehalten hatte, doch das einzig interessante für ihn waren die Kilometerangaben.

Nicht nur, weil er spanisch sprach und ein begeisterter Passiv Stierkämpfer war, sondern auch aufgrund seiner ganzen Art, war er für uns eindeutig ein Vollblutspanier .

Das spannendste jedoch war, wie der Mann so nett und liebenswert und gleichzeitig so unangenehm und unerträglich sein konnte. Laut, war in seinem Fall kein Ausdruck, und wenn ich sage, dass er all seine Worte schrie anstatt sie zu sagen, dann trifft das auch noch nicht ganz. Würde ich ihn hier zitieren, so müsste ich all seine Aussagen in Großbuchstaben und Fettschrift schreiben. Noch krasser wurde es jedoch im Gespräch mit seinem Kumpel. Sie waren wie zwei Kampfhunde die sich im Zwinger gegenüberstanden, bereit dafür, den jeweils anderen bis auf jede einzelne Zelle zu zerfleischen. Die Leinen um ihre Hälse waren gerade so lang, dass sie sich mit den keifenden Schnauzen berühren konnten, ohne jedoch wirklich an den anderen heranzukommen. Wenn dann auch noch die Frau hinzukam, die ihre Stimme noch weiter erhob, um sich gegen die Männer zu behaupten, dann war ein Atomschutzbunker auf der gegenüberliegenden Seite der Erde genau der richtige Ort, um ihre Konversation in angenehmer Lautstärke zu verfolgen. Leider hatten wir gerade keinen zur Verfügung und der Weg dorthin wäre zu Fuß auch etwas lang gewesen.

Erst heute Mittag wurde uns dann klar, dass der Wohnwagen, in dem wir übernachten durften, keinem der drei Menschen gehörte, die es so sehr genossen, unsere Wohltäter zu sein. Der Besitzer des Caravans war ein ruhiger, gelassener Mann, der bei unserer Mittagspause mit dem Auto an uns vorbei fuhr. Er fragte nur kurz, ob wir gut geschlafen hätten, gab sich als Wohnwagenbesitzer zu erkennen und wünschte uns dann noch eine gute Reise. Nicht das wir den anderen nicht auch absolut Dankbar waren. Für das Essen, für die Kontaktherstellung, für den Internetzugang und auch für den Interessanten Einblick in ihr Leben. Doch ein bisschen schmunzeln mussten wir schon, über die Art, mit der sie sich mit den Federn anderer Schmückten. Auch wenn ich weiß, dass ich in dieser Disziplin auch gerne mal mitspiele.

Das Leben im Wohnwagen selbst überzeugte uns nicht ganz so. Für eine Nacht war es top und wir wahren mehr als nur froh, den Wagen zur Verfügung gestellt bekommen zu haben. Doch auf Dauer war er einfach zu klein. Das Doppelbett war gerade so groß, dass sich einer hineinlegen konnte. Die einzig annehmbare Position war diagonal und selbst dann stieß man noch mit Kopf und Füßen an der Wand an.

Heiko übernahm diese Position und ich versuchte es mir auf dem Boden bequem zu machen. Leider war der Gang zwischen Tisch und Schrank so schmal, dass unsere Luftmatratzen nicht dazwischen passten. Wir hatten also faktisch sogar weniger Platz als in unserem Zelt und alles fühlte sich ein bisschen so an, als wären wir in einer Konservendose eingesperrt worden.

Da es keinen Strom gab, wurden wir von den Platzbesitzern mit einer kleinen Taschenlampe ausgestattet, die wir als Zimmerbeleuchtung von der Decke baumeln ließen. Sie gab schon bald ihren Geist auf, doch bevor die Batterien ganz leer waren, sorgte sie mit ihrem Flackern für eine Art Lagerfeueratmosphäre. Wir fühlten uns ein bisschen wie damals in dem Haus der jungen Autorin, wo wir bei Kerzenschein Brot gebacken haben.

Heute wollten wir dann weiter am Kanal entlang in Richtung Meer. Eigentlich sollte man meinen, dass so ein Kanal eine relativ deutliche Richtschnur darstellt, der man verhältnismäßig einfach folgen kann. Doch von unserem Startort aus gab es keinen direkten Weg am Wasser entlang und da der Kanal eine große Biegung machte, bevor er dann auf den nächsten Ort traf, beschlossen wir, einfach gerade die Straßen entlang zu wandern. Ein freundlicher Bauarbeiter begleitete uns ein Stück und wies uns dann an, von hier aus immer weiter geradeaus zu gehen, bis wir in den Ort kamen. Es war ein schöner Weg, zunächst entlang von kleinen Straßen, dann als Schotterweg mitten durch die Weinfelder und schließlich wieder auf ein Asphaltsträßchen, das uns seltsam vertraut vorkam. Moment! Das war doch! Oder nicht? Nein! Das konnte nicht sein!

War dies nicht das kleine Steinkreuz, an dem wir schon einmal vorbeigekommen waren? Heiko fiel es als erstes auf. Dann warf ich einen Blick nach rechts und sah die Werkstatt, in der wir den Arbeiter getroffen hatten. Nach knapp zwei Stunden waren wir genau an dem Ort, an dem wir nach dem Weg gefragt hatten. Wie konnte das sein?

Heiko war verzweifelt. Sein Bein schmerzte stärker als je zuvor und er wünschte sich nichts sehnlicher, als irgendwo anzukommen. Doch wie es aussah, war ihm das nicht vergönnt. Wir folgten dem Weg weiter in die Richtung, in die uns der Mann beim ersten Mal noch begleitet hatte. Dann fragten wir einen Passanten.

„Einfach immer geradeaus!“ war die Antwort, die sich zu 100% mit der des Arbeiters deckte und von der wir zu 100% wussten, dass sie falsch sein musste. Was war denn nur los? Wir folgten der Richtung bis zur nächsten Kreuzung und fragten dann erneut. Wieder wurde die gleiche Richtungsangabe gemacht. Diesmal wurden wir jedoch auf einen kleinen Schlenker in der Straße hingewiesen.

Aufmerksam gingen wir weiter und schauten, ob wir beim ersten Mal nicht doch irgendetwas übersehen hatten. Kurz bevor die Straße zu einem Feldweg wurde gab es eine schmale Abzweigung nach rechts, die kaum zu sehen war. Konnte dies unser Weg sein? Die beiden Pferde auf der Weide gegenüber, die wir bereits vor zwei Stunden gegrüßt hatten, schauten uns nun verdutzt an. So als wollten sie fragen: „Was macht ihr denn wieder hier? Wolltet ihr nicht ans Meer?“

Ein alter Mann in einem bescheidenen Anwesen, zu dem auch ein Mosaik besetzter Swimmingpool und eine Schafsweide von der Größe Andorras gehörten, klärte uns dann auf. Die Abzweigung hier war richtig. Sie bog sich ein paar mal und wenn wir an der nächsten Kreuzung wieder links gingen, dann führte sie uns bis nach Trébes.

So viel also zum Thema geradeaus! Es war erstaunlich zu sehen, wie sehr regelmäßige Abläufe so zur Gewohnheit werden, dass wir sie nicht einmal mehr wahrnehmen. Beide Männer waren davon überzeugt gewesen, dass der Weg immer nur geradeaus führte. Die Zwei kleinen Abzweigungen waren für sie so selbstverständlich, dass sie sie nicht einmal mehr wahrnahmen.

Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir jedoch noch nicht, dass unser Kreislauf, also das Laufen im Kreis, nur ein kleiner Vorgeschmack dessen war, was uns in der Stadt noch erwarten würde. Es war praktisch eine symbolische Prophezeiung dessen, was uns nun wiederfahren würde.

Zunächst einmal begann es zu regnen. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Nach mehr als 6,5 Monaten der Dürre war Regen für uns so etwas exotisches, dass wir nicht glauben konnten, dass er wirklich existierte. Gab es Regen nicht nur im Fernsehen, in Berichten über so ferne Länder wie Deutschland?

Jetzt merkten wir erst einmal was es bedeutete, wenn der Sommer vorbei war. Es war kalt, ungemütlich und nass und es gab nichts was wir dagegen tun konnten. Wir mussten es hinnehmen und uns irgendwie wieder daran erinnern, wie wir im letzten Frühjahr damit umgegangen waren.

Jetzt hielten wir ihn erst mal aus, uns suchten uns dann in Trébes einen Unterstand. Von hier aus startete ich meine Stadtrunde, die zunächst ohne jeden Erfolg blieb. Das Rathaus hatte geschlossen, der Pfarrer war nicht da uns die Nonnen im Kloster hatten zwar jede Menge Säle und Räume, jedoch keine Herzen. Die einzige Hilfe, die sie uns anboten war die Information, dass es in Carcassonne eine Pilgerherberge gab, die ebenfalls von einem Kloster betreut wurde. Dass diese Herberge geschlossen hatte, interessierte sie nicht die Bohne.

Ich kehrte also unverrichteter Dinge zu Heiko zurück und wir brachen auf, um gemeinsam zum Rathaus zu gehen, das um 14:00 Uhr seine Pforten öffnen würde. Auf dem Weg dorthin trafen wir dann unseren rettenden Engel.

Auf der Brücke über den Fluss, von der es uns fast hinuntergeweht hätte, kam uns eine junge Frau entgegen. Sie hatte lange blonde Haare, ein freundliches Gesicht und trug lediglich einen dünnen Stoffpulli, in dem sie fror wie ein Schlosshund.

Ihr Name war Axelle und sie hatte uns gerade aus dem Auto heraus gesehen. Sie war so fasziniert von unserem Reisegepäck, dass sie ihren Vater gebeten hatte, sie abzusetzen, weil sie wissen wollte, wer wir waren und was wir machten. Nachdem Heiko sie mit seiner Jacke vor dem Erfrieren gerettet hatte, begleitete sie uns zum Rathaus, um dort für uns zu übersetzen. Damit begann eine dreistündige Odyssee durch die Kleinstadt, die so absurd war, dass man sie eigentlich nicht glauben konnte. Axelle übernahm das Sprechen mit den Einheimischen, was mir die Gelegenheit gab, einmal von außen zuzuschauen und Heikos Rolle als Beobachter und Coach einzunehmen. Es war absolut faszinierend, dass die junge Frau den gleichen Prozess durchmachte, den ich auch nur zu oft erlebt hatte.

Sie begann hoch motiviert und begegnete den Menschen voller Begeisterung und mit offenem Herzen. Sie sprach die Sprache fließend, kam freundlich und sympathisch rüber und kannte sogar einige der Ansprechpartner aus ihrer Kindheit. Dennoch musste sie zusehen, wie sie ein ums andere Mal abgelehnt wurde.

Das Rathaus sagte nicht nein, verwies uns aber an die Polizei, die uns dann wieder an den Bürgermeister verwies. Dieser wiederum befand sich in einer Besprechung und war daher nicht erreichbar. Also verwies man uns an den Pfarrer. Dieser jedoch war noch immer nicht zu Hause und auch nicht in seinem Pfarrhaus oder der Kirche. Seine Nummer wollte niemand haben. Also statteten wir den Nonnen noch einmal einen Besuch ab. Doch obwohl Axelle eine von ihnen bereits kannte seit sie 10 Jahre alt war, biss sie bei den Gottesschwestern ebenso auf Granit wie ich. Es lag also offenbar doch nicht an der Frustration, die bei mir in Spanien den Menschen gegenüber eingetreten war, dass wir so oft abgelehnt wurden. Es war die generelle Haltung der Leute. Und wieder stellten wir fest, dass es keine Böshaftigkeit war, die die Menschen dazu brachte, einen in der Nasskälte frieren zu lassen. Es waren Angst, Unsicherheit und das Gefühl, nicht zuständig zu sein. Es war das Lemmingprinzip, die Neigung zu funktionieren, ohne ein Risiko einzugehen und ohne sich Gedanken zu machen. Das gleiche Prinzip, nachdem auch das dritte Reich funktioniert hatte. Nicht Hitler hat die ganzen Massenmorde und den Krieg auf dem Gewissen. Er ist nur eine drollige Marionette, die man als Symbol des Naziregimes auf die Weltbühne gestellt hat, damit er ein bisschen rumschreien kann. Nicht das Böse verursacht das Leid auf der Welt, sondern der Hang der Menschen, wegzuschauen, Angst vor möglichen Konsequenzen zu haben und sich nicht zuständig zu fühlen. Wenn nicht wir heute durch den Ort gegangen wären, sondern ein Mensch, der ohne die Hilfe, vielleicht erfroren wäre, oder sich vor Hoffnungslosigkeit von der Brücke gestürzt hätte, dann hätte es jeden der anwesenden Betroffen gemacht. Jeder hätte sich gefragt, warum dem Mann niemand helfen wollte. Und keiner hätte gemerkt, dass er selbst es war, der ihn verstoßen hat. Bereits einmal habe ich in einem Kloster die Frage gestellt, was passieren würde, wenn plötzlich Jesus vor der Tür stände. Er würde um Einlass und um Schutz vor den römischen Soldaten bitten, die ihn kreuzigen wollen. Und die Antwort der Nonnen und Mönche würde lauten: „Es tut uns leid, junger Mann. Aber wir sind nicht die Verantwortlichen hier! Wir dürfen niemanden aufnehmen, weil wir dafür eine extra Versicherung bräuchten und die haben wir leider nicht. Wenn dann etwas passiert, sind wir schuld und das können wir nicht verantworten!“

Und dann gehen sie ohne weiter darüber nachzudenken, in den Gottesdienst und beten den Mann an, den sie gerade in den Tod geschickt haben. Voller Trauer darüber, dass die bösen Römer ihn gekreuzigt haben.

In Bezug auf die Kirche wird es so schön deutlich, wie paradox und wie gefährlich unser Denken ist. Doch es gilt nicht nur für die Kirche. Auf sie zu schimpfen ist nichts anderes, als einen neuen Sündenbock zu kreieren, der für das angeprangert wird, was jeder von uns täglich viele Male macht, ohne es zu merken. Mich selbst eingenommen.

Auf unserer Stadtführung kamen wir schon bald Besuch von Axelles Bruder Joel. Er bereitete sich auf eine Thailandreise vor und hatte große Freude daran, uns auf unserem absurden Weg durch die Stadt zu begleiten.

Schließlich kamen wir jedoch zu der Einsicht, dass es im Moment keinen Zweck hatte, weiter im Kreis zu irren. Joel schlug daher vor, unsere Wagen im Haus seines Vaters unterzustellen und erst einmal etwas essen zu gehen. Der Plan hörte sich gut an, vor allem, weil wir seit dem Frühstück bereits nichts mehr zu uns genommen hatten. Auf dem Weg zum Haus von Axelles Vater probierten wir es noch einmal in einem Altenheim. Axelle bat hier sogar um einen Wandschrank oder eine Putzkammer, zwei Ideen, auf die ich selbst noch nie gekommen bin. Aber auch das wollten uns die Betreiber nicht zur Verfügung stellen.

Nach einer Tasse heißen Tees bei Axelles Familie, die unsere kalten Glieder etwas wärmte, fuhren wir mit dem Auto zurück in die Stadt und sprachen dort noch einmal mit dem Rathaus. Diesmal gelang es uns, den Bürgermeister zu erreichen, der die ganze Zeit im Haus gewesen war. Dabei kam heraus, dass es in Trébes sogar ein Heim für Obdachlose gab, das komplett leer stand und in dem mehr als 50 Menschen Platz hatten. Jeweils in gemütlichen Doppelzimmern. Unten am Empfang saß eine Frau, die sich in den Tod langweilte, weil niemand da war. Hier bekamen wir nun ein Zimmer für die Nacht. Warum die ganze Odyssee zuvor notwendig gewesen war leuchtet mir noch immer nicht ein, denn jeder der Stadtbeamten musste das Zentrum gekannt haben und es war sicher nicht so, dass nur der Bürgermeister die Autorität hatte, jemanden darin aufzunehmen.

Doch die Hauptsache ist, dass wir nun ein warmes Plätzchen für die Nacht haben. Gemeinsam mit Axelle kauften wir dann noch für ein Abendessen ein. Leider hatte sie am Abend bereits eine Verabredung, dass sie nicht zum Essen bleiben konnte. So blieb uns nichts anderes übrig, als uns von unserer Stadtführerin und starken Befürworterin zu verabschieden. Ohne sie und ihren Bruder, die uns die Stimmung auf dem Chaosweg durch die Stadt erhellt haben, die uns Mut machten und die alles in eine interessante uns spannende Begegnung verwandelten, hätten wir längst aufgegeben und würden nun irgendwo außerhalb im Regen in unserem Zelt sitzen.

Spruch des Tages: Die Wege des Herren sind unergründlich.

Höhenmeter: 90m

Tagesetappe: 18 km

Gesamtstrecke: 5956,37 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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