Vaucouleurs - Auf den Spuren von Johanna von Orleans

von Heiko Gärtner
09.02.2014 15:05 Uhr
 

Eine bereichernde Begegnung mit Johanna von Orleans

Nachdem wir Foug verlassen hatten, folgten wir weiter dem Kanal in Richtung zu Johanna von Orleans, bis dieser dreister Weise in einem Tunnel unter einem Berg verschwand. Wanderer durften leider nicht durch diesen Tunnel. Sie mussten den Umweg über den Berg nehmen. Der Aufstieg dauerte über eine halbe Stunde und führte dazu, dass wir von oben bis unten komplett nassgeschwitzt waren. Der Regen war ab jetzt also überflüssig. Mehr noch! Als ich oben ankam, merkte ich, dass ich meine Jacke trotz Regen, durch meine Körpertemperatur fast vollständig getrocknet hatte. Zumindest von außen, denn von innen war sie jetzt klatschnass.

Die Sehenswürdigkeiten von Vaucouleurs

Die Sehenswürdigkeiten von Vaucouleurs

So heiß es uns auf dem Berggipfel war, so kalt wurde es für uns kurze Zeit später. Komplett nass zu sein, bei permanentem Gegenwind und einer Temperatur von etwa 4 °C kühlte den Körper schneller aus, als man glauben konnte. Glücklicherweise wurden wir kurz darauf von einem freundlichen Mann in einer Bar auf ein belegtes Baguette eingeladen.

Johanna von Orleans war eine Nationalheldin geworden!

Johanna von Orleans war eine Nationalheldin geworden!

Auf ins bekannte französische Vaucouleurs

Unser Tagesetappenziel hieß Vaucouleurs. Von dieser kleinen Stadt war Johanna von Orleans damals aufgebrochen, um dem König ihre Pläne zur Rettung Frankreichs zu unterbreiten. Wir begegneten ihr im Stadtzentrum, wo sie mit hocherhobenem Schwert auf ihrem Ross saß. Sehr gesprächig war sie allerdings nicht, was daran gelegen haben mag, dass sie aus Bronze war.

Wenn ihr mehr über Johanna von Orleans erfahren wollt, empfiehlt der sich gleichnamige Film. Dieser umfasst eine Zeitspanne von elf Jahren. Sie selbst nannte sich die Jungfrau von Orléans. Es gibt keine genaue Quelle, doch der Legende zufolge, wurde sie am 6. Januar 1412 in Domrémy, einer Region in Frankreich, als Tochter wohlhabender Bauern geboren. Viele Bilder oder auch eine Doku berichten über Ihren Tod, aber auch das markante Aussehen. Natürlich sind auch für Kinder viele Geschichten wie diese von der französischen Nationalheldin, einfach und anschaulich erklärt.

Unsere eigenen Streifzüge auf der Suche nach einem Schlafplatz, blieben zunächst leider genauso erfolglos wie Johannas erste Angriffe gegen die Engländer. Wie die heilige Heldin, waren auch wir bereits kurz davor aufzugeben, als wir noch einmal all unsere Kräfte zusammennahmen und einen letzten Versuch starteten. Das Rathaus war verschlossen gewesen, ebenso die Touristeninformation und das Pfarrhaus. Zur Verteidigung des Rathauses muss man sagen, dass heute Samstag ist und das es in der Natur eines Rathauses liegt am Wochenende geschlossen zu haben. Auch der Pfarrer hatte alles recht nicht zu Hause zu sein, ist er doch für 43 Gemeinden verantwortlich. Nur die Touristeninfo hatte keinerlei Entschuldigung, denn laut ihren Öffnungszeiten hätte sie eigentlich besetzt sein müssen. Wahrscheinlich sind die Verantwortlichen davon ausgegangen, dass bei einem solchen Sauwetter keine Touristen unterwegs sind.

kathedrale  vaucouleurs

Die Kathedrale Vaucouleurs bei Nacht

Die Erklärung warum uns in Frankreich kein Pfarrer helfen konnte

Unsere letzte Option war daher ein Gemischtwarenhändler, neben der Bronze Statue der Johanna von Orleans. Wir hielten es zwar nicht für allzu wahrscheinlich, dass er uns helfen konnte, aber man wusste ja nie. Und im schlechtesten Fall konnten wir ihn immerhin noch um ein paar Kartoffeln bitten. Zu unserer positiven Überraschung bekamen wir beides, einen Schlafplatz und Kartoffeln. Hinter dem Laden befand sich nämlich die alte Stadtmühle, die als Gemeindehaus genutzt wurde. Hier probte gerade der Chor und dessen Vorstand lud uns ein, es uns im Konferenzraum bequem zu machen. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Dicht um die kleine Heizung gedrängt wärmten wir unsere kalten Glieder. Einige Zeit später kamen einige Männer, darunter der Chorvorstand und ein Mann, der sich als Christoph vorstellte und der fließend Deutsch sprach. Von ihm erfuhren wir einige interessante Fakten, die erklärten, warum wir in Frankreich noch kein einziges Mal Hilfe von einem Pfarrer bekommen hatten. Anfang des letzten Jahrhunderts war in Frankreich die komplette Kirche enteignet worden. Alle Gebäude gehörten nun den Städten oder Gemeinden und wurden nur noch von der Kirche betreut.

Auf geht's in eine dünn besiedelte Region Frankreichs

Da die Gemeinden jedoch in der Regel sehr arm waren, begannen sie schon bald viele der Kircheneinrichtungen zu schließen oder verfallen zu lassen. Es gab hier also wirklich keine Kirchenhäuser, die uns ein Pfarrer anbieten konnte. Wenn man uns etwas anbot, dann musste es im Rathaus geschehen. Das zu einer Kirchengemeinde mehr als vierzig Ortschaften gehörten war keine Seltenheit. Wir fanden auch heraus, dass wir gerade dabei waren, in eine extrem dünnbesiedelte Region vorzudringen. Die Einwohnerdichte lag hier bei ca. 10 bis 20 pro Quadratkilometer. Der Regierungsbezirk zu dem auch Vaucouleurs gehörte, reichte von hier bis an die belgische Grenze, hatte aber insgesamt weniger Einwohner als Nancy.

Die Stadt Vaucouleurs in Frankreich ist auch bei Nacht sehr schön

Die Stadt Vaucouleurs in Frankreich ist auch bei Nacht sehr schön

Die nächste Zeit würde also noch einmal spannend werden. Ausgerechnet jetzt waren unsere Nahrungsvorräte auf einem absoluten Tiefstand. Da morgen Sonntag ist, beschlossen wir, sie noch etwas aufzufrischen. Wir machten daher eine kleine Runde durch die Stadt und fragten uns bei Bäckereien, einem Bioladen und dem Supermarkt durch. Die ersten beiden spendierten uns ein Baguette und einiges an Wurstwaren. Der Supermarkt war da weniger spendabel. Dafür schenkten uns einige Einkäufer 2,73 €. Genug für drei Baguettes und am Ende hatten wir sogar noch drei Cent übrig, Johanna von Orleans hätte sich mit uns gefreut.

unterkunft  vaucouleurs

Bei der Unterkunft in Vaucouleurs wärmten wir uns zuerst die Hände an der Heizung auf

 

Wieder in unserer Mühle erwarteten uns Christoph und sein Vater bereits. Sie hatten beschlossen uns nicht im Gemeindehaus wohnen zu lassen, sondern zu sich nach Hause einzuladen. Eine Einladung die wir sehr gerne annahmen. Die beiden erwiesen sich nicht nur als sehr gute Köche, sondern auch als gute Französischlehrer, sodass wir bei unseren Versuchen, die Landessprache zu lernen deutliche Fortschritte machen konnten. Nur mit Johanna von Orleans konnten wir uns nun nicht mehr unterhalten, was wir gerne getan hätten.

Spruch des Tages: Die mutige Johanna von Orleans hätten wir gerne getroffen Tagesetappe: 19 km Gesamtstrecke: 851,77 km
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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