Tag 893: Massentransport

von Heiko Gärtner
03.07.2016 21:45 Uhr

17.05.2016

Unserem Magen ging es nun langsam wieder besser, wenngleich unser Energielevel noch immer deutlich unter den Normalwert lag. Wir durchquerten die endlosen Felder und stießen schließlich auf eine Hauptstraße, auf der die Autoflut nicht mehr abreißen wollte. Im Schnitt fuhren rund 60 bis 100 Fahrzeuge in der Minute an uns vorbei, also 3600 bis 6000 Autos in der Stunde. Im Schnitt saßen zwei bis drei Personen in jedem Wagen. Da die Städte zu beiden Enden der Straße je nur rund 900 Einwohner hatten, musste statistisch betrachtet alle zwei Stunden einmal die komplette Stadt von A nach B und wieder zurück gefahren sein. Wie passte das zusammen? Waren wirklich alle nur mit dem Auto unterwegs? Unsere Hochrechnung bei den LKWs sah nicht viel anders aus. Wenn 10 Zwanzigtonner die Minute an uns vorbeirasten machte das grob überschlagen rund 200 Tonnen an Waren pro Minute und 1200 Tonnen in der Stunde. Wenn die LKWs nur 10 Stunden pro Tag fuhren, machte dies allein 12.000 Tonnen Wahren pro Tag, die nur über diese eine Straße verkarrt wurden. Wo geht das alles hin? Wo kommt es her? Und warum fahren wir es auf diese Weise spazieren? Noch ehe wir mit unseren Überlegungen auf einen grünen Zweig kamen, wurden wir von einem Düsenjet abgelenkt, der direkt über unseren Köpfen zu kreisen begann und uns gleich zu einer neuen Hochrechnung animierte. Ein derartiger Jet kostete neu seine 10 Millionen Euro. Der sprit, den er pro Flugstunde verbraucht beläuft sich grob geschätzt noch einmal auf 1.0000€. Zeitgleich kreisten nun 4 identische Jets über uns, die täglich insgesamt locker Ihre fünf Stunden am Himml verbringen dürften. Gemeinsam verbrauchten si also Tag für Tag rund 20.000€ nur für Kraftstoff, wobei wir Wartung, Personal, Lagerung, Reparatur und vieles mehr nicht einmal einkalkuliert haben. Wi funktioniert also ein solcher Militärflughafen in einem Land, das doch angeblich kein Gel hat?

[AFG_gallery id='860']

Was man jedenfalls deutlich erkennen konnte war, dass Bulgarien ganz klar in der Hand einiger goßer Firmen war. Alle großen Felder gehörten entweder direkt zu Monsanto oder zu einer Tochterfirma. Erst war das nur eine Vermutung, doch nach einiger Zeit kamen wir immer wieder an Hinweisshilder vorbei, die ganz klar den Plantagenbesitzer identifizierten. Riesige Landflächen waren mit Genrapst und anderen genetisch veränderten Pflanzen bwachsen und die Schöpfer dieser Grünmutanten waren so freundlich gewesen, stets ihr Namensschildchen neben die Felder zu hängen. Auch BASF war fleißig vertreten. Eine Firma, die ich aus meiner Kindheit mit der Herstellung von Videokassetten in Verbindung bringe. Die “Badischen Annulin und Soga Fabriken haben sich also wohl auch nicht rein auf Chemikalien spezialisiert.

[AFG_gallery id='861']

Alle Flächen, die nicht von Weizen, Mais, Sonnenblumen oder Raps bevölkert waren, bestanden aus Plantagen, an denen andere Nutzplfanzen angebaut wurden. Die meisten von Ihnen beherbergten Erdbeeren, Kohl oder Salate. Die Getreidefelder ließen sich mit gigantischen Mähdreschern bereits fast vollautomatisiert ernten. Bei Kohl und Erdbeeren funktionierte das nicht und deshalb brauchte man hier noch immer die Sklaven in Form von Sinti und Roma, die für einen Appel und ein Ei die Feldarbeit übernahmen. In diesem Fall “Appel und Eis”, denn alle Felder wurden gerade nach einander von einem Transporter angefahren, der allen Arbeitern das gleiche Eis vorbei brachte. Hätte uns in Griechenland jemand erzählt, dass wir dort leichter an einen Indoorschlafplatz kommen, als hier in Bulgarien an einen geeigneten Zeltplatz, hätten wir ihn sicher ausgelacht. Doch genau das war der Fall. Es war schlichtweg unmöglich, hier einen Zeltplatz zu finden, der der weder komplett in der Sonne, noch einsehbar, schief und wellig oder voller Störgeräusche ist. Wenn wir jedoch zu diesem Zeitpunkt gewusst hätten, dass es in den kommenden Wochen noch viel schlimmer werden wir, hätten wir nun wieder genauso losgelacht, wie bei der fiktiven Situation in Griechenland. Als wir schließlich einen Platz fanden, waren wir weit mehr als dreißig Kilometer geganen, hatten uns von grimmigen Hunden und noch grimmigeren Herrchen vertreiben lassen und waren nun vollkommen fertig mit der Welt. Es dauerte eine Weile, bis wir mit dem Schreiben beginnen konnten. Ich suchte mir dafür einen Platz auf einer kleinen Brücke und bekam kurz darauf Besuch von einem Mausähnlichen Wesen, das mich immer wieder beobachtete. Ich weiß nicht wie er es machte, aber der kleine, flauschige Kerl sorgte dafür, dass ich die Strapazen des Tages erst einmal wieder vergaß.

Spruch des Tages: Wo kommen die nur alle her und wo wollen die hin? Hier gibt es doch gar nichts!

Höhenmeter: 280 m Tagesetappe: 49 km Gesamtstrecke: 15.752,27 km Wetter: sonnig und warm Etappenziel: Zeltplatz am Feldrand, kurz vor 9550 Pchelarovo, Bulgarien

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare