Tag 981: So wie in der Erinnerung

von Heiko Gärtner
11.09.2016 18:13 Uhr

25.08.2016

Beim Wandern änderte sich heute wenig. Das Gebiet war noch immer zugleich wunderschön und absolut grausam und unerträglich. Schließlich erreihten wir eine Kleinstadt namens Tymbark, in der es sogar einen Ortskern mit Rathaus und Kirche gab Lider war der Pfarrer nicht im Haus, so dass er uns nicht weiterhelfen konnte. Dafür aber bekamen wir von Rathaus einen Platz in einer Schule, ide gerade wegen Renovierungsarbeiten und Sommerferien geschlossen war. Aus irgendeinem Grund gab es hier sogar eine kleine Gästewohnung mit Dusche und Mehrfachbetten. Ob es sich bei der Schule um ein Internat handelte, oder ob es lediglich Betten für Schüler waren, die so lange nachsitzen mussten, dass sich die Heimfahrt nicht mehr lohnte, konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen.

26.08.2016

Die beiden Damen, die uns unser Schlafgemach vorbereitet und gezeigt hatten, hatten uns in der Teeküche auch mit Kaffee, Essen und Tee versorgt. Normalerweise hat Kaffee ja keinen Platz in meinem Speiseplan, doch unter den gegebenen Umständen machte ich dieses Mal eine Ausnahme. Mit Hilfe der Aufputschdroge arbeitete ich fast die ganze Nacht durch, um endlich einmal mit meinem Bericht voranzukommen, den ich schon seit Wochen hätte online stellen wollen. Am Ende fehlte dann nur noch der letzte Schliff. Dummerweise war ich nun so sehr aufgeputscht, dass ich auch den Rest der Nacht so gut wie kein Auge zubrachte.

Dies wiederum hatte den Nachteil dass meine Konzentration am Morgen noch geringer war, als üblich und so sorgte ich dafür, dass wir uns erst einmal nach Strich und Faden verliefen. Als ich es merkte, waren wir an einem Ort, der nichts mit dem zu tun hatte, zu dem wir eigentlich wandern wollten. Und zwar wirklich überhaupt nichts. Wir waren nun rund zehn Kilometer gegangen und befanden uns an einem Punkt, der von unserem Ziel genauso weit entfernt war, wie unser Ausgangspunkt. Und als wäre das nicht schon genug, mussten wir nun auch noch an einer Hauptstraße entlang, um wieder auf Kurs zu kommen. Um die Strecke etwas angenehmer zu gestalten, versuchte ich, noch einmal anhand unserer Karte eine Ausweichstrecke vorzuschlagen. Doch auch dieser Versuch ging vollkomen in die Hose. Wir schleiften unsere Wagen rund 100 Höhenmeter steil den Berg hinauf, nur um dann festzusellen, dass wir in einer Sackgasse gelandet waren, alles wieder hinunter mussten und schließlich doch keine Wahl hatten, als an der Hauptstraße entlang zu sehen. Ein klein wenig mehr Schlaf in der Nacht wäre also vielleicht doch nicht schlecht gewesen. Da wir für die Bergsteiger-Aktion fast unser ganzes Wasser aufgebraucht hatten, fragte ich an einem Privathaus nach neuem. Die alte Dame, der ich dabei begegnete, wollte mir unbedingt einen Zuckersirup andrehen, um ihn ins Wasser zu gießen. Als wir das Wasser probierten, wussten wir auch warum. Es schmeckte so intensiv nach Rost und Schwermetallen, dass man es kaum trinken konnten. Sirup hineinzugießen war aber auch keine Lösund, denn ein Wasser, das so sehr nach Metallen schmeckte, enthielt auch viele Schwermetalle. Die alten Leitungen in den Häusern taten ihm einfach nicht gut. Dass unser Geschmacksinn also sagte, man soll lieber die Finger davon lassen, hatte durchaus seine Berechtigung.

Bei gut zwei dritteln der Strecke zu unserem eigentlichen Zielort kamen wir wieder an einer der wenigen Kirchen vorbei. Von unseren Erfahrungen der letzten Tage hatten wir gelernt, dass man hier jede Chance nutzen musste und so machten wir uns auf die Suche nach dem Pfarrer. Das Pfarrhaus und auch die kleine Holzkirche des Ortes wurden gerade renoviert. Vor der Tür des Pfarrers hantierten zwei Bauarbeiter mit einem Bagger und einer Rüttelmaschine herum. Dennoch stand die Tür weit offen und da mein Rufen niemand hören konnte, ging ich vorsichtig hinein. In einem kleinen Aufenthaltsraum saß eine Gruppe von fünf Menschen beim Mittagessen. Wie sich herausstellte, waren es die Künstler, die die Renovierung der Holzkirche übernommen hatten. Für sie schien es ganz natürlich und nicht weiter störend zu sein, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Nach einem kurzen Gespäch mit dem Pfarrer, bei dem mir die Künstler mit der Übersetzung halfen, bekamen wir ein Zimmer in einer kleinen privaten PEnsion, etwas außerhalb der Ortschaft. Als wir dort eintrafen, wurden wir schon erwartet. Zunächst von einem alten Mann in Unterhose, dann von einer Frau in einem neongrünen Top, unter der ihre vulominöse Wampe heraus lugte. Beide waren nette aber auch sehr abstrakte Personen und für einen Deutschen war ein solcher Empfang in einer Ferienpension durchaus etwas gewöhnungsbedürftig.

In Heiko weckte es jedoch alte Erinnerungen wach. "Die Männer laufen den ganzen Tag lang fast nackt rum, die Frauen kleiden sich sexy, auch wenn ihr Körper nichts damit zu tun hat, überall liegt der dicke Staum herum und die Schweiße schwimmt aus dem Klo sobald man auf die Spülung drück. So hatte ich Polen auch von meinem ersten Besuch hier in Erinnerung!"

Spruch des Tages: Kaputte Klos, jeder ist halbnackt, so hatte ich Polen in Erinnerung

Höhenmeter: 440 m Tagesetappe: 21 km Gesamtstrecke: 17.824,27 km Wetter: Regen von morgens bis zum Nachmittag, dann einige vorsichtige Sonnenstrahlen Etappenziel: Jugendherberge, 742 65 Rybi, Tschechien

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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