Tag 364: Frohes neues Jahr!

von Heiko Gärtner
03.01.2015 00:05 Uhr

Hier ist er, der letzte Tagesbericht dieses Jahres. Es wird ein kurzer Bericht, denn heute ist nicht der Tag der vielen Worte, sondern der Tag des Springens von einem Jahr ins nächste. Der Tag um altes Loszulassen und voller Zuversicht und Freude in die Zukunft zu blicken.

Wir sitzen gerade in einem kleinen, leicht unterkühlten Veranstaltungsraum des Mönchsklosters „St. Bambini Gesú“ in Arezano. Eigentlich wollten wir bereits fünf Kilometer früher Halt machen, doch in dem vorangegangenen Ort, wollte man uns keinen Schlafplatz auftreiben. So hilfsbereit die Pfarrer hier in der Regel sind, so abweisend sind ihre Sekretärinnen. Ich will da nicht vorschnell urteilen, doch bislang hatte ich nur Schreckschrauben gegenüber, wenn ein Pfarrer einmal nicht da war. Und hilfreich war dabei noch keine. So auch heute. Der Pfarrer ist nicht da und damit hat es sich. Dafür wurden wir in dem gleichen kleinen Ort mit unserem ersten Silvesterfestessen beschenkt. Erst gab es eine große Tüte Obst und dann ein frisches, saftiges Grillhähnchen. So ein leckeres hatten wir das letzte Mal vor knapp einem Jahr in Deutschland. Lustig war aber auch der Obsthändler. Als er die Äpfel aus dem Regal sammelte, fiel ihm einer davon auf den Boden. Diesen legte er dann schnell zurück in die Kiste und gab uns einen neuen. Das war uns schon öfter passiert. Zahlende Kunden waren eben einfach nur Kunden, für die war die Qualität der Ware nicht so wichtig. Aber als Geschenk konnte man so einen Klump natürlich niemandem andrehen.

Der Weg selbst war heute deutlich schöner als an den letzten Tagen. Er führte uns auf einer alten Bahnstrecke direkt an der Küste entlang, abseits der Straßen und des Alltagslärms. Nur die Wellen rauschten hin und wieder, ansonsten war es die meiste Zeit still.

Auch in Arezano war es heute mit der Schlafplatzsuche ungewöhnlich komplex. Es gab zwar mehrere Kirchen aber keine davon war geöffnet und auch sonst konnte ich keinen Pfarrer ausfindig machen. Ein älterer Herr, den ich um Hilfe bat wanderte eine Zeit lang mit mir durch den Ort und übersetzte meine Englischen Erklärungen ins Italienische. So bekamen wir immerhin ein Mittagessen von ein paar Nonnen im Altenheim.

Schließlich gab es keine andere Möglichkeit mehr als das Mönchskloster, doch in diesem hatten die Sekretärinnen des Pfarrers aus dem Nachbarort bereits angerufen und eine Absage bekommen. Doch Probieren geht über Studieren und wie sich herausstellte, hatten sie jetzt doch plötzlich einen Saal für uns. Allerdings hieß es zunächst, dass dieser noch bis um 18:00 Uhr belegt ist. Unsere Wagen konnten wir unterstellen, dann drehten wir noch eine Runde durch den Ort. Wenn es nicht so saukalt und windig gewesen wäre, hätten wir es sicher auch noch länger ausgehalten aber so waren wir froh, dass wir doch schon bald wieder hineindurften. Ob die angekündigte Gruppe noch kommt weiß kein Mensch, aber wir gehen mal nicht davon aus.

Dennoch ist es auffällig, das gerade diese besonderen Feiertage immer etwas problematischer sind, als die meisten anderen Tage. Ostern in Spanien war eine Katastrophe, Weihnachten war weniger komplex aber dennoch irgendwie abstrakt und heute kamen nun lauter Dinge in die Quere, die eigentlich nicht hätten sein müssen und die den Tag irgendwie anstrengender machten, als er hätte sein müssen. Wie kommt das wohl? Kann es sein, dass es mit der weltweiten Erwartungshaltung der Menschen zu tun hat? Wenn man sich überlegt, dass 7 Milliarden Menschen von heute Abend einen besonderen, magischen Moment erwarten, der sie irgendwie weiterbringt, dann hat das Universum allerhand zu tun, wenn es auch nur einen Teil der Wünsche annehmen will. Und wenn man sich dann noch überlegt, dass der Jahreswechsel in unseren Augen vor allem mit viel Lautstärke, Alkohol und Party verbunden ist, also mit lauter dingen, die gerade nicht dazu führen, dass man in den Kontakt mit sich selbst kommt, dann entsteht dadurch ein ganz schönes Paradox. Kein Wunder also, wenn das Universum am Ende sagt: „Wisst ihr was Leute, leckt mich doch am Arsch mit euren guten Vorsätzen unter Alkoholeinfluss! Ich mache heute gar nichts und geh auch erst mal richtig Feiern. Da könnt ihr schön sehen wo ihr mit euren Wünschen bleibt!“

Wir werden den Jahreswechsel und unser erstes Weltreisejubiläum später auf jeden Fall noch mit einem kleinen Ritual feiern, dann etwas leckeres kochen und wahrscheinlich wieder einige Filme in unserem Schlafsack anschauen, weil der Raum wieder einmal zu kalt ist, um sich draußen aufzuhalten. Die Kirche von unserem Kloster steht oben auf einem Berg, von dem aus wir einen schönen Blick über die Bucht haben. Vielleicht ist es also doch wieder kein Zufall, dass wir hier gelandet sind. Wer weiß, was der Tag noch so bringt.

 

Spruch des Tages: Wir wünschen euch einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 

Höhenmeter: 60 m

Tagesetappe: 10 km

Gesamtstrecke: 6762,37 km

Wetter: Sonnig, windig und knackig kalt.

Etappenziel: Italien, 16011 Arenzano

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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