Tag 491: Bauer sucht Frau

von Heiko Gärtner
07.05.2015 21:05 Uhr

Ortlieb sind einfach die besten! Gestern noch wirkte das Problem mit dem kaputten Reißverschluss so unsagbar groß und nun nach einem einzigen Telefonat ist es fast wie weggeblasen. Auf sämtliches Packsäcken ist eine dreijährige Garantie, selbst dann, wenn man sie im Rahmen eines Sponsorings bekommen hat. Daher bekommen wir nun einfach einen neuen und können den alten ersetzen. Die einzige Herausforderung, die also noch bleibt, ist das gute alte Spiel mit der Post in einem fremden Land. Doch auch dieses sollte ja lösbar sein.

Nachdem sich gestern Abend ein dickes Unwetter aufgebraut hatte, dass in der Nacht ohne großen Knall einfach wieder verschwand, erwartete uns heute ein neuer, sonniger und heißer Tag. Wir wanderten meist im zwischen großen Feldern hindurch und Schattenspender gab es nur wenige. Ein bisschen fühlten wir uns wieder in die Extremadura zurückversetzt, wenngleich die Hitze noch nicht ganz so stark war und das Land hier nicht so diesen Wüstentouch hatte, wie das Zentrum Spaniens. Wir fragten uns jedoch, wie wir es im letzten Jahr geschafft hatten, mit der Hitze umzugehen, wenn uns nun diese Temperaturen schon zu schaffen machten. Wahrscheinlich eine Frage der Gewöhnung. Braun wurden wir jedenfalls schon wieder. Sogar ordentlich. Heiko ist zumindest im Gesicht brauner als je zuvor in seinem Leben. Vor einem Jahr hätten wir nicht für Möglich gehalten, dass er diesen Farbton überhaupt annehmen könnte, da er eigentlich nicht seinem „Hauttyp“ entspricht. Aber wie es aussieht hatten unsere Quellen zum Thema Sonnencreme und Hautbräunung Recht. Der Hauttyp ist ein Mythos. Es geht nicht darum, welche Haarfarbe und Hautkonstitution man hat, wenngleich dies natürlich schon einen gewissen Einfluss hat. Aber worauf es in erster Linie ankommt sind die Gewöhnung der Haut an die Sonne, die richtige Ernährung und damit die Versorgung des Körpers mit ausreichend Mineralien und Nährstoffen, sowie der Verzicht auf schädliche Sonnencremes, die unsere Haut schwächen. Klar haben wir auch jetzt noch immer wieder einen leichten Sonnenbrand, aber es ist deutlich weniger geworden und das obwohl wir uns nun ausschließlich mit natürlichem Sonnenöl schützen.

Auf unserem Weg durch die kleinen Dörfer sahen wir immer wieder Bauern auf ihren Traktoren, die ihre Frauen hinter sich im Führerhaus spazieren fuhren. Bei uns sieht man solche Pärchenausflüge nur selten, weshalb sie auf ihre eigensinnige Art sofort einen Hauch von Romantik hatten. Es wirkte ein bisschen, als wäre das ganze Land live bei Bauer sucht Frau und jeder Bauer wollte seiner Herzensdame zeigen, was er für ein schweres Gerät vorweisen kann. Später stellten wir allerdings fest, dass der wahre Grund für diese Rundfahrten nicht ganz so romantisch war. Die Pflüge der kleinen Privattraktoren waren fast immer zu leicht um die Erde auf den Feldern wirklich aufwühlen zu können. Daher mussten sich die Frauen hinten auf den Pflug stellen um ihn zusätzlich zu beschweren. Die meisten von ihnen waren für diese Aufgabe figurtechnisch hervorragend geeignet, doch besonders schmeichelhaft schien es nicht, dass ihre Männer ausgerechnet diese Eigenschaft in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten.

Am Nachmittag gelangten wir nach Ivanic Grad, unsere erste größere Stadt in Kroatien. Leider stellte sich heraus das größer in Bezug auf die Schlafplatzsuche auch in diesem Land nicht unbedingt besser war. Es gab zwar einen Pfarrer und zwei Hotels doch keiner der jeweils Verantwortlichen ließ sich antreffen. Schließlich versuchte ich mein Glück in einer Touristeninformation. Die Dame hinter dem Schreibtisch sprach zwar nur wenig Englisch, versuchte aber dennoch, mit so gut wie möglich weiterzuhelfen. Sie verhielt sich vollkommen anders, als die meisten Touristen-Informanten die wir zuvor angetroffen hatten. Nachdem sie verstanden hatte, worum es ging, schnappte sie den Telefonhörer und wollte unser Projekt bei den jeweiligen Hotels vorstellen. Gerade in der letzten Sekunde konnte ich sie noch von ihrem Enthusiasmus bremsen und ihr mitteilen, dass ich das bereits selbst erfolglos getan hatte. Doch das war kein Drama, denn es gab noch eine weitere Pension, die ich zuvor nicht gekannt hatte. Es handelte sich um einen Ferienhof, der etwa 10km außerhalb der Stadt lag und einem ehemaligen Schüler der Dame gehörte. Wie sich später herausstellte, hatte sie nicht immer im Touristenbüro gearbeitet. Als junge Frau war sie Grundschullehrerin und dazu eine berühmte Sportlerin gewesen. Sie hatte den Titel der Landesmeisterin in Karate und ihr ehemaliger Schüler erinnerte sich noch immer an die eiserne Hand, mit der sie ihre Klassen unterrichtet hatte. Heute wirkte sie jedoch ganz lieb und machte den Anschein, als könne sie keiner Fliege etwas zu leide tun. Sie reichte mir den Hörer und bat mich, persönlich mit Janko, dem Verantwortlichen für den Ferienhof zu sprechen. Er sagte zu und wir verabredeten uns, dass wir in etwa zwei Stunden auf seinem Hof erscheinen würden.

Doch die ehemalige Karatemeisterin wollte uns unter keinen Umständen die weite Strecke wandern lassen. Wir könnten unsere Wagen doch in ihr Auto stellen und sie würde uns fahren. Da ich es nicht schaffte, ihr diese Idee auszureden, begleitete sie mich zu den Wagen, um sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Erst nach einer guten Viertelstunde in der sie versuchte mit allen Mitteln einen Weg zu finden, um uns das Wandern zu ersparen, ließ sie locker und gestattete uns zu gehen.

Der Weg zum Ferienhof Kezele war nicht der schönste, den wir je gegangen waren, denn er führte fast komplett an einer großen Hauptstraße entlang. Umso schöner wirkte dann der Hof selbst. Er war wie eine Oase auf einem kleinen Hügel gelegen, von dem Man einen wunderschönen Ausblick über das ganze Tal hatte. Die Frau hatte also nicht übertrieben als sie mir versicherte, dass dies der schönste Ferienhof in ganz Kroatien sei. Janko bat uns als aller erstes auf der Außenterrasse des Restaurants Platz zu nehmen und versorgte uns mit eisgekühltem Wasser und frischgepresstem Apfelsaft. Dann bekamen wir eine Spezialität des Hauses serviert. Es war eine große Pfanne mit Kartoffeln, Pilzen, Bohnen und den unterschiedlichsten Fleischsorten. Janko erzählte uns, dass schon seine Großeltern mit diesem Gericht von Jahrmarkt zu Jahrmarkt gezogen waren. Später wurde das Geschäft dann von seinen Eltern übernommen und auch er selbst hatte es als Kind noch kennengelernt. Vor 15 Jahren hatten sie dann den Hof und das Restaurant eröffnet. Nun brachten sie ihre Spezialität nicht mehr zu den Menschen, sondern die Menschen kamen hier her. Das machte einiges einfacher, brachte aber natürlich auch neue Herausforderungen mit sich. Aus dem Familienunternehmen ist so inzwischen ein Stattlicher Pensions- und Restaurantbetrieb geworden, der mit gutem Recht floriert. Es war ein Ort, an dem man einfach gerne ankam und sich sofort zuhause fühlte. Neben dem leckeren Essen aus eigener Landwirtschaft gab es auch eigenen Wein und viele verschiedene Tiere. Alles hatte seinen eigenen, ursprünglichen und rustikalen Charme und lud direkt zu einer längeren Pause ein. Gleichzeitig lockt uns jedoch die Umgebung wieder hinaus in die Natur auf einen kleinen Waldspaziergang.

Spruch des Tages: Wie es Leute gibt, die Bücher wirklich studieren und andere, die sie nur durchblättern, gibt es Reisende, die es mit den Ländern ebenso machen: sie studieren sie nicht, sie blättern sie nur durch. (Fernandino Galiani)

Höhenmeter: 40

Tagesetappe: 25 km

Gesamtstrecke: 8888,77 km

Wetter: sonnig und warm

Etappenziel:

Seoski turizam Kezele,

Vinogradska 6, Šumećani,

10313 Graberje Ivanićko,

Kroatien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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