Sprachbarriere überwinden

von Franz Bujor
29.01.2014 10:15 Uhr
 

Wie kann man seine Sprachbarriere überwinden?

Unsere Nacht in der Jugendherberge war deutlich erholsamer, als wir es aus unserer Zeit als Erlebnispädagogen gewöhnt waren. Es gab weder Jugendliche, die über die Gänge tollten und als Mutprobe den Feueralarm auslösten, noch Gedanken an ein Abenteuerprogramm, dass wir für den nächsten Tag vorbereiten mussten. Dafür aber jede Menge Erinnerungen an alte Zeiten. Jugendherbergen und Schullandheime haben einfach diese ganz besondere Atmosphäre, die nur Jugendherbergen und Schullandheime haben und die haben sie überall auf der Welt. Hier lernt man aber auch schnell seine Sprachbarriere zu überwinden, wenn man sich nicht in Deutschland aufhält.

Heute Morgen unterhielten wir uns dann noch lange mit der jungen Frau von der Rezeption, die sich am gestrigen Nachmittag so stark für uns eingesetzt hatte. Als wir ihr erzählten, dass wir durchs Baskenland gehen würden, war sie Feuer und Flamme. Sie hatte selbst eine Weile dort gelebt und würde noch heute gerne wieder dorthin zurückkehren. Wir schlugen vor, dass sie uns bis dorthin begleiten könne, aber sie meinte, sie habe zu viele Verpflichtungen hier.

Auf dem Weg in Richtung Baskenland

Auf dem Weg in Richtung Baskenland.

 

Man darf sich nicht kaputt machen, das ist es nicht wert!

Als wir gerade gehen wollten, trafen wir dann noch auf einen Mann, in einem kleinen Traktor, der die Gegend von Müll befreite. Wir sind ihm bereits gestern begegnet und hatten kurz mit ihm geplaudert. Er erinnerte mich ein wenig an Beppo Straßenkehrer aus dem Roman Momo. „Jo,“ sagte er mit einem sympathischen Akzent, den ich hier leider nicht richtig wiedergeben kann. „Wichtig ist, dass man die Dinge langsam angeht. Immer Stück für Stück! Mit meinem Traktor fahre ich nie schneller als 25 km/h und ich komme überall damit an. Man darf sich nicht kaputt machen, das ist es nicht wert! Das Leben ist dafür da, das man es genießt!“ Eine leichte Sprachbarriere überwinden, ist für uns gar kein Problem. Erst vor kurzem hatte er sich nach jahrelanger Unzufriedenheit von seiner Frau getrennt. „Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“ sagte er sichtlich zufrieden mit seiner Entscheidung. Jetzt könne er endlich wieder lachen und das sei schließlich das wichtigste im Leben. Er habe auch sein Auto verkauft und sei in eine kleine Wohnung gezogen, so dass er von dem geringen Gehalt nun gut leben konnte. Wenn er genug Geld beieinander hätte, würde er sich noch die Zähne machen lassen, meinte er und zeigte uns beim Grinsen zwei große Zahnlücken.

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Tobias auf der Wanderung.

 

Dies waren zwei wichtige Mentoren für uns

Wie auch alle bisherigen Begegnungen waren diese beiden Menschen wieder einmal wichtige Mentoren für uns. Die Zufriedenheit, die der Mann ausstrahlte und die er durch die Einfachheit seines Lebens gewonnen hatte, beeindruckte uns zutiefst. Auch wenn wir uns selbst ebenfalls bereits auch einen Bruchteil an Luxus reduziert hatten, konnten wir noch viel von ihm lernen.

Auf unserem Weg nach Saargemünd trafen wir ihn noch dreimal. Immer wenn wir um eine Ecke bogen, stand er irgendwo mit seinem kleinen Traktor und sammelte den Müll auf. Sobald wir ihn sahen mussten wir zu grinsen anfangen, ob wir es wollten oder nicht.

Die Strecke nach Saargemünd war einfach und geradlinig. Früher einmal war hier eine Eisenbahn gefahren. Die Schienen hatte man beseitigt und die Strecke zu einem Fahrradweg ausgebaut, der eben an allen Hügeln und Tälern vorbeiführte. Kurz vor Saargemünd jedoch endete dieser Weg und setzte uns ohne Vorwarnung in einem fremden Land, in einer fremden Stadt und ohne Orientierung aus. Der Jakobsweg hatte einen etwas anderen Verlauf genommen und befand sich nun auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt. Wir folgten den Hinweisschildern in Richtung Zentrum und kamen dabei in ein Industriegebiet mit einigen großen Supermärkten und Fachgeschäften.

 
Auf dem Camino durften wir erstmalig unsere Sprachbarriere überwinden!

Auf dem Camino durften wir erstmalig unsere Sprachbarriere überwinden!

Unser Französisch bis dato war erbärmlich

Die Franzosen denen wir begegneten waren überaus freundlich. Das Wetter tat es ihnen gleich. An einer kleinen Imbissbude versuchten wir unser Glück darin, etwas zu Essen aufzutreiben. Ein Versuch, der unsere Stimmung für die nächsten Stunden kräftig verhageln sollte. Es war das erste Mal, das wir an Menschen gerieten, die nahezu kein Deutsch, Englisch oder Spanisch sprachen und unsere Bemühungen im Französischen waren erbärmlich, obwohl wir keine Angst vor Fremdsprachen haben. Wir schafften es nicht einmal ihnen mitzuteilen, das wir Jakobspilger sind. Schließlich mussten wir zu unserer Notlösung greifen und zeigten ihnen einen Zettel mit der Aufschrift: „Wir wandern zu Fuß und ohne Geld um die Welt um das Medizinwissen der verschiedenen Naturvölker zusammenzutragen. Hätten Sie vielleicht etwas zu Essen für uns?“

Diese Botschaft stand auf dem Zettel natürlich in französischer Sprache, denn sonst wäre es ja nicht besser gewesen, als ihn zu sagen. Die Imbissbudenbetreiber schauten uns verdutzt an und machten uns in einer Mischung aus Französisch und Deutsch klar, dass sie nicht die Chefs waren und uns daher nichts geben konnten. Wahrscheinlich wäre es uns in Deutschland genauso ergangen. Genau genommen hatten wir diese Antwort bereits oft gehört und sie war ja auch absolut verständlich und nachvollziehbar. Diesmal aber konnten wir nicht anders, als die Absage auf unsere Sprachbarriere zu schieben. Dabei war die Absage selbst nicht einmal das Problem. Wir hatten noch einige Vorräte und auch noch genügend Möglichkeiten für weitere Versuche. Das Problem war, dass uns diese Begegnung gezeigt hatte, wie hilflos wir waren, wenn wir uns den Menschen nicht mitteilen konnten und somit mussten wir unsere Sprachbarriere überwinden. Mit Essen mochte es ja vielleicht sogar noch gehen. Doch wie wollten wir in Frankreich nach einem Pfarrer oder einem Gemeindehaus fragen, wenn wir nicht einmal wussten, was Pfarrer oder Gemeindehaus hieß? Wie wollten wir die Leute davon überzeugen, das wir in einer guten Sache unterwegs waren, wenn wir uns nicht einmal vorstellen konnten? Schon sahen wir uns den nächsten Monat bibbernd in unseren Schlafsäcken auf einer Parkbank liegen und uns von Löwenzahn und Brombeerblättern ernähren. Klar wäre das eine Option und es ist ja auch nicht so, dass wir das nicht schon oft genug getan hätten, aber verlockend kam es uns in diesem Moment nicht vor.

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Wandgemälde: Ein erster Eindruck von Frankreich?

 

Ein Labyrinth aus Straßen und Fragen

Zu allem Überfluss hatten wir uns jetzt auch noch vollkommen verirrt und wussten nicht einmal mehr in welcher Richtung das Zentrum von Saargemünd lag. Missmutig und voller grübelnder Gedanken stapften wir durch das Labyrinth aus Straßen. Würde ich jemandem etwas zu Essen geben, der mir einen komischen Zettel in die Hand drückt? War es überhaupt möglich, das zu lesen ohne dahinter einen Betrüger zu vermuten? Was hätte ein Mensch davon, wenn er uns aufnimmt, wir uns aber nicht mit ihm unterhalten können? Warum sollte er das tun? Würde ich jemanden aufnehmen, der kein Wort in einer mir verständlichen Sprache sprach, und mir pantomimisch zu verstehen gab, dass er einen Schlafplatz brauchte? Bislang konnten wir den Menschen in unseren abendlichen Gesprächen viel für ihre Gastfreundschaft zurückgeben. Doch was konnten wir geben, wenn das Reden wegfiel? Müssen wir doch dazu übergehen, Geld zu bezahlen? Aber wenn ja, wie lange würden wir das durchhalten? Ein Jahr? Vielleicht zwei? Warum müssen die Franzosen auch so stur sein, was andere Sprachen angeht? Können die nicht einfach Englisch sprechen wie jeder andere auch? Hatten Sie Angst vor Fremdsprachen? Sie sind doch selber Schuld, dass niemand mit ihnen reden kann! Aber das hilft uns jetzt natürlich überhaupt nicht, wo wir erstmal unsere Sprachbarriere überwinden mussten.

Die Gedankenketten entfalteten sich noch eine Weile so weiter, ohne jemals ein Stadium zu erreichen in dem sie hilfreich wurden.

Erst eine kleine Dönerbude konnte unsere Spirale des Negativdenkens durchbrechen. Als wir sie erblickten wussten wir sofort: Dies war unsere zweite Chance. Und wir hatten Glück! Diesmal war mein Versuch von Erfolg gekrönt. Auch wenn ich zugeben muss, dass der Großteil der Konversation mit den beiden Besitzern auf Deutsch stattgefunden hat, baute uns die Situation wieder auf. Nun waren wir auch mutig genug um nach dem Weg zu fragen. Nach einigen Anläufen gelang auch dies. Und dieses Mal sogar ganz auf Französisch. Unsere Bedenken waren natürlich noch immer da und unser Französisch noch immer genauso schlecht, doch langsam keimte in uns die Hoffnung wieder auf, dass wir es doch irgendwie schaffen konnten. Mit Händen und Füßen konnte man viel erreichen. Und wenn man versuchte auf Französisch zu sprechen, versuchten einem die meisten Menschen auch zu helfen. Der Umgang mit Sprachbarrieren war also leichter als wir anfangs dachten.

Einige Beispiele für Sprachbarrieren

Der Umgang mit Sprachbarrieren bringt Licht ins Dunkel

Der Umgang mit Sprachbarrieren bringt Licht ins Dunkel.

 

Die Minimierung von Sprachbarrieren am Arbeitsplatz trägt zur Verbesserung der Produktivität und des Verständnisses bei. Viele haben Schwierigkeiten, die Sprache eines nicht Muttersprachlers zu verstehen. Obwohl das frustrierend sein kann, ist es wirklich nicht überraschend. Aufgrund der Sprachbarriere bleiben uns viele bereichernde Informationen, Unterstützungen und Gespräche verborgen, so wie dies viele Menschen aufgrund der französischen Sprachbarriere immer wieder feststellen durften. Der beste Umgang und die gegebene Sprachbarriere überwinden, geht mit den wenigen Worten und seinen Händen das Beste heraus zu holen. Meistens funktioniert dies in vielen Bereichen erstaunlich gut.

 

Dennoch entschieden wir uns dafür, die letzte Nacht im Grenzgebiet doch noch einmal auf der Deutschen Seite zu verbringen. Wir verließen Saargemünd und wanderten nach Rilchingen-Hanweiler um dort nach einer Kirche und dem Jakobsweg zu suchen. Eine Kirche fanden wir, einen Pfarrer jedoch wieder einmal nicht. Unter der Nummer, die an der kirchlichen Infotafel angebracht war, erreichten wir einen Mann, der uns an einen anderen Mann verwies. Dieser wiederum verwies uns an eine Frau, die an einen Mann, der an einen anderen Mann und dieser wieder an eine Frau. Letztere beschrieb uns einen Weg zu einer Übernachtungsmöglichkeit etwas außerhalb. Sie beschrieb den Weg so schnell, dass ich ihn mir fünfmal anhören musste, um ihn mitschreiben zu können. Dann erfuhr ich. Dass „etwas Außerhalb“ gute 10 km von hier entfernt lag. Und zwar in Richtung Norden. Also exakt in die entgegengesetzte Richtung in die wir wollten.

Etwas geknickt hielten wir Kriegsrat. Zehn Kilometer in die falsche Richtung zu laufen um dann im Dunkeln in einer Stadt anzukommen in der wir WAHRSCHEINLICH übernachten konnten, klang nicht verlockend. Doch was waren unsere Alternativen. Wir konnten zurück nach Saargemünd gehen und dort hoffen, dass es einen deutschsprachigen Pfarrer gab, der uns helfen konnte. Doch wenn dieser Versuch scheiterte waren wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit in einer großen Stadt ohne Schlafplatz. Wir konnten auch weiter auf dem Jakobsweg gehen und hoffen, dass wir dabei eine Möglichkeit finden würden. Und falls nicht wären wir immerhin außerhalb und konnten unser Zelt aufbauen.

Wir entschieden uns für die letzte Variante und lasen in unserem Pilgerführer die Beschreibung für den weiteren Wegverlauf. „Gehen Sie in Rilchingen-Hanweiler an den sozialen Einrichtungen der Barmherzigen Brüder vorbei...“ Moment! Barmherzige Brüder? Na wenn das kein Name war, der auf einen Schlafplatz hoffen ließ! Und hier mussten wir keine Sprachbarriere überwinden, was für ein Glück. Wir machten uns auf den Weg und kamen bald darauf in einen größeren Park mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Gebäuden. Wie wir später herausfanden bestanden die sozialen Einrichtungen der Barmherzigen Brüder aus einem Altenheim, einem Heim für geistig Behinderte und einem Heim für Alkoholkranke. Normalerweise wurden hier Pilger gegen Gebühr aufgenommen, doch in unserem Fall machten sie eine Ausnahme. Wir bekamen ein kleines gemütliches Zimmer im Dachgeschoss eines Nebengebäudes, dass eigentlich bereits für ein paar Nonnen hergerichtet worden war. Doch die Nonnen kommen erst morgen und so können wir den Platz bis dahin nutzen.

Spruch des Tages: Wer sprechen kann ist klar im Vorteil

Tagesetappe: 26 km Gesamtstrecke: 598,27 km
Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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