Tag 546: Völlig Fertig

von Heiko Gärtner
01.07.2015 22:12 Uhr

Noch 16 Tage bis zum Treffen mit Paulina!

Kaputt, fertig, erledigt! Nichts geht mehr! Sogar das Tippen ist zu viel Anstrengung für heute. Gerade haben wir einen Anstieg von knapp 700 Höhenmetern auf einer Strecke von nur 11 km hinter uns und das bei guten 36 Grad im Schatten. Nur dass es auf der ganzen Strecke so gut wie keinen Schatten gab. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr mir das Wasser vom Kopf und vom Oberkörper herunterrann. Ich selbst hab mich ja nicht gesehen, aber Heiko meinte, das mein Gesicht eine seltsame Mischung aus viel zu weiß und knallrot angenommen hatte. Mehrere Male machten wir Pausen um uns wieder runterzukühlen und schließlich schafften wir den Anstieg auch. Kurz vor einem kleinen Dorf namens Zulja suchten wir uns dann eine schattige Wiese und beschlossen, uns für den Rest des Tages nicht mehr zu bewegen. Ganz klappte das natürlich nicht, denn wir brauchten noch Wasser und auch noch etwas zusätzliche

Nahrung. Beides bekamen wir von einer jungen, nicht besonders gesprächigen Frau aus dem Ort. Heikos Theorie über das Wasser scheint sich jedoch zu bestätigen, zumindest insofern, dass mit der Wasserverteilung hier irgendetwas faul ist. Denn Trotz der unvorstellbar großen Quellwasserreserven wird die Wasserversorgung hier extrem knapp gehalten. Bereits seit Wochen bekommen wir in den meisten Ortschaften nur noch Zisternenwasser, also Regenwasser, das in unterirdischen Tanks aufgefangen wird. Kurz hinter Blagaj fragten wir an einem Haus nach Wasser. Die Eigentümer erzählten uns, dass sie gerade einmal 2km von einer der größten Quellen Europas entfernt lebten, dass es hier aber trotzdem keine Trinkwasserversorgung gab. Alles Wasser, das sie zum Leben brauchten, mussten sie entweder selbst aus der Quelle schöpfen und den Berg hinauftragen oder eben in Form von Regenwasser auffangen und sammeln. Zu unserem Erstaunen vertragen wir das Wasser bislang ohne jede Probleme, wenngleich es manchmal wirklich gewöhnungsbedürftig ist. Je nachdem wo wir sind und wie die Zisterne gebaut wurde, schmeckt es auch schonmal nach Moos, Algen oder einfach nur modrig. Besonders, wenn man es dann noch den ganzen Tag durch die pralle Sonne trägt, wird es nahezu ungenießbar. Dass wir bereits in diesem Breiten Probleme mit Wasser bekommen würden, hätten wir eigentlich nicht erwartet, vor allem nicht, da es hier eigentlich genug gibt.

Seit wir Blagaj verlassen haben, ist das Land wieder nahezu unbesiedelt. Die Familie, die uns das Wasser gespendet hat, erzählte uns auch, dass es in ihrem Ort noch eine kleine Schule gibt, in der heute noch genau 8 Schüler unterrichtet werden, verteilt auf 5 Jahrgangsstufen. Das nenne ich mal eine angenehme Klassengröße!

Auf halber Strecke den Berg hinauf kamen wir dann durch ein weiteres kleines Dorf, das so klein war, dass es nicht einmal mehr auf der Karte auftauchte. Hier wurden wir von einer älteren Dame um Essen eingeladen. Eine Stärkung, die wir dringend brauchten. Es war eine muslimische Familie und da gerade Ramadan war, aßen sie selbst nichts. Wir bekamen jedoch einen reich gedeckten Tisch und später durften auch die Enkel ein paar kleine Brote mit Pastete naschen. Obwohl die Frau so gut wie nichts besaß und wir uns mit ihr fast nicht unterhalten konnten, herrschte trotzdem eine sehr angenehme Atmosphäre. Es war ruhig, gemütlich und wir fühlten uns willkommen. Wie wenig eigentlich nötig war, damit man sich wohl fühlen konnte!

Spruch des Tages: Jetzt erstmal eine Pause!

Höhenmeter: 690 m

Tagesetappe: 13 km

Gesamtstrecke: 9834,77 km

Wetter: sonnig und heiß

Etappenziel: Zeltplatz auf eine Wiese, kurz vor Zulja, Bosnien und Herzegowina

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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