Tag 586: Fremdwährungen

von Heiko Gärtner
12.08.2015 19:14 Uhr

Nein, ich kann schon einmal vorweg nehmen, dass sich Bosnien und der südliche Teil von Serbien in Sachen Infrastruktur nicht groß unterscheiden. Wir sind nun bereits seit über zehn Tagen hier und haben dabei nur zwei Nächte in geschlossenen Räumen verbracht. Strom und Internet werden zu reinsten Mangelwaren. Wenn wir alle 10 Tage an eine Internetverbindung kommen, dann ist das viel und meist ist sie dann so schwach, dass man kaum damit arbeiten kann. Auch Strom bekommen wir so gut wie nur noch über unsere Solarsegel. Steckdosen hatten wir tatsächlich erst ein einziges Mal in diesem Land und das war, als wir im Hotel übernachten durften. Essentechnisch ist es dafür um einiges leichter geworden, was zum einen an der Freundlichkeit der Menschen, vor allem aber an der Tatsache liegt, dass nun die Gurken, Tomaten und Paprika reif sind, die jeder Mengenweise in seinem Garten hat.

Doch die Art, mit der uns Serbien begrüßte, war sogar noch deutlich freundlicher, als wir es uns erhofft hatten. Nach den Erfahrungen, die wir in Bosnien mit den Unterschieden zwischen dem Kroatischen und dem Serbischen Teil des Landes gemacht hatten, hatten wir ehrlich gesagt etwas Respekt vor der Einreise nach Serbien gehabt. Was war, wenn hier jeder so griesgrämig und knauserig drauf war? Würden wir in diesem Land dann überhaupt zurecht kommen? Ich war zwar schon einmal in Serbien gewesen und hatte überwiegend positive Erinnerungen an diese Zeit, aber das ganze war immerhin schon zehn Jahre her und ich war damals Freiwilliger in einem Kinderheim gewesen. Das war vielleicht nicht unbedingt vergleichbar mit dem, wie wir jetzt unterwegs waren.

Doch wie sich zeigte sind die meisten Menschen sehr umgänglich und auch durchaus hilfsbereit. Manchmal vielleicht sogar ein bisschen zu Hilfsbereit für unsere Zwecke, denn wenn man irgendwo nach etwas zu Essen fragt, gibt es meist noch eine Einladung auf einen Kaffee und eine Flasche Raki dazu. Was das Saufen anbelangt, stehen die Serben den Bosniern in nichts nach. Selbstgebrannter Raki gehört einfach zum guten Ton und er steht fast immer auf jedem Tisch. Bereits bei meinem ersten Besuch in Serbien hatte ich damit meine Erfahrung gemacht. Damals war ich vom Onkel meines Mitbewohners auf einen Kaffee in seinem Garten eingeladen worden und dazu hatte ebenfalls ein Raki gehört. Ich war zwar nicht überzeugt davon, dass es eine gute Idee war bereits am Vormittag hochprozentigen Alkohol zu trinken, doch mein Selbstbewusstsein reichte damals nicht aus, um ihn abzulehnen. Was mir jedoch nicht bewusst war, war der Umstand, dass es in Serbien als Beleidigung des Gastes gilt, wenn der Gastgeber zulässt, dass dessen Glas leer ist. Sobald man also getrunken hat, muss es wieder aufgefüllt werden. Wenn man nichts mehr will, dann zeigt man das dadurch, dass man das Glas einfach stehen lässt. Ich hingegen hatte das Gefühl, dass es unhöflich war, das Glas stehen zu lassen, trank es aus und sagte dem Onkel anschließend, dass ich kein weiteres mehr wollte. Eine Floskel, die dieser natürlich ignorierte. Mein Mitbewohner trank aus Solidarität jedes Mal mit und irgendwann waren wir in der misslichen Lage, stockbetrunken in der brütenden Hitze, um 12:00 Uhr Mittags den Weg zurück zum Heim finden zu müssen um dort der strengen und humorfreien Direktorin klar zu machen, dass alles mit uns in Ordnung war. Es war definitiv eine dieser Erfahrungen, von denen man im Nachhinein sagen kann, dass sie zwar lehrreich, aber absolut bescheuert war. Heute fällt es mir jedenfalls leicht, die Schnapsangebote entschieden abzulehnen.

Direkt hinter dem Grenzposten befand sich ein kleiner Supermarkt. Eigentlich hatten wir auf eine Wechselstube gehofft, aber die gab es nicht. Auf unserem Weg durch Bosnien und Kroatien hatten wir zwar nicht viel Geld bekommen, aber auch nicht viel ausgegeben und so hatten wir noch immer einiges in den jeweiligen Landeswährungen übrig. In Bratunac hatten wir eigentlich vorgehabt unsere restlichen Bosnischen Mark noch auf den Kopf zu hauen und uns irgendetwas dafür zu kaufen. Doch es war unmöglich. In drei Kaufhäusern, die wir von oben bis unten durchsucht hatten, ließ sich nichts finden, das auch nur ansatzweise schön, nützlich oder sinnvoll war. Also brachten wir das Geld mit über die Grenze und tauschten es hier in Serbische Dinara um, eine Währung bei der das Wort Zahlungsmittel eigentlich nicht mehr ganz zutrifft, denn der Wechselkurs entspricht sage und schreibe etwa 1:120. 120 Dinara sind also gerade einmal einen Euro wert. Durch den Tausch haben wir nun also zum ersten Mal mehrere 1000der Scheine in unserem Portmonee.

Unsere Kroatischen Kuna konnten wir aber leider nicht tauschen.

„Was glaubst du, Tobi“, fragte Heiko, „wie viel Geld wohl rumliegt, das nie verwendet werden kann, weil es eine falsche Währung um falschen Land ist. Ich meine jeder bringt doch aus seinem Urlaub Geld in der Fremdwährung mit zurück und kann es bei der Bank nicht eintauschen, weil der Betrag zu klein ist. Wenn man das alles zusammenzählt, dann müssen das zigtausende von Euro sein, die so brach liegen.“

Der Gedanke brachte uns auf eine Idee. Wenn es stimmte und wirklich fast jeder noch Fremdwährung zu hause hatte, die er nicht mehr nutzten konnte, dann konnte man damit ja vielleicht auch noch wieder etwas anfangen. Deshalb haben wir uns überlegt, dass wir den Blog noch einmal für einen Spendenaufruf nutzen möchten, diesmal jedoch für Spenden, der etwas anderen Art. Vielleicht habt ihr ja auch noch irgendwo Geld in Fremdwährungen im Schrank liegen, von dem ihr wisst, dass ihr es nicht mehr brauchen werdet und das auch keinen sentimentalen Wert mehr für euch besitzt. Wenn ihr unsere Reise unterstützen möchtet, ohne dass ihr dafür Geld ausgeben müsst, dass ihr selbst für andere Dinge braucht, dann könntet ihr uns vielleicht damit unterstützen. Wir wollen schließlich einmal um die ganze Welt wandern. Damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir auch in dem Land mit eurer Währung landen, egal wie abgelegen und exotisch es auch sein mag. Wenn ihr Lust habt, uns auf diese Weise bei unserem Projekt zu helfen, dann schickt und doch einfach kurz eine e-Mail. Wir würden uns auf jeden Fall freuen!

Nun aber zurück zu unserem ersten Tag in Serbien. Einen knappen Kilometer hinter der Grenze kamen wir an einen kleinen Hof, der direkt am Grenzfluss lag. Hier trafen wir einen freundlichen jungen Mann, der uns erlaubte, auf der Wiese hinter seinem Haus zu zelten. Er und seine Frau waren gerade erst hier hergezogen und nun dabei, das Haus grundlegend zu renovieren. Außerdem pflanzte er gemeinsam mit einem Freund einen Wald neben dem Fluss an. Seine Frau hatte zehnt Tage zuvor ein Baby bekommen, das gerade seinen Mittagsschlaf hielt. Später am Nachmittag kam es uns auf dem Arm seiner Mutter besuchen.

Doch als aller erstes nutzten wir die Gunst der Stunde und sprangen in das kühle Wasser des Flusses. Naja, ok, wir tappten ganz vorsichtig hinein und liefen dann fast bis zu Mitte. Der Fluss war unglaublich Flach und hatte gleichzeitig eine unwahrscheinlich starke Strömung. In der Mitte war sie so stark, dass man nicht mehr gerade stehen konnte, ohne von ihr mitgerissen zu werden. Gegen sie anzuschwimmen war fast unmöglich.

Später begannen wir damit einen Stundenplan zu erstellen, mit dem wir wieder etwas mehr Struktur in unseren Alltag bekommen wollten. Heiko und mir war es ja schon schwer gefallen, unsere Tagesroutinen einzuhalten, doch seit Paulina da war und ihre eigene Unstrukturiertheit noch zu unserer hinzufügte, funktionierte eigentlich gar nichts mehr. Also brauchten wir einen Plan und eine Struktur, an die wir uns halten konnte. Dabei stellten wir fest, dass so ein Tag viel weniger Stunden hat, als wir eigentlich bräuchten um alles unterzubekommen. Denn auf der einen Seite wollten wir ja entspannt wandern, gut vorankommen aber auch regelmäßige Pausen machen. Dann wollten wir täglich etwas erschaffen in Form von Tagesberichten, Büchern, Artikeln, Fotos und so weiter. Und schließlich wollten wir ja auch auf unserem eigenen Heilungsweg vorankommen. Wir wollten uns körperlich Fit halten, regelmäßig Needlen, Massagen machen, Heilungsrituale und Meditationen einbauen und so weiter. Bei all dem sollte natürlich auch der Spaßfaktor nicht zu kurz kommen, schließlich hatte Paulina ja auch ihr Indiaka mitgebracht. Und zu guter letzt, brauchten Heiko und Paulina hin und wieder auch noch Zeit für sich alleine, also für sich zu zweit. Kurz: Für Sex.

Es dauerte eine ganze Weile bis ich alles so gemanagt hatte, dass es passte. Irgendwie war es schon auch etwas seltsam, dass ich auf diese Weise planen sollte, wann meine beiden Mitwanderer Sex haben durften und wann nicht. Auf eine gewisse Art machte das aber auch Spaß.

Spruch des Tages: In Minutenschnelle einen Tausender zu bekommen ist gar nicht so schwer, es kommt nur auf die Währung an.

 

Höhenmeter: 360 m

Tagesetappe: 8 km

Gesamtstrecke: 10.325,27 km

Wetter: sonnig und heiß

Etappenziel: Zeltplatz auf einem Feld, Gostilje, Serbien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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