Altenheime im internationalen Vergleich

von Franz Bujor
04.03.2014 02:58 Uhr

Die wenigsten Menschen hoffen, dass sie am Ende ihres Lebens einmal in einem Altenheim landen werden. Dennoch lässt es sich häufig nicht verhindern, und gerade dann, wenn es einem gesundheitlich nicht mehr so gut geht, ist es oftmals trotz allem die beste oder vielleicht sogar die einzige Lösung. Während unserer Reise durch Europa haben wir verschiedene Altenheime kennenlernen dürfen und dabei festgestellt, dass es immense Unterschiede gibt. Was wir beobachtet haben, reichte von deprimierenden Anstalten, in denen die Bewohner wie Gefängnisinsassen vor sich hin vegetierten bis hin zu Altersresidenzen, in denen wir am liebsten gleich wohnen geblieben wären. Dies gab uns den Anlass für einen Artikel über Altenheime im internationalen Vergleich.

Altenheime in Frankreich

Das Maison du Diocese in Nevers war das dritte Altenheim, in dem wir auf unserer Reise wohnen durften und es gab ein paar sehr gravierende Unterschiede, die uns sofort auffielen. Die Stimmung unter den Bewohnern unterschied sich zu der in Deutschland gewaltig. Und wieder waren es keine großen Dinge, die hier anders liefen, nichts Weltbewegendes oder etwas, von dem man sagen würde, es sei in Deutschland einfach nicht umsetzbar. Es waren Kleinigkeiten, die das Leben der älteren Herrschaften hier bedeutend lebenswerter machten.

Altenheime im Vergleich - Familiäre Atmosphäre

Altenheime im Vergleich: Vor allem die familiäre Atmosphäre in Frankreich hat uns überzeugt.

 

Gemeinschaft im Speisesaal

So sah der Speisesaal hier nicht wie ein Speisesaal, sondern eher wie ein Wohnzimmer aus. Auch war er wesentlich kleiner und es gab deutlich weniger Tische. Dadurch hatten die Menschen überhaupt keine Chance, sich einzeln in eine Ecke zu setzen. Sie mussten miteinander kommunizieren. Die Mitarbeiter saßen ebenfalls mit am Tisch und aßen zur gleichen Zeit, lediglich dadurch unterbrochen, dass sie hin und wieder aufstanden, um den anderen den nächsten Gang aufzutischen. Das Essen an sich war ähnlich einfach wie bei uns, doch es wurde auf die gleiche Weise zelebriert, wie es in Frankreich nun mal so üblich ist. Es gab eine Kürbissuppe vorweg, dann Pizza, dann Salat, anschließend verschiedenen Käse und schließlich Obst und Jogurt. Zu jedem Gang gab es frisches Baguette und die Bewohner durften wählen, was und wie viel sie essen wollten. Dadurch wurde das Abendessen zu einem wirklichen Highlight, auf das man sich freuen konnte. Beim Frühstück hingegen war es so geregelt, dass jeder kommen konnte, wann er wollte. Einem Langschläfer wurde also nicht vorgeschrieben, früher aufzustehen und ein Frühaufsteher musste nicht hungern, bis es endlich etwas gab. So hatten sie morgens die Individualität und abends die Gemeinschaft.

 
Gemeinsames speisen im Altenheim

Das Essen im französischen Altenheim war ein Highlight.

 

Der soziale Umgang

Auch der Umgang des Personals mit den Bewohnern und der Umgang der Bewohner untereinander war sehr herzlich und liebevoll. Jeder wusste, wo die anderen Schwächen hatten und half mit einer Selbstverständlichkeit, dass einem die kleinen Gesten fast nicht mehr auffielen.

Über unsere Anwesenheit freuten sich die älteren Herrschaften wieder einmal wie über einen Besuch von jungen Hunden. Ein Mann, der die achtzig bereits weit überschritten hatte, kratzte seine gesamten Englischvokabeln zusammen, die er bereits seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr gebraucht hatte, um mit uns reden zu können. Was die Grammatik und die Zeiten anbelangte war er uns sogar ein gutes Stück voraus. Ein anderer Herr, der beim Essen neben mir saß, erzählte uns von einer Reise, die er vor langer Zeit einmal mit seiner Frau unternommen hatte. Damals waren sie ebenfalls eine weite Strecke zu Fuß durch Frankreich gewandert.

Altenheime im Vergleich: Tanzende Rentner im Altenheim

Das Sozialleben in französischen Altenheimen war am herzlichsten.

 

Die Wohnsituation

Um Abends noch einmal in die Stadt gehen zu können, brauchten wir einen Code für die Tür. In die Stadt wären wir natürlich auch ohne diesen Code gekommen, doch nach 22:00 hätten wir dann vor verschlossener Tür in der Kälte übernachten müssen. Da die Dame vom Empfang gerade nicht da war, bat mich der englischsprachige Herr, ihn auf sein Zimmer zu begleiten, wo er den Code aufgeschrieben hatte. „Hier ist mein Zuhause!“, sagte er, als wir die Tür mit seinem Namen im ersten Stock erreichten. Er hatte es ernst gemeint und es fühlte sich auch so an, als wir eintraten. Er hatte zwei Zimmer und ein Bad, wobei das fordere Zimmer eher eingerichtet war wie ein Büro. Ein großer Schreibtisch mit jeder Menge Papierkram stand darin, dazu ein Laptop, ein großer Lehnsessel und ein Fernseher mit DVD-Player und Surroundanlage. Wäre er nicht dabei gewesen, hätte ich nicht vermutet, dass dies die Wohnung eines Mannes war, der strickt auf die 90 zuging.

Moderne Rentnerin

Viele der Bewohner lebten überraschend modern.

 

Unser Eindruck von französischen Altenheimen

Der Eindruck, den wir von dem Altenheim in Nevers bekommen haben, bestätigte sich auch in einigen anderen Altenheimen, die wir später in Frankreich noch besuchen durften. Die Qualität unterschied sich und es gab einige, in denen es angenehmer war und andere, die man lieber vermieden hätte, aber prinzipiell war die Tendenz, dass es hier familiärer und freundschaftlicher zuging, als wir es von Deutschland gewohnt waren. Auch die Essensteleration überzeugte uns sehr.

Altenheime in Deutschland und Österreich

Dass das Leben in deutschen Altenheimen nicht unbedingt immer angenehm ist, ist kein Geheimnis. Vor allem die Situation, dass in der Regel viel zu wenig Personal zu schnell zu viele Bewohner betreuen bzw. oftmals eher abhandeln muss, ist definitiv ein großes Manko. Dennoch lässt sich nach unserer Reise sagen, dass zumindest schon einmal der Grundstandard in der Regel deutlich besser ist, als in vielen anderen Ländern. Die Heime sind sauber, man bekomme etwas zu essen, das man auch als Essen bezeichnen kann und es gibt Angebote für die Freizeitgestaltung. Darüber hinaus haben wir sogar einige Altenheime kennengelernt, die im internationalen Vergleich ganz vorne mit dabei waren. In Deining hatten wir sogar die Gelegenheit, Heikos Tante im Altenheim zu besuchen.

Die Altenpflege in Österreich hat uns sogar noch etwas besser gefallen. Vor allem auch deshalb, weil es hier, ähnlich wie in Frankreich, in der Regel noch etwas persönlicher und familiärer zugeht. Der Schmäh darf hier eben nicht fehlen, auch und gerade nicht im Alter. Wir waren hier unter anderem zu Gast bei den barmherzigen Brüdern und bei einem von Nonnen geführten Altenheim und beide machten auf uns einen sehr positiven Eindruck.

Fröhliche Rentnerin

In Österreich ging es in der Regel sehr fröhlich und zünftig zu.

 

Altenheime in Spanien und Italien

In Spanien waren wir von den Altenheimen am meisten schockiert. Nicht von einzelnen, wie wir zunächst dachten, sondern von der Struktur als solcher. Nirgendwo in Europa haben wir eine so starke Trostlosigkeit erlebt wie in den spanischen Altenheimen, die wir besucht haben. Und das sowohl im Norden, wie auch im Süden und in der Mitte. Auch hier gab es natürlich Unterschiede, aber die Tendenz blieb die gleiche: Die überwiegende Zahl der Patienten war so mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt, dass sie nur noch apathisch vor sich hin starrten. Sie waren nicht ansprechbar und schienen von ihrer Umgebung auch nichts oder nur wenig mitzubekommen. Der Alltag bestand in der Regel daraus, dass man sie in der Früh aus ihren Zimmern holte und mit dem Stuhl oder Rollstuhl vor eine Wand oder eine Fensterfront schob. Dort blieben sie dann bis zum Essen. Sie wurden gefüttert und dann erneut an ihren Platz gebracht. Am Abend kamen Sie zurück ins Bett. Das war das Leben. Auch nur wenige Stunden hier zu verbringen, machte uns bereits depressiv. Zudem spürte man, dass es auch den Betreibern in der Regel sehr unangenehm war. Anders als in vielen anderen Ländern wurden wir in Spanien niemals in ein Altenheim eingeladen, um dort zu nächtigen. Wir bekamen hin und wieder etwas zu Essen, aber man spürte, dass Fragen oder zu genaue Blicke nicht erwünscht waren.

In Italien hingegen sah es schon wieder deutlich besser aus. Die Qualität der Ausrüstung und auch der Gebäude war oft schlechter als die in Deutschland oder Österreich, aber menschlich gab es hier wenig auszusetzen. Im Gegenteil: Auch hier hatten wir das Gefühl, dass es mehr Gemeinschaft und mehr Miteinander gab als wir es von den heimischen Altenheimen gewohnt waren.

Die Altenheime in Spanien waren im Vergleich die trostlosesten.

Die Altenheime in Spanien waren im Vergleich die trostlosesten.

 

Fazit: Altenheime im internationalen Vergleich

Nachdem wir uns nun viele Altenheime im Vergleich angeschaut haben, würden wir uns folgendes Ranking aussuchen, für den Fall, dass wir selbst in ein Altenheim gehen müssten und uns dafür ein europäisches Land wählen dürften:

Am liebsten wären uns Frankreich und Österreich. Dann kämen Deutschland und Italien, wobei ich in Italien eher zu einem Alten-Kloster als einem klassischen Altenheim tendieren würde. Dann kämen so ziemlich alles anderen Länder und am Ende Spanien! In Spanien kann man super alt werden, wenn man nicht in einem Altenheim landet, aber wenn man merkt, dass man hier eines braucht, sollte man lieber schnell ins größere Nachbarland auswandern.

Unabhängig vom Land gibt es natürlich aber auch viele weitere gravierende Unterschiede, auf die wir in diesem Artikel nicht im Detail eingehen können. Wichtig ist es jedoch, sich im Voraus gut zu informieren und wer die Möglichkeit hat, zunächst einmal einige Tage in einem Heim Probe zu wohnen, der sollte dies auf jeden Fall tun. Denn vieles erkennt man erst mit der Zeit und nicht gleich beim ersten Willkommensbesuch. Und von dieser Entscheidung hängt eine Menge ab! Immerhin ist es der Lebensabend, den man hier verbringt.

heiko gaertner franz

Unser eigenes Altenheim wird wahrscheinlich mal eines auf Rädern sein, mit dem wir auch weiterhin durch die Welt fahren können ...

 
Spruch des Tages: Ende gut, alles gut!
  • Tagesetappe: 22 km
  • Gesamtstrecke: 1292,37 km

Bildquellen:

© Heiko Gärtner | © wavebreak3 - Adobe-Stock | © Rawpixel.com - Adobe-Stock | © goodluz - Adobe-Stock | © Pixel-Shot - Adobe-Stock

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare