Tag 554: Über den Berg

von Heiko Gärtner
11.07.2015 16:49 Uhr

Noch 7 Tage bis zum Treffen mit Paulina!

Heute kam dann der Tag der Entscheidung. Bereits beim Aufstehen war es schon so heiß, dass es sogar zu ansträngend war, nichts zu tun. Im Zelt wurden wir geröstet und das Wasser rann bereits wieder in Strömen. Die angekündigten 40°C waren nicht untertrieben gewesen.

Dass ich nun hier sitze und diesen Bericht schreibe heißt natürlich, dass wir die Bergwanderung überlebt haben, aber glaubt mir, einfach war es nicht. Dafür habe ich es jedoch ganz gut geschafft, meinen Atemrhythmus zu trainieren. Es war auch nicht anders möglich. Ein bisschen bin ich mir vorgekommen wie ein Nichtschwimmer der in ein Becken geworfen wird um schwimmen zu lernen. Entweder er schafft es, oder er stirbt. Einige Phasen gab es, in denen mein Kopf kurz vor dem Explodieren war. Doch heute kam neben der Hitze noch eine adere Herausforderung hinzu. Die Mücken und Bremsen waren hier so eine Plage, dass man nicht mehr stehen bleiben konnte. Sobald wir eine Pause machen wollten um uns zu verschnaufen, wurden wir so zerstochen, dass es uns sofort weitertrieb. Diese Kombination aus Mücken, Hitze und extremer Steigung machte das Wandern fast unerträglich. Sogar meine Hose war nach diesem Anstieg so durchgeschwitzt dass sie klatschnass war. Das sah dann natürlich etwas komisch aus, denn ein Außenstehender konnte nicht wirklich erkennen, ob es sich dabei um Schweiß der nicht doch eher um eine andere Körperflüssigkeit handelte, die darauf hindeutet, dass man langsam wieder in das Alter kommt, in dem man Windeln braucht.

Kurz nachdem wir gestern das Dorf verlassen hatten hatte auch der Asphalt auf der Straße aufgehört und der Untergrund hatte sich in einen Kiesweg verwandelt. Zunächst war es ein ganz solider Kiesweg, doch kurz bevor die richtige Steigung begann wurde das ganze dann eher zu einem Waldweg, der durch die vielen Jeeps auch noch komplett zerpflügt war. Es galt also nicht nur die Steigung selbst, sondern auch noch den Erdwiederstand zu meistern. Hätten wir heute statt der Sonne einen Regentag gehabt, wäre der Aufstieg unmöglich gewesen, denn dann hätte sich die Straße in eine reine Schlammpiste verwandelt, die unpassierbar gewesen wäre.

Doch nicht alle Umstände machten uns den Aufstieg schwerer, es gab auch einen Faktor, der uns den Tag leichter, wenn nicht überhaupt erst möglich machte. Die gesamte Strecke, auf der sich die Serpentinen den Berg hinaufschlängelten, befand sich im Wald. Wir konnten also fast immer im Schatten laufen, wodurch wir nicht so überhitzten wie wir befürchtet hatten.

Dennoch reichte die Anstrengung vollkommen aus. Wir haben nun bereits einen Abstieg und eine lange Pause hinter uns und meine Hände zittern noch immer. Auch der Schweiß läuft noch an meinen Armen herab und ich muss aufpassen, dass ich mir nicht die Tastatur versaue. Körperlich betrachtet ist dies zweifelsfrei der härteste Sommer meines Lebens. Der letzte Sommer war eine Herausforderung für die Psyche aber dieser bringt mich definitiv an meine körperlichen Grenzen. Wenn das so weiter geht, bin ich nicht sicher, ob ich meinen dreißigsten Geburtstag noch erlebe – und dieser ist bereits in zwei Wochen.

Ok, ganz so schlimm ist es auch wieder nicht aber, hart ist es ohne Zweifel. Es gibt wohl nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir gehen drauf oder wir werden fit. Heute Mittag dachte ich, dass eher das erste der Fall wird, aber jetzt bin ich eigentlich wieder ganz zuversichtlich. Vor allem seit mir Mohamet gerade eine frische Wassermelone geschenkt hat. Mohamet ist einer der wenigen deutschsprachigen Einwohner von Dusina und hat uns zuvor schon mit eiern, Wurst und Brot versorgt. Daraus werden wir uns nun ein schönes Abendessen zaubern, um die Energiereserven wieder aufzufüllen. Hoffentlich dieses Mal ohne Polizeibegleitung!

Spruch des Tages: Ein Guter schaft’s und um nen schlechten ist es nicht schad’!

Höhenmeter: 710 m

Tagesetappe: 20 km

Gesamtstrecke: 9977,77 km

Wetter: sonnig und wirklich richtig übel heiß!

Etappenziel: Zeltplatz vor der stillgelegten Krankenstation, Dusina, Bosnien und Herzegowina
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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