Tag 797: Mundraub

von Heiko Gärtner
30.03.2016 16:23 Uhr

17.02.2016 Bis nach San Giovanni Rotondo sind es nun nur noch gut 9km. Gerade befinden wir uns in einem alten Kloster, das aufgrund seiner Nähe zu dem berühmten Wallfahrtsort auch schon einiges an Touristen abbekommt. Dementsprechend wurde er sorgfältig renoviert und herausgeputzt, um den Eindruck zu erwecken, dass alle Klöster so schön gepflegt sind. Wie üblich auf Pilgerwegen wälzten alle anderen Einrichtungen, die einem normalerweise helfen würden, ihre Zuständigkeit auf diejenigen ab, die sich dafür bereit erklärten. In diesem Fall war das dieses Kloster hier. Die Stadt, die eigentlich unser Ziel hätte werden sollen, lag gute 3km von hier entfernt, doch die Pfarrer zeigten nur müde in diese Richtung und sagten: "Geht zum Kloster! Die kümmern sich um sowas!"

[AFG_gallery id='522']

Das stimmte auch, nur war die Voraussetzung dafür, hier einene Schlafplatz zu ergattern, dass man überhaupt erstmal einen Mönchen antraf. Das Kloster war zwar für Touristen geöffnet, doch außer einem frisch verliebten Pärchen war es wie ausgestorben. An einer Tür hing ein Schild mit der Aufschrift "Klingel Portier". Praktischerweise befand sich darunter tatsächlich eine Klingel. Ich drückte drauf und stellter ernüchtert fest, das nichts passierte. Gegenüber befand sich eine weitere Tür mit einer weiteren Klingel über der "Klosterdirektion - Drei Mal klingeln" stand. Ich drückte erst einmal, dann nochmal und dann ein drittes Mal. Wieder gechah nichts. "Ciao! Bongiorno!" rief ich, woraufhin sich das verliebte Pärchen entgeistert umdrehte. Sie waren gerade damit beschäftigt gewesen herumzuknutschen und da sie ihre abrupten Kopfdrehungen nicht koordiniert hatten, stießen sie kräftig mit den Stirnen aneinander. Ich erinnerte mich an die Notfallstrategien der weisen Pinguine aus dem Film Madagascar, schaute sie lächelnd an und winkte. So etwas half in diesen Fällen immer.

[AFG_gallery id='523']

Doch mein Problem löste es nicht, denn weder mein Rufen noch der Knall den die Kopfnuss des Pärchens verursacht hatte, konnte die Mönche aus ihrem Versteck hervorlocken. Ich beschloss auf eigene Faust nach einem Ansprechpartner zu suchen, durchstreunerte das ganze Kloster und klopfte an jede Tür die ich finden konnte. Sogar die Tür zur Garage und die zum Heizungskeller ließ ich nicht aus. Doch alles blieb ohne Erfolg. Also begann ich noch einmal von Vorne. Das Kloster war offen, im Privatbereich brannte Licht und irgendwo mussten sich diese Brüder doch herumtreiben. So schnell gab ich jedenfalls nicht auf. Der Pfarrer hatte mir eine Telefonnummer gegeben, die ich nun bereits zum drittem Mal erfolglos wählte. Dann klingelte ich links, dann rechts und schließlich wieder links. Erst einmal, dann dreimal, dann Sturm, dann noch einige Male in kürzerem Abstand. Nichts!

[AFG_gallery id='524']

Das konnte doch nicht wahr sein! Langsam wurde ich ungedultig und ärgerlich. Man konnte doch nicht überall Klingeln aufhängen, wenn man sie dann einfach ignorierte! Ein letzter Versuch! An der Tür zum Privatbereich des Klosters hing ein großer, schwerer Türklopfer. Wenn klingeln nicht half, dann ja vielleicht das. BUMM! BUMM! BUMM! Der Knall des kalten Eisens, das aneinander Schlug hallte im gesammten Kloster wieder und mein verliebtes Pärchen zuckte so sehr zusammen, dass ich fürchtete, sie würden an einem Herinfarkt sterben. Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich ebenfalls nicht damit gerechnet hatte, dass dieses Ding gleich so laut ist. "Wer ist da?" rief eine Stimme vom anderen Ende des Gangs. Kurz wunderte ich mich darüber, dass der Mann aus der hinteren Tür kam, wenn an der vorderen geklopft wurde, aber dann freute ich mich, dass überhaupt jemand aufgetaucht war.

[AFG_gallery id='525']

"Oh!" rief ich mit aufrichtig überraschter Freude und grüßte ihn aus der Ferne. Auf dem Weg zu ihm legte ich vorsichtshalber schon einmal mein friedensstifterliches Pinguinlächeln auf, denn wir hatten nicht gerade den besten Start gehabt. Ich war noch immer leicht ärgerlich, dass er mich so lange ignoriert hatte und er war etwas brummelig, weil ich so ein penetranter Bimmler war. "Hast du so oft geklingelt?" fragte er brummig, nachdem ich ihm den Grund für meine Anwesenheit erklärt hatte. "Ja!" sagte ich, "es hat keiner Aufgemacht und da dachte ich, ihr habt mich vielleicht nicht gehört!" "Aha!" sagte er und schaute missmutig zu einer Lampe im Flur. "Und an den Lichtschaltern hast du auch überall herumgespielt!" "Nein!" widersprach ich wahrheitsgemäß und grinste, "Das waren die da!" Erschreckt schaute das verliebte Pärchen zu uns herüber, blickte dann schuldbewusst zu Boden und verschwand so schnell es konnte in der Kirche.

[AFG_gallery id='526']

Einige Minuten später kehrte ich mit Heiko und den Wagen zum Kloster zurück. Wieder wurden wir von drei Hunden begrüßt, die alle auf ihre eigene Art vollkommen gestört waren. Einer lief permanent im Kreis um uns herum und kläffte uns an. Der zweite kam sofort auf uns zu, schnupperte an unseren Hoden und versuchte sich zwischen unsere Beine zu quetschen. Der dritte hingegen hatte mit Menschen abgeschlossen und versuchte vollkommen unsichtbar zu werden und sich zu verstecken, was auf einem leeren Parkplatz keine leichte Sache war und bemerkenswert lächerlich wirkte. Doch so drollig die kleinen Biester auch erschienen, so faustdick hatten sie es hinter den Ohren. Kaum hatten wir unsere Wagen auch nur zwei Minuten aus den Augen gelassen um mit den Mönchen zu sprechen, schlichen sie sich auch schon heran und stahlen unsere Wurst und unseren Käse.

Spruch des Tages: Halt! Er klaut unseren Käse!

Höhenmeter: 110 m Tagesetappe: 21 km Gesamtstrecke: 14.201,27 km Wetter: bewölkt und windig Etappenziel: Gemeindehaus der Kirche, 70015 Noci, Italien

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare