Tag 869: Schutzpanzer

von Heiko Gärtner
25.05.2016 00:03 Uhr

30.04.2016

Heute ging es wieder einmal in die Berge, wenngleich noch nicht so richtig, weil es erst einmal eine Art Vorgebirgshügelland war. Der Regen hatte sich verzogen und nun lag ein dicker Nebel über dem Land, der im Laufe des Tages immer mehr aufklarte. Auf halber Strecke saß eine dicke Schildkröte mitten auf dem Weg. Beim näherkommen sahen wir, dass auch sie verletzt war.

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Seit Heydi hier war, war sie nun bereits das dritte Tier, das wir in einem verletzten, lethargischen, orientierungslosen Zustand antrafen. Alle drei hatten aus irgendeinem Grund einen Teil ihrer Kraft verloren und bei allen dreien steckte ein tieferer Sinn dahinter. Jedes Mal hatte ihnen ihr Schutzmechanismus das Leben gerettet und im Endeffekt diente es immer dazu, dass sie wachsen und konnten. Im Falle der Schildkröte war es ihr eigener Schutzpanzer, der uns zutiefst beeindruckte. Das kleine Panzerwesen hatte schon einige Jahre auf dem Buckel und war mindestens so Alt wie wir.

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Dementsprechend fest und stabil war auch ihr Panzer und genau dies hatte ihr das Leben gerettet. Denn sie war vor nicht allzu langer Zeit von einem Auto überfahren worden. Ihr Panzer zeigte deutliche Verletzungs- und Kratzspuren an der Oberseite und er war im hinteren Bereich gebrochen, so dass ein dicker Spalt über seinem linken Fuß klaffte. Genau an dieser Stelle hatten sich zwei dicke Zecken in sein Fleisch gebohrt, um ihn auszusaugen.

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Er wirkte noch immer recht benommen und war ebenso langsam und desorientiert wie die Schlange und die Eidechse zuvor. Doch sein Panzer wuchs bereits wieder zusammen und der Spalt war schon jetzt nicht mehr so breit, wie er es m Anfang gewesen war. Wir beobachteten ihn dabei, wie er über die Straße lief und anschließend eine Rutschpartie hinunter in den Graben machte. So ein Bauchpanzer war schon echt praktisch. Nicht nur, dass er einen vor dem Zerquetschtwerden schützt, er dient auch gleich noch als Schlitten.

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Auf dem Weg in unseren Zielort erzählte uns Heydi noch eine ungewöhnliche Geschichte, die sie vor kurzem Erlebt hatte. Ganz in der nähe Ihres Heimatortes gibt es einen alten Eichenbaum, zu dem sie gerne geht. Als sie vor einem guten Jahr hier spazieren ging, bemerkte sie, dass hunderte von kleinen, haarigen Raupen vom Baum aus auf die Straße fielen und sich hier tummelten. Sie schaute ihnen eine Weile zu und kam dann auf die Idee, dass sie den kleinen Wesen vielleicht helfen sollte. Die Straße war wenig befahren, doch hin und wieder kamen trotzdem Autos vorbei. Wenn dies geschah, dann würden Unmengen an Raupen ihr Leben verlieren. Um das zu verhindern schnappte sie die Krabbelwesen und setzte sie auf eine Wiese. Später erzählte sie ihrem Vater davon, der die Raupen als Eichenprozessionsspinner identifizierte.

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Wie wir ja schon ein paar Mal erwähnt haben, sind diese Rauben nicht ungefährlich. Ihre kleinen Haare sind in Wirklichkeit winzige Giftnadeln, die sie einem in die Haut und in die Kleidung schießen können, wodurch schmerzhafte Hautreizungen, Entzündungen, Juckreize und vieles mehr entstehen können. Heydi hatte jedoch überhaupt keine Probleme, und dass obwohl sie rund 200 Raupen mit der nackten Hand angefasst hat. Dies konnte nur zwei Ursachen haben. Entweder, die Raupen haben sie als Helferin erkannt und sie daher ganz bewusst nicht angegriffen, oder aber die ganzen Erzählungen über die Gefährlichkeit der Eichenprozessionsspinner sind schlicht und ergreifend falsch. Wir werden der Sache wohl noch einmal tiefer auf den Grund gehen müssen.

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Übernachten dürfen wir heute wieder in einer verlassenen Schule. Sie steht nun bereits seit rund 20 Jahre leer und das sieht man ihr auch an. In Anbetracht des heraufziehenden Gewitters sind wir aber trotzdem froh, dass wir hier übernachten können.

Spruch des Tages: Sag ich doch, je robuster, desto besser!

Höhenmeter: 30 m Tagesetappe: 20 km Gesamtstrecke: 15.327,27 km Wetter: hin und wieder sonnig zwischen heftigen Wolkenbrüchen und Endzeitgewittern Etappenziel: Zeltplatz in einem Wald, kurz hinter 4192 Tsarimir, Bulgarien

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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