Tag 808: Wie bei Don Camillo

von Heiko Gärtner
30.03.2016 19:34 Uhr

03.-08.03.2016 In den letzen Tagen haben wir uns zum Einschafen immer mal wieder einen der alten "Don Camillo"-Filme angesehen. Ich weiß nicht, wer von euch sie noch kennt, denn sie sind wirklich alt und verstaubt. Aber sie sind auch unglaublich lustig und sie zeigen Italien genau in der Form, wie wir es auch täglich erleben. Wobei man sagen muss, dass die Marotten und Eigenheiten in den Filmen schon noch etwas sympathischer sind als in der Realität. Hin und wieder kommen wir aber in Dörfer, in denen man das Gefühl hat, Don Camillo höst persönich direkt über den Weg zu laufen. Lustig war vor allem, dass der Pfarrer selbst in diesem Film erst dann bereit ist, fremde Reisende aufzunehmen, als er merkt, dass er einen persönlichen Vorteil daraus ziehen kann. Wer immer die Filme gemacht hat, er hat durchaus verstanden, was typisch für dieses Land ist.

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In Kürze erwarten wir nun wieder ein Paket, in dem sich noch einmal lauter Dinge befinden werden, die wir für unsere Reise brauchen. Wir befinden uns nun bereits wieder in der Nähe von Brindisi und langsam wird es Zeit wieder nach Griechenland überzusetzen. Darum war es auch wichtig, das Paket jetzt noch zu organisieren, denn ob das in Osteuropa sobald möglich ist, ist fraglich. Das Problem mit der Überfahrt ist nur, dass es einfach nicht warm werden will. Die Sonne scheint immer mal wieder und die gesamte Natur ist bereits vollkommen in Vollfrühlingsstimmung. Die Kirschen blühen, die Wiesen sind voll von bunten Kräutern und sogar die Knospen teiben schon überall aus. Doch irgendjemand arbeitet hart daran, den natürlichen Lauf der Dinge zu stören. Jeden Vormittag ziehen Flugzeuge ein dichtes Gittermuster über den Himmel und binnen weniger Stunden ist vom strahlenden Blau nichts mehr übrig. Alles ist Wolkenverhangen, die Temperatur fällt, es wird windig und immer wieder kommt es zu Regenschauern. Normal wäre das ja kein Problem, aber es ist eben nicht echt. Das Wetter wird hier gemacht und das so auffällig, dass man es nicht mehr verleugnen kann. Wolken sind auf natürliche Weise nun einmal nicht eckig und sie haben auch keine Karomuster, das sie verzieht. Wenn ein heftiger Wind aufkommt, der wie ein Föhn durchs Land zieht, dann ist dies ein Zeichen für ein kommendes Hochdruckgebiet. Aber hier gibt es nur noch den Wind uns das Hochdruckgebiet bleibt weg. Stattdessen kommen immer neue Wolken, die eigentlich nicht hier sein sollten. Wäre diese Wettermanipulation nur über Italien anzufinden, wäre das kein Problem für uns, da wir das Land ja eh verlassen wollen. Doch leider sieht es, zumindest was Bewölkung, Temperatur und Niederschläge anbelangt über Griechenland nicht anders aus. Auch dort ist es noch immer schweinekalt und es wirkt nicht, als würde sich das bald ändern. Damit sitzen wir in der Patsche. Auf der einen Seite wollen wir Italien wirklich gerne hinter uns lassen, auf der anderen Seite fürchten wir aber, dass wir uns mit Griechenland das Leben zur Hölle machen, wenn wir die kommenden Wochen nur noch Regen und Kälte aber keine Indoorschafplätze mehr haben. Gleichzeitig können wir aber auch nicht ewig mit der Überfahrt warten, denn wir brauchen ja eine gewisse Zeit, um Osteuropa zu bereisen. Wenn es zu spät wird, kommen wir im nächsten Herbst ebenfalls wieder in die Bredullie. Andererseits hat der Frühlingsbeginn in Italien auch so seine Nachteile. Die Sonne lockt die Menschen wieder aus ihren Häusern und da Schönheit, Idylle, Stille und Natur zu den Dingen gehören, die hier jeder abgrundtief zu hassen scheint, setzen sie alles daran, ihr Land wieder in den angenehm gewohnten Zustand der Unerträglichkeit zu versetzen. Jder der kann rennt mit einer Kettensäge oder einem Giftspritzmobil auf seine Felder und Plantagen und versucht dabei so viel Natur zu zerstören, wie er nur kann. Naja, jeder hat halt so seine Hobbies.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Heikos Laptop funktioniert erst einmal wieder. Wir wissen zwar nicht wie lange, aber zumindest fürs erste können wir damit arbeiten. Mit dem Paket kommt außerdem ein neuer Akku für das Gerät an und wenn alles klappt, dann funktioniert er dnach wieder einwandfrei. Mein eigener Computer ist hingegen noch immer auf unbestimmte Zeit auér Gefecht gesetzt. Dafür konnten wir aber die Firma Handheld als neuen Sponsor gewinnen, die uns mit zwei großartigen Outdoorlaptops unterstützt. Damit wird dann demnächst nichts mehr schief gehen, denn diese Computer sind nahezu unzerstörbar. Man kann sie schütteln, nass machen extrem kalt oder heiß werden lassen und sogar vom Schreibtisch aus auf den Boden werfen, ohne dass es ihnen etwas ausmacht. Für einen Tollpatsch wie mich also genau das richtige. Darüber hinaus unterstützt uns Falke noch einmal mit einigen Socken und Scarpa sponsort uns mit je einem neuen paar Schuhe. Die alten lösen sich nach 4 Monaten ununterbrochenem Dauereinsatz langsam auf, aber nun sind wir sicher, dass wir auch in Zukunfst weiterhin versorgt sind. Vor zwei Tagen erreichten wir in Puglia eine Region, die als Valle de Trulli bekannt ist. Trulli sind hier kleine Häuschen, die nach einer ganz speziellen Bauart erstellt werden. Sie werden aus den Steinen angefertigt, die man im Feld findet und sie sehen aus wie kleine, steinerne Zauberhüte. Heute werden sie kaum noch gebaut, aber sie beweisen, dass man hier zumindest früher einmal einen Geschmack hatte, was die Architektur anbelangt. Zunächst vermuteten wir, dass man für ihren bau ein spezielles, ausgeklügeltes System braucht, mit dem die Steine zu den spitzen Türmen aufgebaut und ausbalanziert werden. Leider wurden wir dann aber Zeuge von einem Neubau, wodurch sich das Rätsel auf enttäuschende Weise lüftete. Die Häuser bestehen im Grunde aus einem kleinen, runden Betonbau, der mit Steinen verkleidet wird. Oben auf das Dach kippt man dann einen Haufen Schutt und legt die schönen Steine herum, die das Spitzdach ausmachen. Viel steckt also nicht dahinter, aber nichts desto Trotz sind die Häuchsen unglaublich hübsch und drollig anzusehen.

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Die meisten von ihnen stehen auf dem Land, aber es gibt auch einige Orte, in denen es sogar eine Art Kleinstadt gibt, die nur aus Trullis besteht.Wir kamen zufällig durch eine hindurch und obwohl es regnete und ungemütlich war wie die Sau, waren wir so fasziniert, dass wir einen kleinen Halt für eine Besichtigung machten. Dabei trafen wir auf eine australische Reisende, die sich ein Jahr Auszeit genommen hatte, um hier in Italien auf Biohöfen zu arbeiten. Fünf Monate war sie nun im Land und hatte ähnlich wie wir langsam genug davon. Sie überlegte ebenfalls nach Griechenland überzusetzen und freute sich über ein paar Informationen von uns. Es tat wirklich gut, mal wieder ein richtiges Gespräch zu führen und wieder waren wir mehr als nur überrascht, wie viel Unterschied es machte, wenn man mit jemandem sprach, der kein Einheimischer war. Es war eine richtige Unterhaltung, mit Tiefe, Witz und echtem Interesse. Wir hatten fast schon vergessen, dass es so etwas überhaupt gibt. Dummerweise führte das dazu, dass wir uns vollkommen fest quatschten und erst zwei Stunden später weiter wanderten. Wie bereits erwähnt warten wir auf ein Paket, das in diesem Fall bereits sehr zeitig ankam und wieder viele Leckereien aus dem Hause Gärtner enthält. Damit diese nicht schlecht werden, versuchen wir uns im Moment ein wenig zu beeilen, um so schnell wie möglich in die Stadt zu gelangen, in der das Paket auf uns wartet. Der großartige Plan war eigentlich, dass wir einen freundlichen und hilfsbereiten Pfarrer aufgabeln, der uns zum Paket und wieder zurück fährt, damit wir es abholen können. Doch seit wir diesen Plan gefasst haben, kam kein einziges Mal mehr ein Gastgeber, dem man eine solche Bitte auch nur vortragen wollte. Einige waren so distanziert und unterkühlt, dass einem selbst das Hallo-Sagen schwer fiel, andere ließen sich komplett verleugnen, und wieder andere waren so im Stress, dass man ihnen unmöglich noch mehr Arbeit zumuten konnte. Einmal trat ich in einer Jugendherberge in einen Raum, in dem sich alle Pfarrer und Mönche der Stadt zum Essen versammelt hatten. Der einzige, der sich am Ende ein Herz fasste und uns dann wirklich aufnahm, war der Leiter der Jugendherberge, der gerade zufällig mit dem Essen herein kam, als ich meine Bitte vortrug. Zwei der Pfarrer kamen später sogar noch einmal bei uns am Zimmer vorbei und meinten scheinheilig, dass es ja schön sei, dass wir hier so gut untergekommen waren. Einen von ihnen hatte ich bereits Stunden zuvor in der Innenstadt getroffen und er war mir direkt vor der Nase weggefahren und hatte mich stehen lassen, obwohl wir das Gespräch bereits begonnen hatten. Der langen Rede kurzer Sinn: Wir mussten die Strecke selber wandern und dabei im Schnitt 20km am Tag zurücklegen, damit wir frühzeitig ankamen. Die zwei Stunden, die wir uns mit der Australierin verquatschten passten zeitlich also weniger gut ins Konzept. Wie der Teufel so spielt war im Zielort dann auch wiederum kein Pfarrer anwesend und so durften wir noch ein paar Bonusmeilen abreißen und unser Glück an anderer Stelle suchen. Als wir die nächste Stadt erreichten war es bereits dunkel und alle Pfarrer waren in der Abendmesse. Für einen Moment sah es so aus, als wäre auch dieser Weg umsonst gewesen, doch dann trafen wir einen drolligen alten Pfarrer, der uns ohne zu zögern direkt in der Sakristei schlafen ließ. Zum versönlichen Abschluss des Tages bekamen wir dann sogar noch jeder gleich zwei Pizzen von einer benachbarten Pizzeria geschenkt. Mit vollem Bauch sah die Welt dann gleich schon wieder etwas anders aus.

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Heute schließlich haben wir sogar ein eigenes Landhaus bekommen. Es gehört einem Mann, der aus irgendeinem Grund immer mit einer kalten Zigarre im Mund herumläuft, und der gerade auf der Polizeiwache herumstand, als ich dort in Begleitung einer Nonne auftauchte. Warum mich die Nonne in die Polizeiwache führte weiß ich nicht, denn eigentlich wollte sie mir den Weg zum Roten Kreuz zeigen. Wie vermutete stellten sich die Polizeibeamten selbst als nicht besonders hilfreich dar, doch zum Glück gab es den Mann mit der Zigarre. Er sah sich das Spiel der Uniformierten eine Weile an, bis ihm der Geduldsfaden riss und er meinte: "Wenn Sie keine Lösung finden können, dann lade ich die Jungs eben ein!" Das war unsere Rettung, denn sonst hätte es ziemlich mau ausgesehen. Der Mann hatte gemeinsam mit seiner Frau eigentlich vorgehabt, hier draußen außerhalb der Stadt ein kleines Feriendomizil für Urlauber zu errichten. Sogar ein Loch für einen Swimmingpool hatten sie schon ausgehoben. Dann aber war ihnen das Geld ausgegangen und sie hatten die Sache auf Eis gelegt. Warum sie das komplett fertige und voll funktionstüchtige Haus nicht einfach ohne Pool als Ferienhaus hergerichtet hatten und es stattdessen lieber verfallen ließen, war uns ein Rätsel. Doch für uns kam es natürlich sehr gelegen.

Spruch des Tages: Manchmal fühlt man sich wirklich wie bei Don Camillo

Höhenmeter: 10 m Tagesetappe: 12 km Gesamtstrecke: 14.365,27 km Wetter: Sonnenschein, Wind, Bewölkung und Regen im Wechsel Etappenziel: Privathaus, 72020 Cellino San Marco, Italien

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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