Tag 442: Hundeabwehr

von Heiko Gärtner
22.03.2015 01:37 Uhr

Heute wird ein richtiger Schlemmertag! Als wir nach unserer Wanderung Ostellato erreichten, wurden hier gerade die letzten Reste vom Wochenmarkt zusammengeräumt. Um nach Essen zu fragen ist dies eigentlich immer die beste Zeit, denn nun weiß jeder Verkäufer, was er wegwerfen muss und was nicht. Oft schon haben wir dabei recht gut abgesahnt, doch heute haben wir einen echten Jackpot gewonnen. Wir bekamen eine komplette Kiste voller Obst und sogar drei Kisten voll mit Gemüse. Darunter waren neben mehreren Kohlköpfen auch zehn Artischocken, mehrere Tomaten, ein Blumenkohl, sowie Zucchini und Auberginen. Direkt neben dem Marktplatz befand sich das Pfarrhaus und der junge Pfarrer war sofort bereit, uns einen Schlafplatz anzubieten. Da die Räume der Kirche jedoch für den Kommunionsunterricht gebraucht wurden, lud er uns in ein Pfarrhaus ein, das sich zwei Kilometer entfernt in einem kleinen Nachbarsort befand. Unsere Obst- und Gemüsekisten lud er in sein Auto und als wir an dem Haus eintrafen stand bereits alles für uns bereit. Das ist mal ein Service! Dazu bekamen wir ein komplettes, lehrstehendes Haus mit Badewanne und Schlafzimmern, das abseits der Ortschaft im Grünen gelegen war. Das ganze Haus natürlich, nicht das Schlafzimmer. Es war immer wieder faszinierend, wie viel leerstehende und ungenutzte Gebäude es gab, ebenso wie ungenutzte Nahrung. Langsam fühlten wir uns wirklich als Nahrungs- und Wohnraumretter. Denn die vier Kisten waren ja nicht das einzige, was die Marktverkäufer an diesem Tag aussortiert haben. Hinter ihrem Stand befanden sich noch zwei komplett gefüllte Mülltonnen mit Obst und Gemüse, dem mit Ausnahme von ein paar Druckstellen nichts fehlte. Doch alles konnten natürlich auch wir nicht retten.

Was auch faszinierend ist, ist die Gewalt mit der man hier immer wieder versucht, jede ruhige Minute zu zerstören. Jetzt haben wir ein einsames Haus mitten in den Feldern, die Sonne scheint und wir haben sogar einen kleinen Gartentisch an dem wir arbeiten könnten. Doch kaum waren wir angekommen, tauchten schon zwei Arbeiter mit einer Kettensäge auf und trieben uns ins Haus zurück. Sie blieben bis die Sonne untergegangen war und es zu kalt wurde um im Freien zu sitzen. Manchmal machen es die Menschen einem schon wirklich schwer, sie zu lieben.

Dafür haben wir aber eine geniale Lösung im Umgang mit den kläffenden Hunden gefunden. In einem Blumenladen haben wir heute Früh eine kleine Wasserspritze gefunden, die eigentlich dazu gedacht ist, seine Blumen zu besprühen. Sie eignet sich jedoch auch hervorragend als Hunde-Abwehrwaffe. Als wir sie in den Händen hielten freuten wir uns sogar richtig darauf, an dem nächsten Garten vorbei zu kommen, an dem wir wild angebellt wurden. Es war fast ein bisschen schade, dass wir so lange durch Felder wanderten, in denen absolute Ruhe herrschte, doch wir wussten unsee Zeit würde kommen. Und sie kam. Der erste Hund sprang an den Zaun und schrie uns an, so laut er nur konnte. Plötzlich hatte er einen Wasserstrahl im Gesicht und verstummte für einen Moment. Damit hatte er nicht gerechnet. Ihm folgten weitere und auch wenn es selten dazu führte, dass die Tölen Ruhe gaben, so machte es uns doch einen Heidenspaß. Und damit änderte sich dann auch unsere gesamte Grundhaltung. Wir spürten keine Wut mehr in uns aufsteigen, wenn die Biester auf uns zu rannten und unsere Ohren unter ihrem lauten Getöse erzitterten. Es kam viel mehr eine kindliche Freude auf, die jedes Mal stärker wurde, wenn wir einen Hund voll erwischten und ihn so aus der Fassung brachten. Einige Kläffer freuten sich über das Spiel übrigens ebenfalls, da sie auf diese Weise eine Art von Aufmerksamkeit bekamen, die sie noch nicht kannten. Schon sind wir am Überlegen, ob wir die Funktionsfähigkeit der Wasserpistole nicht noch weiter ausbauen. Zum Beispiel als Schutz vor nervigen Menschen, die uns böse anstarren. Oder die in unserem Garten mit der Kettensäge hantieren. Noch trauen wir uns das nicht, aber wer weiß schon, was noch kommt.

Spruch des Tages: Bevor wir anfangen nach Leben auf anderen Planeten zu suchen, sollten wir vielleicht erst einmal aufhören, das Leben auf diesem Planeten zu zerstören.

 

Höhenmeter: 7

Tagesetappe: 17 km

Gesamtstrecke: 8117,77 km

Wetter: sonnig

Etappenziel: Gemeindehaus, 44020 Ostellato, Italien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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