Wandern in Australien und Russland mit einem Einkaufswagen

von Christian Zimmermann
11.11.2021 07:20 Uhr

Mein Name ist Christian Zimmermann, ich bin 53 Jahre alt und lebe in der Schweiz. Als Fotograf, Vortragsreferent und Autor reise ich viel. Die letzten 15 Jahre war ich mehrheitlich in Europa unterwegs, meistens ziemlich konventionell mit Flugzeug und Mietwagen, gerade deshalb entstand so der Wunsch, einmal wieder etwas Außergewöhnliches zu erleben. Es musste ein Trip sein, bei dem ich mich mit eigener Muskelkraft von A nach B fortbewege, denn ich erinnere mich gerne an solche Abenteuer: Zum Beispiel 1993, als mein Bruder Andreas und ich in 80 Tagen mit dem Kanu den gesamten Yukon River befuhren. Oder die Fahrradtour 1997 durch Australien: Da strampelte ich nahezu 10 000 km auf meinem Drahtesel ab. Aber vor allem das gemächliche Tempo machte solche Trips zu sehr intensiven Erlebnissen. Diese bleibenden und positiven Erinnerungen inspirierten mich zu einer etwas besonderen Reise.

Die Viehrost Querung machte es mir beim Wandern in Australien nicht leicht.

Die Viehrost Querung machte es mir beim Wandern in Australien nicht leicht.

 

TransAustralia – Wandern in Australien

Mit dem eher skurrilen Projekt “TransAustralia, 3059 km zu Fuß, mit dem Einkaufswagen durch Down Under”, wurde 2016 aus dieser Inspiration endlich Wirklichkeit. Da der letzte Aufenthalt in Australien schon zwei Jahrzehnte zurücklag, stand der rote Kontinent ganz oben auf meiner Wunschliste. Bereits dreimal erkundete ich dieses phänomenale Land: Einmal mit einem alten und pannenanfälligen Auto, das zweite Mal, wie erwähnt, mit dem Fahrrad und auf der letzten Reise war ich mit einem zuverlässigen Allradfahrzeug unterwegs. Deshalb blieb mir bei meinem vierten Trip beinahe nichts anderes übrig, als durch Australien zu wandern, um eine Tour zu Fuß zu planen.

Ich gab mir vier Monate Zeit durch Australien zu wandern, fing zu rechnen an und kam auf eine Gesamtdistanz von 3000 km. 30 km pro Tag zurückzulegen, traute ich mir zu und so sollte es möglich sein, Ruhe- und Reservetage eingerechnet, pünktlich für den Rückflug das Ziel, Adelaide, zu erreichen.

In meinem Bekanntenkreis wurde ich schnell für verrückt erklärt und niemand glaubte mir, dass ich diese wahnwitzige Idee durchziehen würde: “Das ist viel zu weit, zu gefährlich, zu heiß und überall lauern doch diese giftigen Tiere …” hieß es von allen Seiten. Doch ich ließ mich von meinem Traum nicht abbringen! Stur verfolgte ich den krassen Plan durch Australien zu wandern. Bei der Recherche meiner persönlichen Expedition stieß ich unweigerlich auf den berühmten Stuart Highway, der fernab von der bekannten australischen Ostküste lag. Diese Straße in Australien verbindet Darwin im Norden, mit Port Augusta und respektive Adelaide im Süden des Landes. Der Gedanke, einen ganzen Kontinent zu durchwandern, beflügelte mich zusätzlich. Aber wie kann ich bis zu 30 Liter Trinkwasser, Proviant für jeweils zehn Tage und die vollständige Camping- und Fotoausrüstung quer durch Australien transportieren? Ein Rucksack kam da definitiv nicht infrage –  dieser ist viel zu schwer für meinen Rücken! Ich wälzte unzählige Ideen und verwarf sie wieder, bis plötzlich mein Bruder Andreas mit dem glorreichen Einfall kam: “Nimm doch einen Einkaufswagen, da hast du garantiert genügend Stauraum und du kannst diese fahrbaren Untersätze überall für einen Franken mieten …” verkündete er. Ich war so begeistert von dieser eigentlich ziemlich absurden Idee, dass ich mich spontan entschloss, es genauso zu machen!

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Meine Reise mit Mrs. Molly - the shopping trolley

Zum Wandern in Australien angekommen, besorgte ich mir zuerst einen Einkaufswagen. Nach einem kleinen Umbau machte ich mich auf, das Land der Aussies ganz allein und auf Schusters Rappen zu durchqueren. Nach zwei Wochen wurde ich in der Ortschaft Katherine von der berühmten “School of the Air” eingeladen, die Kinder übers Internet unterrichtet, die auf abgelegenen Farmen in Australien leben. Bei diesem ungewöhnlichen Schulbesuch erzählte ich den Kids von meinem Alltag und was ich alles schon erleben durfte. Zum Schluss erwähnte ich, dass mein Einkaufswagen noch namenlos sei, doch nach einer zehnminütigen Diskussion kam unerwartet ein Vorschlag, der mich vom Sockel riss: “Mrs. Molly the Shopping Trolley”, einfach grandios und nicht nur, weil es sich so schön reimt! Und ich hatte es schon geahnt, dass mein Wägelchen weiblich ist. Wir beide trafen sehr viele Menschen beim Wandern in Australien, die fast nicht glauben konnten, was sie da sahen. Mitten in der Wüste weit weg von der bekannten Ostküste Australiens kam ihnen, wohl wie eine Fata Morgana, ein bärtiger Mann mit einem “Shopping Trolley” entgegen. So entstand auch schnell mein eigener Spitzname: “The Trolley Man”. Auf diese Weise durchquerte ich also mit Mrs. Molly in 105 Tagen den ganzen Kontinent und wir überstanden gemeinsam unzählige Abenteuer. Vielleicht tönt es ein bisschen seltsam, aber ich baute in der Zeit beim Wandern in Australien eine innige Beziehung zu meiner rollenden Dame auf. Nicht nur aus diesem Grund konnte ich sie nach Abschluss der Reise nicht in Australien zurücklassen. Völlig begeistert von dieser Reiseform, nahmen nämlich schon einige verrückte Ideen für weitere Einkaufswagen-Abenteuer Gestalt an! Deswegen wurde Mrs. Molly, unter Mithilfe von Freunden, in Adelaide eingeschifft. Sie schipperte in gut drei Monaten über Singapur bis nach Hamburg und kam anschließend per Lastwagen in die heimatliche Schweiz.

 

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Wanderfieber – wir wandern nach Russland

Ganze drei Jahre musste sich Mrs. Molly gedulden bis es wieder losging. Zwar durfte sie in dieser Zeit einige Male auf Tournee mit meiner Live-Reportage, aber auch als attraktiver Büchertisch an einer Messe konnte sie fungieren. Aber das ist natürlich nie und nimmer dasselbe, als eine richtige Reise. So startete ich erneut im Mai 2019 vor meiner Haustür in der Schweiz, um mit Mrs. Molly nach Russland zu wandern. Ja, mein Plan war es zu Fuß durch acht Länder bis in die russische Hauptstadt zu wandern. Warum aber Moskau? Ich hatte einfach mal recherchiert, wohin ich mit ca. 3500 Kilometern ab meiner Haustür kommen kann. Und der Osten von Europa war für mich noch völliges Neuland und so musste ich nicht lange überlegen, wohin ich spazieren will. So baute ich meinen Einkaufswagen Europa tauglich zum Wandern nach Russland um. Ich verpasste ihm brandneue und pannenfreie Rollen und kleidete den Innenraum mit einer alten Teichfolie wasserdicht aus. Auf diesem Trip rechnete ich nämlich mit etwas feuchterem Wetter als in Australien.

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Meine erste Etappe beim Wandern nach Russland führte mich auf dem berühmten Donauradweg bis nach Wien. Das war die ideale Route zum Eingewöhnen, da ich aufs Kartenstudium verzichten konnte, da die gesamte Strecke perfekt ausgeschildert ist – Spazieren für Anfänger! Ab der österreichischen Hauptstadt wurde das Navigieren jedoch viel aufwändiger. Fahrradwege wurden zur Mangelware und ich versuchte einfach möglichst verkehrsarme Nebenstraßen zu finden, was nicht immer funktionierte. Einige Male lotste mich meine App “Map” auf fürchterliche Pisten, die ich nur mit einer immensen Schinderei bewältigen konnte. Doch solch abenteuerliche Strecken waren immer viel interessanter als monotones Kilometer fressen auf einer Hauptstraße.

Entspannt unterwegs mit Mrs. Molly beim Wandern nach Russland mitten in Tschechien.

Entspannt unterwegs mit Mrs. Molly beim Wandern nach Russland mitten in Tschechien.

 

Tagtäglich traf ich Menschen beim Wandern in Russland, denen ich erklären musste, was um Himmels Willen ich mit meinem Einkaufwagen vorhabe. Es verging auch kein Tag, an dem ich nicht irgendein Geschenk erhielt. Vielfach waren es Produkte aus dem Garten, die mir die erstaunten Menschen mitgaben: Gurken, Tomaten oder Äpfel landeten regelmäßig in meinem Wägelchen. Manchmal wurde ich auch auf ein Bier oder ein Essen eingeladen. Die Gastfreundschaft und die Großzügigkeit unterwegs waren einfach grandios!

Die Verständigung durch Polen, Litauen, Lettland und Russland wandern war jedoch alles andere als einfach. Auf dem Land sprechen auch die jungen Leute kaum Englisch. So lernte ich vor jedem Grenzübertritt einfach die drei, vier wichtigsten Wörter in der Landessprache: Hallo, Danke, Wasser und Bier … viel mehr braucht es oft ja gar nicht.

Hier sieht man mich durch einen Wald in Lettland in Richtung Russland wandern.

Hier sieht man mich durch einen Wald in Lettland in Richtung Russland wandern.

 

Nach genau 111 Tagen und 3392 Kilometern beim Wandern nach Russland marschierte ich ganz friedlich auf dem Roten Platz in Moskau ein. Der letzte Marschtag hatte es aber nochmal  in sich. Ich musste tatsächlich für vier Kilometer auf die achtspurige Autobahn M1, denn nur so kam ich über einige riesige Verkehrskreuze und die Bahnlinien!

Für vier Tage genoss ich die russische Metropole als ganz normaler Tourist und als Höhepunkt wurden Mrs. Molly und ich ganz offiziell in der Schweizer Botschaft in Moskau empfangen. Eine weitere Reise in meinem Leben beim Wandern nach Russland, die ich wohl niemals vergessen werde.

 

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Wanderfieber: 3392 Kilometer zu Fuss von Flumenthal nach Moskau*
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Zuletzt aktualisiert am 18.06.2022 um 8:46 am - Bildquelle der Produktbilder: Affiliate-Programm-Partner. Alle Angaben ohne Gewähr. * Bei diesen Links handelt es sich um Affiliate-Links, für die wir eine Provision bekommen. Mehrkosten entstehen euch dadurch nicht.
 

Wenn ihr mehr über Christian Zimmermann und seine abenteuerlichen Reisen erfahren wollt, dann schaut doch einmal auf seiner eigenen Webseite "Die Weltentdecker - Live-Reportagen und Reiseberichte von Andreas und Christian Zimmermann" unter www.dieweltentdecker.ch vorbei.

   

Bildquellen:

© Christian Zimmermann
Christian Zimmermann
Christian Zimmermann ist Fotograf, Vortragsreferent, Autor und leidenschaftlicher Wanderer. Er unternahm mehrere Abenteuerreisen, unter anderem mit dem Kanu in Kanada und mit dem Rad durch Australien. Bekannt wurde er jedoch durch seine waghalsigen Wanderungen quer durch Russland und Australien, mit nichts als einem Einkaufswagen für sein Gepäck.

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