Tag 827: Was steckt wirklich hinter der Griechenlandkrise?

von Heiko Gärtner
13.04.2016 19:05 Uhr

Fortsetzung von Tag 826:

Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück.

Zu beginn der Krise war der griechische Premierminister ein Mann namens George Papandreou. Er wollte das Hilfspaket nicht einfach annehmen und die Auflagen der „Internationalen Gemeinschaft“ stillschweigend hinnehmen. Deswegen veranlasste er einen Volksentscheid, bei dem die griechischen Bürger selbst wählen sollten, ob sie dem Diktat zustimmen wollten oder nicht. Das griechische Volk stimmte dagegen, was ihm zunächst wieder das Unverständnis und den Zorn ihrer Nachbarländer einbrachte. Stimmen wurden laut, dass die Griechen nicht einmal wussten, worüber sie hier hätten abstimmen sollen und dass sie sich aus purer Dummheit und blankem Geiz selbst in den Ruin trieben. Doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil. Die meisten wussten sehr genau über den Inhalt der Auflagen Bescheid und sie wollten ihre Freiheit nicht so leichtfertig opfern. Aber wir leben nun einmal nicht in einer Demokratie und wo kämen wir hin wenn das Volk über solche dinge selbst entscheiden dürfte? Innerhalb weniger Tage wurde George Papandreou zum Rücktritt gezwungen und durch einen Nachfolger ersetzt, dessen Namen wir bereits kennen. Am 11.11.2011 trat Loukas Papadimos das Amt des griechischen Premierministers an. Loukas Papadimos war zuvor Vizepräsident der Europäischen Zentralbank und Vorstandsmitglied der Trilateralen Kommission. Unter seiner Obhut begann eine umfassende Privatisierung, bei der die Infrastruktur des Landes, die Häfen, die Telekommunikationsnetze, die Verkehrssysteme und sogar ganze Inseln zum Schleuderpreis in die Hände von Privatunternehmen fallen. Dazu zählen auch die Ölgründe vor der griechischen Küste im Mittelmeer. Die Erfahrung zeigt, dass eine solche Privatisierung ohnehin fast immer drastische Einsparungen nach sich zieht. So lange der Staat für die Wasserversorgung, die öffentlichen Verkehrsmittel, die Telekommunikation oder ähnliches zuständig ist, liegt der Fokus in der Regel wirklich aus der Dienstleistung. Der entscheidende Faktor ist, dass die Sachen funktionieren und sie sollten sich dabei möglichst selbst tragen. In privater Hand sieht das jedoch anders aus. Hier tritt der Profitabwurf an erste Stelle und dies bedeutet in der Regel, dass die Leistungen sinken und die Preise steigen. In Berlin wurde beispielsweise die Wasserversorgung privatisiert, in der Hoffnung, dadurch die Wasserqualität verbessern zu können. Der Erfolg war jedoch umgekehrt. Die Preise für die Anwohner stiegen und die Wasserqualität ist die schlechteste in ganz Deutschland.

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In Griechenland schafften die Privatinvestoren jedoch einen noch genialeren Deal. Sie übernahmen die Infrastruktur des Landes, die mit Steuergeldern aufgebaut worden war, so dass kaum Erstkosten entstanden. Die Gelder, die sie für den Kauf der Strukturen benötigten, bekamen sie dann aus dem Hilfspaket zurück, da sie ja nun auch zu den Leittragenden der Krise gehörten. Dafür erlegte man ihnen gesetzlich auf, den Service so gut es ging einzukürzen und dadurch ihre Gewinnspanne möglichst hoch zu halten. Kann man sich als Unternehmer etwas bessere vorstellen? Auf diese Weise wurde der griechische Staat vor den Augen der Öffentlichkeit schritt für Schritt entmachtet und anstatt aufzuschreien und für die Erhaltung der Demokratie zu kämpfen klatschten die europäische Völker Beifall. In den Augen aller waren die Griechen eine wirtschaftlich unfähige Nation, die alleine nicht funktionieren konnte. Man musste sie von außen kontrollieren und dazu brauchte der Staat einen Vormund in Form der Geldgeber, der das Land nun auch ohne demokratische Regierung anführen kann. Ihr erinnert euch noch an die Worte von David Rockefeller? „Wir brauchen nur eine große Krise!“ Hier ist sie! Gebt den Menschen das Gefühl, dass die Wirtschaftselite der bessere Regent ist als das demokratische Parlament und schon sind wir bereit es einzutauschen. Zu den Auflagen, die Griechenland mit dem Hilfspaket aufgezwungen wurden, gehörten auch eine Vielzahl an Regelungen, die mit dem Staatshaushalt nichts zu tun hatten, die jedoch die Rechte und Errungenschaften der Bürger bedeutend einschneiden. Dazu zählte der Abbau von Gewerkschaftsrechten, die Auflösung von Tarifverträgen, die Senkung der Löhne im allgemeinen und das öffnen von geschlossenen Berufen. Es sind Diktate, die Griechenland zu einem Billiglohnland machen. Keine schlechte Sache, wenn man hier demnächst Öl abbauen möchte. Doch dies ist nur ein Aspekt dessen, was hier direkt vor unseren Augen passiert. Nie zuvor gab es in Europa derartige Einschnitte in die Souveränität eines Landes. Es geht dabei nicht nur um Griechenland, sondern um ganz Europa. Griechenland ist der erste Schritt gewesen, der sich aufgrund seiner Außenseiterstellung und seiner Ölressourcen als Testkandidat besonders gut angeboten hat. Und der Test war erfolgreich. Wir haben die Einschränkungen unserer Demokratie, unserer Sozialleistungen und der staatlichen Autonomie bereitwillig hingenommen. Wenn es einmal geklappt hat, dann klappt es wieder. Auch in Spanien und Italien kriselt es und es ist nur eine Frage der Zeit bis auch hier Hilfspakete geschnürt werden können, mit deren Hilfe die Regierungen durch eine Wirtschaftselite abgelöst werden. Ein kriegerischer Ausnahmezustand in einem Land führt stets zu einer Militärdiktatur. Das hat die Geschichte oft genug gezeigt. Es ist also nur logisch, dass ein wirtschaftlicher Ausnahmezustand zu einer Diktatur durch Kapitalgeber führt. Der Fall von Griechenland zeigt, dass wir schon bereit sind, diese Diktatur auch anzunehmen. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis sie kommt. Und wer dabei nicht mitspielen will, der kann die EU ja jederzeit gerne wieder verlassen. Auch dies wurde Griechenland angedroht. Wer nicht zahlen kann, der wird rausgeworfen. Doch dann ist man ein ausgestoßener und muss als Land ohne Verbündete und ohne Partner auskommen. Für ein Land, das wirtschaftlich bereits am Ende ist, wäre das Selbstmord. Es ist auch keine Drohung, die ernstgemeint ist, denn man will die Staaten ja im Verbund haben, damit man sie kontrollieren kann. Doch das Volk weiß das nicht und wenn es die Wahl hat zwischen der Aussicht auf ein Ende der Krise für die es vielleicht ein paar Freiheiten opfern muss, und dem Ausschluss aus der EU, der die Krise noch verschlimmern würde, dann steigt die Bereitschaft der Selbstaufgabe noch einmal gewaltig. Für Griechenland jedenfalls kam diese Option nicht in Frage. Stattdessen gibt es nun bereits Verhandlungen für ein drittes Hilfsprogramm, das das Land noch weiter in die Knie zwingen wird.

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Nach der Entmündigung Griechenlands folgte der zweite Schritt zur Entdemokratisierung Europas durch die Erschaffung des sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Weiter oben haben wir schon einmal kurz auf diese Institution hingewiesen, die ihren Anfang im Jahr 2012 nahm, als alle Augen auf einen möglichen Anschlag auf die Olympischen Spiele in London gerichtet waren. Um die europäische Finanzkrise, die wie Griechenland gezeigt hatte, weitaus bedrohlicher war, als man glauben mochte, in den Griff zu bekommen, wurde eine neue Institution gegründet, die im Februar 2013 ihre Arbeit aufnahm. Diese Institution trägt den Namen Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) oder auch Schuldenunion. Seine Aufgabe ist es, den Euro vor einem drohenden Untergang zu retten und die Schulden innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu regulieren. Auf den ersten Blick klingt das nicht unvernünftig, aber anders hätte man sie auch kaum ins Leben rufen können. Wenn es eine Krise gibt, dann braucht es einen Helden, einen Retter, der diese Krise abwenden kann. Und wenn er auf den Plan tritt, dann vergisst man gerne, ihn zu fragen, ob er auch wirklich edle Absichten hat. Man freut sich einfach darüber, dass überhaupt etwas getan wird. Doch was verbirgt sich wirklich hinter diesem Retter, der Europa aus der Krise holen soll? Der ESM ist eine Institution, die einschreiten soll, wenn ein Staat so sehr in die Schuldenfalle getappt ist, dass er kurz vor dem Zusammenbruch steht. Dann soll er dem Staat mit den Mitteln des Rettungsschirms wieder auf die Beine helfen. Damit er das kann, zahlen alle EU-Mitgliedsstaaten in den Rettungsschirm ein. Die Gesamtsumme im Schirm beträgt vorerst 700 Milliarden Euro. Warum es gerade 700 Milliarden sind, weiß kein Mensch. Angeblich soll diese Summe ausreichen, um alle hochverschuldeten Staaten Europas zu retten. Doch tut es das wirklich? Irland braucht 12 Milliarden Euro um seine Überschuldung auszugleichen. Portugal 30 Milliarden, Griechenland 86 Milliarden, Spanien 215 Milliarden, Frankreich 365 Milliarden und Italien stolze 460 Milliarden Euro. Beachtet bitte, dass Griechenland mit seinen 86 Milliarden dabei eher eine untergeordnete Rolle spielt, die den großen Aufwand um das Land nicht im Geringsten rechtfertigt. Großbritannien wird trotz seiner horrenden Staatsschulden nicht einmal mitgezählt, da es ja vorsichtshalber die Finger vom Euro gelassen hat. Alle genannten Länder zusammen brauchen noch einmal weitere 300 Milliarden Euro für Laufende Defizite und Schuldzinsen. Alles in allem kommt man damit also auf 1,460 Billionen Euro, also etwas mehr als das doppelte des eingezahlten Betrags. Wer also hat diese Summe errechnet und wieso?

Fortsetzung folgt...

Spruch des Tages: Es ist gut, dass die Menschen ihr Geldsystem nicht verstehen, denn sonst hätten wir noch vor morgen Froh eine Revolution. (Henry Ford, Erfinder der Fließbandarbeit)

Höhenmeter: 90 m Tagesetappe: 12 km Gesamtstrecke: 14.665,27 km Wetter: überwiegend sonnig Etappenziel: Studentenwohnheim, 51100 Grevena, Griechenland

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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