Tag 501: Wie kann man Tinnitus auflösen – Teil 5

von Franz Bujor
23.05.2015 00:20 Uhr

Fortsetzung von Tag 500:

Wir waren in einem schönen Kirchenraum untergebracht und die Raumtemperatur war so wollig das man sich gut auf solch ein großes Ritual vorbereiten konnte. Tobias setzte sich hinter mich und hielt meine Ohren. Wir atmeten zum Herzen hin und begannen mit dem Ritual. Tobias und ich luden die verschiedenen Helfer ein, die wir dieses Mal bei dem Heilungsritual dabei haben wollten. Es waren Bob der Baumeister, (Ich weiß, er ist etwas unorthodox als Geisthelfer, aber er ist eben für die technischen Sachen zuständig) Jeshua, also Jesus, Maria Magdalena, Paulina, Franz von Assisi, alle meine Krafttiere, das Reh, den Wolf, das Rotwild und den Kojoten. So durfte jeder Mal ran und wir lösten einen Konflikt nach dem nächsten. Wir lösten Verklebungen an der Schulter, Haken, die in meiner Brust steckten und vieles mehr. Nach über drei Stunden war es soweit, die letzten Memory-Effects und Gottkonflikte waren gelöst. Schon beim Beginn spürte ich das es ein kraftvolles Ritual werden würde, der Raum wurde warm und Tobias Hände glühten. Meine Ohren wurden heiß und ich wusste, heute ist der Tag, an dem wir einen Meilenstein in meiner Gesundheit legen. Zu bedenken ist, das ein Revierkonflikt in der Heilungsphase normalerweise Herzprobleme verursacht und ein Hörkonflikt also Tinnitus zu einem kleinen Gehörsturz führt, der sich innerhalb von 2 Tagen wieder reguliert, so dass das Gehör vollständig geheilt ist, wenn man die Erstauslöser erwischt hat und die Memory-Effects gelöscht hat. Nach diesem Ritual schlief ich wie ein Bär. Es war 8:40 und an sich wären wir um 8:30 zum Frühstück beim Pfarrer eingeladen gewesen. Wie ein geölter Blitz, also ganz gemächlich, erhob ich mich aus meinem Schlafsack und Tobias ging noch entspannt zur Morgentoilette. Zu oft hatten uns die Kroaten warten lassen, so dass auch wir kein schlechtes Gewissen mehr hatten, wenn wir nicht ganz pünktlich waren. Als wir ankamen war natürlich der Pfarrer nicht da. Er hatte sich noch mit einer Frau festgequatscht. Nach einigen Monaten schob ich mir das erste mal wieder Papier in die Ohren, sodas ich ausgeglichen hörte. Mein Vater-Ohr, also das rechte war dumpfer als das Mutter-Ohr. (Dies gilt nur bei Rechtshändern, bei Linkshändern ist das linke Ohr das Vater-Ohr.) Da ich zwei Tage zuvor einen Lösungsprozess zu meinem Vater gemacht hatte und hier schon alte, negative Verbindungen gelöst hatte, war mein Vater-Ohr mehr beansprucht als mein Mutter-Ohr. Da es stets sehr anstrengend ist, ungleich zu hören, war ich sehr froh als wir bald auf die Piste des Lebens konnten und wieder mit unseren Wanderschuhen den Asphalt der Straße spürten. Wir schlenderten über Bahnbrücken, am Fluss entlang und kreuzten nach einigen Kilometern der unbefahrenen Landstraße eine Hauptstraße an der Tobias bei einem Fruchtmann nach etwas zu essen fragte. Als wir die Bananen verschlungen hatten und an einer Tankstelle vorbeikamen, sah ich mit erschrockenen Augen ein Reh mit einer langen dünnen Plastikplane um den Hals geschlungen. Das Ende hatte sich um den Laternenpfahl gewickelt.

„Tobias schau, da braucht ein Reh unsere Hilfe, schnapp dir kurz die kleine Kamera, dann kannst du filmen, wie ich es losschneide.“

Ich holte das Victorinox aus dem Rucksack und klappte das Messer aus dem Multitool. Tobias stand in einem gewissen Abstand und hielt die Kamera im Anschlag. Als ich mich zu unserem behaarten Freund runterbückte, zappelte er mit den Vorderfüßen und versuchte sich empor zu drücken. Mit einem angsterfüllten Schrei kam er auf die Vorderfüße und knickte sofort wieder zur Seite ein. „Ich bin dein Freund. Du brauchst keine Angst haben. Ich werde dich los schneiden.“ Er schaute mich mit seinen tiefen braunen Augen an und ich spürte das er nun wusste das ich ihm helfen wollte. Ich streichelte seine Hufe und Vorderbeine und schaute ihm in seine schmerzerfüllten Augen. „Halt still, dann habe ich dich gleich befreit.“ Ich löste meine Haltung und durchtrennte die Plastikplane die sich wie ein Plastikseil um seinen Kopf gewickelt hatte. Über drei Stunden musste er an dem Seil mit seinem Träger gezehrt haben. Sein Rücken hatte eine klaffende Wunde am Rückenmark weil er sich mit aller Kraft entreißen wollte. Als ich das Plastikseil durchtrennt hatte, öffnete ich die Schlaufe um seinen Kopf und zog ihm das Plastik über den selbigen. Er drehte den Kopf zu mir und stöhnte sanft. Sein Körper schüttelte sich und man spürte er wolle nun aufstehen. Ich legte meine Hand auf seinen Bauch und schickte ihm so viel Energie wie es mir möglich war. Als er begann seine Vorderläufe zu bewegen, griff ich beherzt unter seinen Bauch und hob ihn auf. So gerne er auch stehen wollte, seine Hinterbeine wollten einfach seinem Nervenimpulsen nicht mehr folgen. Ständig brachen sie zusammen. Er schrie als würde er sagen: „Es muss doch.“ Als er im Bauchbereich vor Überanstrengung zu zittern begann, legte ich ihn auf die Seite und holte meine Trinkflasche. Tobias ging währenddessen in die Tankstelle um Hilfe zu holen. Vielleicht konnte dem haarigen Freund ja doch noch jemand helfen. Ich goss ihm etwas Wasser in einen improvisierten Trinkbecher.

„Trink ein wenig, das du wieder zu Kräften kommst!“ munterte ich ihn auf.

Doch nichts. Er schaute mich an mit einem stählernen Blick. Abermals versuchte er mit den Vorderbeinen aufzustehen. Ich legte wiederum meine Hand auf seinen Bauch und beruhigte ihn: „Lass dir Zeit! Du hast zu trinken und ich hole dir einen Apfel.“

Ich ging zu meinem Wagen und kehrte mit einem Apfel zurück, von dem ich ein Stück abschnitt und ihm hinhielt. Doch auch diesen lehnte er ab.

Plötzlich wandte sich mein braunhaariger Freund auf die andere Seite. Sein Hals war nun hinter seinem Oberkörper und der Kopf blickte nach hinten. Ich holte mir meine Sitzmatte vom Wagen und kniete mich hinter ihn.

‚Heiko, wie willst du jemanden heilen, wenn du nicht mal ein Reh von einem Plastikseil befreien kannst?’ durchfuhr es mich.

Ich senkte mein Haupt, bat um die göttliche Hilfe und verband mich so gut es mir möglich war mit der Kraft der Erde und des Universums: ‚Ich bin dein Kanal gib dem Reh das was es benötigt um heil zu werden. Wenn es der Liebe dient will ich dein Kanal der Energie sein.’

Ich legte meine Hand auf sein Herz. Sein Kopf senkte sich zu mir und seine Augen schauten mich nun glasklar an. Ich erwiderte den Blick und fokussierte nur noch sein einzelnes Auge, das ich in seiner Kopfposition sehen konnte. In meinen Händen spürte ich ein Vibrieren aufkommen.

Ich weiß nicht was mich durchkam aber es kam aus mir und durch mich. Ich bin mir nicht sicher was es war und in welcher Intensität es war. Doch es war von mir. Es war nicht von der Energie Gottes, es war von mir. Sein Körper begann zu vibrieren, sein Bauch zitterte. Meine Hand vibrierte ebenfalls. Sein Röcheln wurde immer schneller. Seine Zunge war voller Speichel und so hellrosa das man erkennen konnte, dass er zu wenig Sauerstoff im Organismus hatte. Nun schüttelte es ihn. Ich konnte nun kaum mehr meine Hand auf seinem Körper halten. Sein Auge war zutiefst auf mich gerichtet. Ich sah in seine Seele und er in meine. Du bist ich und ich bin du. Ständig pulsierte dieser Satz durch meinen Kopf. Ich bin du und du bist ich. Wir sind eins. Andauernd hämmerte mir der Gedanke durch den Kopf wie können wir nur solche Zerstörer sein. Ein unachtsam weggeworfener Plastikfetzen verursacht so ein Leid. Wie können uns die tierischen Geschöpfe bedingungslos lieben wenn wir solche Zerstörer sind und ihnen nur Leid bringen? Abermals begann er zu speicheln und ich wischte mit meiner zweiten Hand seinen Speichel auf die Seite. Ich weiß, dass es einen Sinn macht, das wir Zerstörer sind und töten aber muss das wirklich sein. In dem Augenblick als ich diese Worte in mir dachte, schloss er sein Auge kurz. Ohne nachdenken zu können weil sein Vibrieren so stark war, hielt ich meine Hand noch stärker auf ihn.

„Du sollst wissen, dass du nicht alleine bist!“ murmelte es in mir.

Langsam aber sicher wusste ich, dass es keine Chance mehr auf Heilung gab. Er lag in meinen Händen und würde sterben. Mit jedem Atemzug den er röchelte schossen mir mehr Tränen übers Gesicht. Du musst kein harter Mann sein. Du hast Gefühle und das ist richtig. In mir pochte mein Herz im Gleichklang zum überhasteten Herzen meines Rehes das den Todeskampf ausfocht. Vor zwei Tagen hatte ich schon einmal so einen Herzschlag verspürt. Ich war tief in der Meditation versunken und kurz vor dem einschlafen als plötzlich mein Vater-Ohr zu pfeifen begann. Mein Herz raste und ich konnte nicht glauben was ich in der Meditation hörte: Dein Vater segnet dich nun und du darfst deinen Lebensweg gehen wie er dir vorbestimmt ist. Mit diesem Wissen in meinem Kopf überschlug sich mein Herz förmlich. Warum? Warum finden wir dieses Reh, können es befreien, und dann stirbt es in unseren Armen? Was soll ich oder wir, daraus lernen? Da war es. Seine Augen wurden fahl grau und sein Atem neigte sich.

Gerade in diesem Moment kam Tobias von der Tankstelle zurück.

„War der Tankwart schon da?“ fragte er.

„Nein war er noch nicht“, offerierte ich ihm.

„Er versucht jemanden zu erreichen, der dem Reh helfen kann. Aber er wird sicher dauern, bis er etwas erreicht. Wie geht es ihm denn?“

„Ich glaube er stirbt“, meinte ich.

Es wurde kalt. Der Wind kam auf und ein kalter Schauer durchfuhr meine Hand. Sein Auge war Tod. Ich sah, dass seine Seele nicht mehr in die meinige schaute und ich nicht mehr in seine blicken konnte. Ich war starr vor Mitgefühl.

„Lebt er noch,“ fragte Tobias matt.

„Ich glaube nein.“ antwortete ich und griff an seine Halsschlagader um den Puls zu ertasten.

PIEEEEEEEEEP.

Wie das Piepen der Nulllinie war auch sein Herz zum Stillstand gekommen. Ich griff nach einem Ast brach in ab und steckte ihn in seinen Mund.

„Hier hast du deinen letzten Bissen zu ehr. Ich verspreche dir mein Freund das ich dein Volk hüten werde“, sagte ich ihm im Stillen.

Tobias schaute mich an und merkte wie ich schluchzte. Er war stumm. Kein Wort. Es war ruhig. Ich stand auf holte den angeschnittenen Apfel und legte ihn neben das Reh so das er auf der anderen Seite gleich etwas zu essen hatte.

„Das ist mein Geschenk an dich. Danke für die Erfahrung!“ sprach ich in Gedanken zur Seele des Rehs.

Die Rotze schoss mir aus der Nase und ich konnte nur mit meinen nackten Unterarmen den Nasensaft bändigen.

„Wollen wir gehen?“ fragte ich in die Stille, in die sich nun wieder der nervenaufreibende Straßenlärm drängte, den ich zuvor ausgeblendet hatte.

Tobi erwiderte: „Ich sage nur kurz dem Tankwart bescheid, dass das Reh gestorben ist und es der Förster abholen kann.“

Ohne ein Wort zu äußern gingen wir weiter in Richtung unseres Zieles. Ich schluchzte das es kein Morgen mehr gab. Was war los? Warum bist du so aufgewühlt? Früher hättest du das Fleisch als Geschenk angesehen, wenn du in der Wildnis gewesen bist. Es war anders, ganz anders. Dieses Mal war es kein Tod der einen anderen ernährte. Dieses Mal war es etwas anderes. Ich schluchzte wie beim verlorenen Judokampf wo ich das erste Mal gespürt hatte, dass ich nicht immer gewinnen kann nur um zu imponieren. Ich wollte dem Geschöpf so gerne helfen und nun versagte ich schon wieder. Erst konnten wir die Katze retten die man in den Straßengraben geworfen hat und wenige Tage später starb sie trotzdem. Ob sie natürlich starb oder ob kein Platz im Tierheim war wissen wir nicht. Mit jedem Schritt wurde alles schwammiger. Welche Gefühle hattest du? Was konntest du spüren? Immer tiefer glitt ich in meinen Geist. Als ich in seine Augen blickte und seine Seele sah spürte ich, dass er ich war und ich er. Ich fühlte ihn als Geschenk. Ist das nicht pervers. Mein Mentalich brachte mich um den Verstand. Was war hier vorgefallen? Warum weinte ich wie ein Schlosshund? Warum kam um Himmels Willen das Erlebnis mit dem Reh und der Katze stets nach Heilritualen bei denen es um Revierkonflikte ging?

Wie ein Schauder überkam es meinen Körper.

Er hat mir seinen Tod geschenkt!

Zunächst hat er mir gezeigt, dass nur der geheilt werden kann, der geheilt werden will. Ich konnte ihm so viel Energie schicken wie ich wollte, er wollte in meinen Händen sterben. Aber warum? Zum einen sollte ich lernen das es im Leben nicht um gewinnen geht. Ich sollte verstehen das man nicht heilt um Anerkennung zu erhalten, so das einen andere Menschen achten und wertschätzen, man heilt ohne das man etwas dafür erwartet. Also aus freien Stücken. So wollte ich den kleinen Knilch befreien und er sollte dann lustig und drollig davon galoppieren. Das war meine Wunschvorstellung. Was für eine tolle Sequenz. Wir haben ein Reh gerettet. Das ist doch eine Geschichte wert. Doch es kam ganz anders. Wir befreiten das Reh und es starb in meinen Armen. Ich war nicht der Retter, sondern der Sterbebegleiter.

PAM!

Da war es.

So wie meine Mutter Hans retten wollte vor der Psychiatrie habe auch ich den Retterkomplex in mir. Ich bin wie meine Mutter ein Mensch der sich um andere sorgt und kümmert. Doch wenn ich in der Absicht helfe, das ich mich um jemanden sorge oder kümmere, was mache ich dann? Wer Kummer denkt, zieht noch mehr zum Kümmern und Sorgen an. Das heißt im Klartext: wer nicht anerkennt, dass jeder seinen Leidenskörper selber erschafft und wir rein gar nichts dagegen tun können, kann kein Heiler werden, sondern vergrößert das Leid. Denn wer mitleidet, leidet und wer leidet vergrößert das Leid. Wer aber empathisch ist, also versteht warum der Leidenskörper da sein muss und das dieser ein Liebesbote ist, kann die richtigen Fragen und Hilfestellungen geben das man in Heilritualen und Loslösungsprozessen auch heilen kann.

PAM!

Fortsetzung folgt...

 

Spruch des Tages: Wer liebt der leidet nicht.

 

Höhenmeter: 320

Tagesetappe: 29 km

Gesamtstrecke: 9053,77 km

Wetter: sonnig und warm

Etappenziel: Altes Vereinshaus, Suhača, Bosnien und Herzegowina (Postleitzahlen gibt es hier nicht mehr...)

 

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare