Tag 851: Wie die Fußballer

von Heiko Gärtner
29.04.2016 02:36 Uhr

14.04.2016

Auch in der Früh saßen wir noch lange am Tisch zusammen. Es war lange her, dass wir so richtig ausführlich von den Dingen berichten konnten, die uns beschäftigten und unsere Gastgeberin freute sich, dass sie endlich einmal wieder ein interessantes Gespräch führen konnte. Das letzte Mal, dass interessante Menschen hier vorbeigekommen waren, war rund zehn Jahre her, meinte sie. Schließlich brachen wir dann aber doch auf und setzten unseren Weg in die Flachebene fort. Die Zahl der Obstfelder hatte sich noch mehr vergrößert und wir wanderten nun durch ein strahlendweißes Blütenmeer. Das Giftspritzen war hier wirklich so normal, wie bei uns das Blumengießen. Dabei wurden nicht nur die Bäume selbst behandelt, sondern auch die Wiesen mit einer ordentlichen Portion RoundUp von den lästigen Grünpflanzen befreit. Später sahen wir sogar einen Mann in einer Bar, der ein Cappy mit dem Werbelogo von RoundUp darauf trug. In Deutschland wäre er mit so einer Kopfbedeckung wahrscheinlich gesteinigt und gevierteilt worden, sobald ihn jemand zu Gesicht bekäme. Doch hier galt das Universalgift wirklich als nützlicher Helfer für jede Form der Gartenarbeit und der Landwirtschaft.

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Unser Zielort war wieder einer dieser Orte, in denen man schon nach wenigen Minuten wusste, dass man hier nicht viel versuchen musste. Die Freundlichkeit der Einwohner hielt sich gelinde gesagt in Grenzen und diejenigen, die am hilfreichsten waren, verwiesen uns in Nachbarorte. Wir beschlossen also, den Rat anzunehmen und unser Glück wirklich woanders zu versuchen, als wir wieder einmal selbst von dem Schlafplatz gefunden wurden. Ein freundlicher Mann, der gerade kaffeeschlürfend in einer Bar saß sprach uns an und organisierte uns eine Umkleidekabine auf dem Fußballplatz. Wenn man es genau nimmt, dann ist der einzige Vorteil, den dieser Platz gegenüber unserem Zelt hat, zwar lediglich die Steckdose neben der Tür, aber das ist ja auch schonmal ein Anfang. Ein Klo gibt es nicht, von einer Dusche und einem Wasserhahn mal ganz zu schweigen. Aber wir haben Strom.

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15.04.2016

Sogar die Nächte werden langsam richtig mild und es fühlt sich nun immer mehr nach Sommer an. Mit Marina haben wir die Flachebene erreicht, in der wir die nächsten Wochen erst einmal bleiben werden. Rings um die Ebene ragen die Berge in den Himmel und einige von ihnen sind noch immer schneebedeckt. Anstelle der unberührten, rauen Natur sind nun also wieder Felder und Plantagen gerückt. Heute waren es noch immer hauptsächlich Obstbäume aber langsam kommen auch die ersten Felder hinzu. Übernachten können wir heute wieder in einer alten, ausrangierten Umkleidekabine am Fußballplatz. Es ist dreckig und schäbig, aber mit einem Besen und unserer Plane konnten wir es uns einigermaßen wohnlich machen. Vielleicht spiegeln diese Räume aber auch gerade nur unseren eigenen Reinlichkeitszustand wieder. Dass wir uns richtig duschen und waschen konnten ist schon wieder eine halbe Ewigkeit her.

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Es ist einfach nicht möglich, sich hier zu pflegen, weil wir entweder keinen Wasserhahn haben, von Duschen und Badewannen mal ganz zu schweigen, oder weil es keine Möglichkeit gibt, die Sachen zu trocknen, wenn sie einmal gewaschen wurden. Und sie nass anzuziehen hilft auch nichts, das haben wir schon probiert. Alles stinkt, nicht nur wir selbst, sondern auch unsere Kleider. Vor allem die Füße und die Socken sind extrem. Es ist noch weitaus schlimmer geworden als in den letzten Jahren, wahrscheinlich deshalb, weil wir wieder einige Entgiftungsprozesse angestoßen haben. Und weil wir dieses Jahr weitaus wengier auf unsere Ernährung achten als zuvor. Nicht das wir es nicht wollen würden, aber es gestaltet sich einfach äußerst schwierig hier. Wir sind schon froh, dass wir zumindest den Zucker fast gänzlich streichen können. Jetzt im Moment kommt noch hinzu, dass Ostern hier in Griechenland deutlich später ist als in Deutschland. Dieses Jahr fällt es auf den 1. Mai. Zurzeit befinden sich die Griechen also in der Fastenzeit und die meisten hier nehmen das viel ernster als in Deutschland. Damit sind die Nahrungsvorräte also noch einmal geringer als sie es ohnehin schon sind.

Spruch des Tages: Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär!

Höhenmeter: 30 m Tagesetappe: 13 km Gesamtstrecke: 14.997,27 km Wetter: sonnig, leicht bewölkt Etappenziel: Tanzschule, 62100 Psichiko, Griechenland

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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