Tag 1358: Müdigkeitensyndrom

von Heiko Gärtner
20.02.2018 07:10 Uhr

24.08.2017

In letzter Zeit werde ich immer wieder von spontanen Müdigkeitsattacken heimgesucht. Ich bin hell wach und plötzlich von einer Sekunde auf die andere Schlafe ich ein. Manchmal nur für eine Sekunde, manchmal auch für fünf oder zehn Minuten. Meist wenn ich am Computer sitze oder wenn wir mit Leuten zusammen am Tisch sitzen und quatschen, ohne dabei etwas zu Essen. Wenn ich etwas Esse, dann passiert es nicht. Vor ein Paar Tagen bin ich nach einer Pause sogar eingeschlafen während ich mir die Schuhe angezogen habe. Mitten in der Bewegung.

Frau schläft mitten in einem Hörsaal ein.

Plötzlich wird man vom Schlaf übermannt und kommt erst Stunden später wie aus einem Koma wieder zu sich.

Bin ich ein Schlaf-Handler?

Heute Nacht war es ähnlich. Ich hatte mir eigentlich einen Wecker gestellt, oder besser gesagt sogar zwei. Danach hatte ich das Handy auf meinen Nachttisch gelegt und bin eingeschlafen. Heute in der Früh wachte ich Stunden nach dem Weckerklingeln auf, ohne dass ich nur einen einzigen Laut bewusst wahrgenommen hatte. Doch anstatt auf dem Nachttisch lag das Handy nun in meinem Bett. Ich musste es also genommen und zwei Mal hintereinander ausgeschaltet haben, ohne es auch nur im Ansatz mitbekommen zu haben. Langsam wurde die Sache etwas unheimlich. Es schien, als hätte ich phasenweise keinerlei Kontrolle mehr über das was ich tue oder nicht tue. Mein erster Gedanke beim Aufwachen war: „Mal sehen wie viel Zeit ich noch habe, bevor der Wecker klingelt. Als ich dann danach greifen wollte, war ich vollkommen verwirrt, warum es nicht auf dem Nachttisch lag. Um es im Dunkeln überhaupt zu finden, musste ich mich von der Steckdose aus mit der Hand am Kabel entlang tasten.

Das fühlte sich auf jeden Fall nicht so an, als hätte ich etwas im Dämmerzustand getan, sondern viel mehr, als wäre es zu 100% ohne meine Anwesenheit geschehen. So als ob ich Schlafgehandelt hätte und nun vor dem Ergebnis meines Tuns stand, ohne zu wissen, wie es geschehen war.

Schlafwandlerin auf einer Rolltreppe in der Staft

Wie geht man damit im, wenn man im Schlaf unbewusste Handlungen ausführt?

Seelenrisse – Wo und wie verliere ich meine Energie?

Bei Darrel hatten wir damals etwas über Seelenrisse und Seelenfragmata gehört, also Schäden in unserem Energiesystem, durch das die Energie einfach raus lief und verschwand. Genau so fühlte es sich bei mir nun an. Es war nicht das Gefühl, unausgeschlafen zu sein, weil ich mir einen neuen Schlafrhtythmus antrainiert hatte und daher nun weniger schlief als zuvor. Viel mehr hatte ich das Gefühl, auch 7 Tage durchschlafen zu können, ohne dadurch nur ein bisschen munterer oder wacher zu werden. Es fühlte sich an, wie bei Heikos Computer, als er den Akkuschaden hatte. Egal wie viel Energie man auch hinein pumpte, nach wenigen Minuten war sie aufgebraucht und man versank in den Ruhezustand.

Ein Hauptpunkt zu diesem Thema schien ein Problem mit meinem Beckenboden zu sein. Die Bedeutung dieses Muskelareals war mir bislang nie bewusst gewesen, doch offensichtlich hatte ich damit schon seit langem Probleme. Der Beckenboden ist auf energetischer Ebene der Kelch des Lebens, also eine Art Schale, in der sich unsere Lebensenergie wie auch unsere Gefühle sammeln. Ein schlaffer Beckenboden führt zu Mattheit, Energielosigkeit, Konzentrationsschwäche, fehlender Körperspannung, fehlendem Gleichgewicht und vielen mehr. Bei Frauen ist es außerdem die Ursache für ein Absinken der Gebärmutter und wenn der Beckenboden zu sehr erschlafft ist außerdem Inkontinenz sowohl in Bezug auf die Blase als auch auf den Darm die Folge. Mehr über den Beckenboden findet ihr im Artikel „Beckenboden“

Frau im Roten Kleid schläft mit eiem Kissen im Stehen an einem Baum

Wodurch verliere ich so viel Energie, dass ich einfach im Stehen einschlafe?

Müdigkeit als erste Folge des Frei-Seins

Auf der energetischen Ebene habe ich bis vor Kurzem noch an den Marionettenfäden meiner Mutter gehangen, die ich nun nach und nach durchtrenne. Der Nebeneffekt, der sich daraus ergibt, ist jedoch, dass ich nun erst einmal meine gesamte Körperspannung verliere. Wie jede Marionette, die man abschneidet sinke ich erst einmal in mich zusammen, da ich ja nie gelernt habe, auf eigenen Füßen zu stehen. Dazu gehört auch die Spannung in meinem Beckenboden, die ich nicht halten kann und durch die nun eine energetische Öffnung entsteht, die all meine Lebensenergie hinausfließen lässt. Daher versuche ich nun schon seit ein paar Tagen, meinen Beckenboden zu trainieren, bislang offenbar leider nur mit mäßigem Erfolg, denn wirklich fitter geworden bin ich noch nicht und die Energie fließt noch immer aus mir heraus wie sie es will. Dadurch werde ich nun natürlich auch wieder unachtsamer gegenüber Fremdsteuerungen, was den Kontrollverlust nur noch mehr steigert. Nach der heutigen Austestung kam heraus, dass ich nun wieder überhaupt keine Kontrolle mehr über meinen Schlafzyklus habe. Meine Mutter, oder die Kraft in mir, die ich ihr zuschreibe, kann mich nun herumschubsen wie sie es will, mich einschlafen oder aufwachen lassen, so wie es ihr gerade passt. Ich kann es nicht verhindern und nicht beeinflussen.

Übermüdete Frau schläft mitten im Walt an einem Baum.

Wie kann ich lernen, mit meiner Energie zu haushalten und neue Kraft zu schöpfen?

Doch genau das gilt es nun zu ändern. Bislang habe ich immer wieder Rituale gemacht oder mich mit Heilungen versucht, die hätten funktionieren sollen, bei denen es aber auch keinen direkten Nachteil gab, wenn es nicht klappte. Es blieb dann eben alles beim Alten, was zwar nicht gut war, aber ja auch nicht neu. Nun spüre ich zum ersten Mal einen echten Druck. Brauch eine Heilung die Funktioniert, sonst rinnt mit die Lebensenergie davon und ich kann überhaupt nichts mehr machen.

Leider habe ich noch keine wirklich bahnbrechende Idee. Irgendwie muss ich lernen, die Kontrolle über mich zu übernehmen, und das von Grund auf und zwar in letzter Konsequenz und fein säuberlich, nicht husch husch, wie sonst.

Das Gute ist, dass ich mich dieses Mal wirklich darauf einlassen kann, ohne Angst zu haben, dadurch etwas zu vernachlässigen. Denn noch ineffektiver als jetzt kann ich nicht mehr werden.

Spruch des Tages: Man kann doch nicht ständig so müde sein...

Höhenmeter 120 m

Tagesetappe: 26 km

Gesamtstrecke: 25.578,27 km

Wetter: Wetter gemischt aber überwiegend trocken

Etappenziel: Umkleidekabine der Sporthalle, Bridoré, Frankreich

16.08.2017

Zum Abschluss unserer Zeit auf der Insel haben wir noch einmal die wichtigsten, irischen Traditionen erleben dürfen.

Es begann mit traditionell irischem Wetter, das uns von der Früh an begleitete und noch immer vor unserem Fenster wütet. Die Rede ist hier natürlich von Regen. Aber dieses Mal war es der stärkste und fieseste, den wir seit unserer Ankunft auf den Britisch-Irischen Inseln hatten. Ein starker Wind schlug uns die Tropfen direkt ins Gesicht, sodass man immer wieder das Gefühl bekam, sie wollten einem die Augen ausstechen. Trotz Regenmantel war meine Robe am Ende so nass, dass ich fast einen Liter aus ihr heraus wringen konnte.

Ein iriser Shop mit einem typisch irischen Namen.

Ein irischer Shop mit einem typisch irischen Namen.

Dafür wurden wir dann bei Pater Gerry jedoch mit einem traditionellen Mittagessen empfangen. Es nannte sich Bacon and Cabbich und bestand aus Kartoffeln, Kohl und einer Art Kesselfleisch. Zu unserem großen Glück waren wir nämlich genau an dem einen Tag in der Woche gekommen, an dem Gerrys Haushälterin kam, die auch die Küche übernahm. Man muss sagen, wenn hier alles so gut gewesen wäre, hätten wir mit der Nahrungsmittelaufnahme keine Probleme bekommen.

The Old Pup - Ein Irish-Pub

The Old Pup - Ein Irish-Pub

17.08.2017

Zahnarzttag

Falls es bislang noch irgendeinen Zweifel daran gab, dass der Zustand der Zähne vor allem von der Ernährungsweise abhängt, haben wir nun den Beweis dafür. Seit dreieinhalb Jahren kümmern wir uns nun selbst um unsere Zahnpflege und führen (mehr oder weniger) regelmäßig eine Zahnsteinentfernung durch. Als wir letztes Jahr durch Osteuropa reisten, lag fast ein ganzes Jahr zwischen zwei Terminen und trotzdem gab es beim zweiten Mal kaum etwas zu beanstanden. Dieses Mal haben wir die letzte Zahnreinigung zu Beginn unserer Zeit in England gemacht und heute erneut, kaum ein viertel Jahr später. Trotzdem waren die Zähne so übersät mit Zahnbelag, dass man es sich kaum vorstellen konnte. Teilweise musste ich regelrechte Sprengungen vornehmen, um überhaupt noch durchzukommen. Bei dem immensen Zucker- und Weizenkonsum ist das natürlich auch kein Wunder.

Reeddachhaus an der irischen Südküste

Auch an den Häusern erkennt man, dass die Küste nicht mehr weit isr.

Küstenchaos

Nach Süden hin waren es nun nur noch 6 km, nach Westen 30 km zur Küste. Die Nähe reichte aus, um auch hier weder für das übliche Chaos, zu sorgen, das man an Küsten in der Regel findet. Selbst auf den kleinen Nebenstraßen herrschte plötzlich viermal so viel Verkehr, wie sonst und versaute uns unsere Tour. Etwa vier Kilometer vor dem Ziel wurden wir von einem Auto angehalten, als wir gerade eine Hauptstraße hinter uns gelassen hatten. Wie sich herausstellte, war der Fahrer unser potentieller Gastgeber. Er hatte einen Anruf bekommen, dass er spontan in ein Krankenhaus fahren musste, um einem Verstorbenen dort die letzte Salbung zu geben. Hätte er uns nicht hier auf dem Weg getroffen, hätten wir bis zum späten Nachmittag vor verschlossener Tür gestanden. Seine erste Idee war nun, dass wir entlang der Hauptstraße zu ihm wandern sollten, um Zeit zu sparen.

Einkausstraße in Süden Irlands

Einkaufsstraße in Süden Irlands

Eine Hauptstraße, die er selbst als „Hochzone für tödliche Unfälle“ bezeichnete, da sie extrem stark befahren, schmal und kurvenreich war und die Menschen auf ihr rasten, sie die Teufel. Unter anderem auch deshalb, weil sie wie unser Pfarrer, stets das Gefühl hatten in extremer Eile zu sein. Letztlich war der Streckenabschnitt dann glücklicherweise aber doch so lang, dass auch diese Variante ausfiel, weshalb mich der Pater kurz nach Hause fuhr, um einen Zweitschlüssel zu holen und uns dann in Ruhe weiterwandern ließ.

Spruch des Tages: "Habe heute fast 5 Minuten gebraucht, um herauszufinden, was Brathering bedeutet. Dann die Erkenntnis: Ist ja Deutsch, nicht Englisch"

Höhenmeter 130 m

Tagesetappe: 27 km

Gesamtstrecke: 25.452,27 km

Wetter: sonnig, angenehm, leichter Wind

Etappenziel: Hotel L'oree Des Bois, La-Breille-les-Pins, Frankreich

15.08.2017

Irland hat wirklich zwei Gesichter! So hart und unwirtlich es auf der einen Seite ist und so oft es uns auch in die Weißglut treibt, so sehr zeigt es sich dann wieder versöhnlich. Gestern beispielsweise hatten wir nach dem langen, anstrengenden und äußerst nervigen Tag ein ganzes Kloster für uns alleine, konnten ungestört in der Küche kochen, die Waschmaschine nutzen und es uns gut gehen lassen. Heute lag dann wieder eine 33 km Wanderung vor uns, jedoch mit dem Unterschied, das von Anfang an klar war, wo wir ankommen würden und das dort bereits ein Platz auf uns wartete. Bis auf einen kleinen Schauer war es trocken, sonnig und freundlich und die Gegend war so abgeschieden und ländlich, dass wir insgesamt sogar ganze fünf Menschen wandern oder Fahrrad fahren gesehen haben.

Irische Kirche auf dem Weg nach New Ross.

Irische Kirche auf dem Weg nach New Ross.

Das war mehr als bislang in ganz Irland. So etwas wie einen ruhigen Platz ohne Straßenlärm, Hundegebell, Kettensägen oder ähnliches gab es natürlich trotzdem nicht, aber das wäre hier wohl auch zu viel erwartet. Dennoch konnten wir drei Pausen machen und in einer davon sogar einige Minuten dösen. In einer zweiten reparierten wir unsere Wagen und ölten die Bremsen neu, so dass sie wieder richtig griffen. Dabei kam auch einiges an Fett an unsere Griffe, das wir gerne mit einem Tuch weggewischt hätten. Leider hatten wir keines und so fragten wir einen vorbeifahrenden Autofahrer. Er durchsuchte sein Handschuhfach und sämtliche Ablagen, stellte aber fest, dass er auch keines besaß. Halb so schlimm, dachten wir, nutzten etwas Gras und Moos für die Reinigung und hakten das Thema damit ab. Für den Mann war es aber noch ganz und gar nicht abgehakt, denn er dachte permanent darüber nach, wie er uns doch noch helfen könnte. Wenige Minuten später hielt er noch einmal neben uns an, hatte aber noch immer kein Taschentuch. „Wartet da unten ein paar Minuten an der Straße!“ sagte er, „Ich komm dann gleich noch einmal wieder und bringe euch ein Taschentuch!“

Auch das Wildkaninchen freut sich über die wenigen Sonnenstrahlen.

Auch das Wildkaninchen freut sich über die wenigen Sonnenstrahlen.

Es war echt lieb, wie bemüht der Mann war, aber leider deutete er auf eine Ecke, die von einer Kettensäge, einem Traktor und einem Hund um die Wette terrorisiert wurde. Ein paar Minuten versuchten wir dennoch auf ihn zu warten, doch dann dauerte es einfach zu lange und der Preis wurde zu hoch für ein Taschentuch. Auch das ist etwas, das man hier lernen muss: Was die Leute hier tun, ist die Sache der Leute, und nicht die von einem selbst. Es ist nett, uns ein Taschentuch schenken zu wollen, aber es ginge zu weit, sich deshalb verpflichtet zu fühlen, stundenlang an einem Ort auf jemanden zu warten, der vielleicht kommt, vielleicht aber auch nicht. Irgendwo muss man einem Taschentuch schon auch den Wert geben, den es hat und der liegt sicher nicht über dem des eigenen Wohlbefindens.

Die Kühe sind unsere üblichen Wegbegleiter, die meist soweit mitgehen, wie es ihre Weide erlaubt.

Die Kühe sind unsere üblichen Wegbegleiter, die meist soweit mitgehen, wie es ihre Weide erlaubt.

Unser Zielort für heute trug den Namen New Ross und war eine beeindruckend unästhetische Stadt am Rande eines Flusses. Der Grund, warum wir ausgerechnet hier her kamen und nicht in einen schöneren Ort wanderten war der, dass man besagten Fluss nur an einer einzigen Stelle überqueren konnte. Nämlich hier. Die letzten drei Kilometer spürte man den Einfluss der großen Stadt bereits deutlich und wir gerieten zudem noch in den Feierabendverkehr. Schließlich lag das Zentrum vor uns, lediglich verdeckt von einigen alten verlassenen und halb verfallenen Fabrikhallen. Wer hätte gedacht, dass es einmal Orte geben würde, neben denen Städte wie Sarajevo geradezu gemütlich wirkten? Gut, dass wir uns hier nicht lange aufhalten mussten, sondern bereits eine feste Adresse und eine feste Verabredung hatten.

Die schönste Stadt ist New Ross nicht gerade

Die schönste Stadt ist New Ross nicht gerade

An der Hauptkirche trafen wir uns mit Pater Tom, der uns ins Pfarrhaus führte, in dem er gemeinsam mit Pater Richard und Pater John lebte. Pater Richard kam wenige Minuten später nach hause und machte sich gleich daran, seine Sachen für eine Pilgerreise zu organisieren, die er morgen starten würde. Gemeinsam mit einer Gruppe aus seiner Pfarrgemeinde wanderte er gerade in 6 Jahresabschnitten von Saint Jean Piet de Port nach Santiago. Dieses Jahr war die vorletzte Etappe an der Reihe und morgen ging der Flug dafür von Dublin aus fliegen.

 
Die Kathedrale von New Ross

Die Kathedrale von New Ross

Trotz der Vorbereitungen ließ er es sich aber trotzdem nicht nehmen, auch heute seiner täglichen Schwimm - und Sauna Routine nachzugehen und er lud uns ein, ihn dabei zu begleiten. Da ließen wir uns natürlich nicht zwei Mal bitten und schon standen wir wenige Minuten später im örtlichen Schwimmbad, bereit für die Entspannungseinheit des Tages. Es war das fünfte Mal auf unserer Reise, dass wir in die Sauna gehen konnten. Auf gewisse Weise ähneln sich die Wellnessbereiche öffentlicher Schwimmbäder überall in Europa sehr stark. Meist gibt es eine oder zwei Saunen, ein Dampfbad, einen oder mehrere Whirlpools und ein paar warme und kalte Duschen. So war es auch hier und doch war dieser Saunabereich so ganz anders, als man es bei uns von einem Saunabereich erwarten würde. Bei und und wahrscheinlich auch nirgendwo sonst auf der Welt, käme man beispielsweise auf die Idee, einen Fernseher in den Zwischenbereich zu hängen und dort ein Fußballspiel zu übertragen.

Nach dem Marsch durch die Stadt tut ein bisschen Erholung besonders gut.Nach dem Marsch durch die Stadt tut ein bisschen Erholung besonders gut.

Nach dem Marsch durch die Stadt tut ein bisschen Erholung besonders gut.

Ins Café nebenan, meinetwegen, aber definitiv nicht in den Wellnessbereich, der hier sogar „Gesundheitsbereich“ genannt wurde. Einen Ruheraum gab es nicht, dafür aber immerhin eine einzige Bank und einen Wasserspender. Das beste waren jedoch die Schilder, die groß und deutlich neben den Eingängen zur normalen Trockensauna und zur Dampfsauna hingen: „Das Rasieren in der Sauna ist verboten!“ Ich dachte erst, dass „Shaving“ vielleicht noch eine andere Bedeutung hatte, oder dass es sich dabei um eine Art Witz handelte, den wir nicht richtig verstanden. Doch Pater Roger bestätigte uns, dass diese Schilder genau das waren, wonach sie aussahen. Und vor allem, dass es tatsächlich nötig war, sie hier aufzustellen. „Es gibt einige ethnische Gruppen“, erklärte er, „für die es tatsächlich ganz normal ist, sich an solchen Orten zu rasieren und die dies auch immer wieder tun.“

Marienstatue vor der Kathedrale in New Ross

Marienstatue vor der Kathedrale in New Ross

Heiko und ich staunten. Wir hatten ja schon viel verrücktes gehört und gesehen, aber das jemand wirklich auf die Idee kam, sich in einer Sauna rasieren zu wollen? Im Whirlpool ok und vielleicht noch in der Dampfsauna. Aber warum sollte man dazu denn in eine normale Sauna gehen? Es gab hier ja nicht einmal Wasser, abgesehen vom eigenen Schweiß.

Neugierig geworden fragten wir, um was für exotische „ethnische Gruppen“ es sich dabei wohl handeln würde.

„Unterschiedliche!“ sagte Roger, „aber vor allem Iren!“

Die Kathedrale von New Ross von innen

Die Kathedrale von New Ross von innen

Die Sauna selbst hatte auch ihre Eigenheiten, mit denen wir erst einmal zurecht kommen mussten. So war es zum Beispiel verboten Wasser auf den Saunaofen zu gießen, was so etwas wie einen Saunaaufguss natürlich etwas schwierig gestaltete. Roger war sogar überrascht, dass wir auf diese Idee kamen, da es sich ja um eine Trockensauna handelte. Offenbar war die ganze Tradition finnischer Saunakultur noch nicht bis hier her vorgedrungen. Ebenso sonderbar war, dass man kein Handtuch mit in die Sauna nehmen sollte. Es war nicht explizit verboten, aber eben auch nicht erwünscht, oder gar gefordert. In Ungarn wurde ich vor ein paar Jahren einmal fast aus einer Sauna hinausgeworfen, weil mein Fuß halb neben meinem Handtuch stand. Und hier setzte sich jeder mit seinem Schweißtriefenden Hintern einfach auf die nackte Bank und es war vollkommen in Ordnung. Ich finde, dies zeigt noch einmal, dass wir mit unserer Bakterienangst vollkommen auf dem falschen Dampfer sind. Wenn wir wirklich durch Infektionen krank werden könnten, müsste jeder Saunabesucher im Anschluss tot umfallen.

Die Innenstadt von New Ross

Die Innenstadt von New Ross

Wir blieben etwa eine Dreiviertelstunde, was für einen Saunabesuch nicht übermäßig lang ist, in diesem Fall aber vollkommen ausreichte. Der einzige Ort, an dem man tatsächlich entspannen konnte, war die Sauna selbst und in der hielt man es eben nicht ewig aus. Spannend war aber, dass in der Zeit in der wir dort waren gerade einmal fünf Personen die Sauna nutzten. Drei davon waren Pater Roger, Heiko und ich. Wenn man bedenkt, dass dies das einzige Schwimmbad mit Termalbereich im Umkreis von gut 200km ist, ist das eher mal niedlich. Wir wurden einfach die Frage nicht los, wie es sein kann, dass es in einem so nasskalten Land wie Irland keine Saunakultur gab. Wie funktioniert so etwas, dass es in Finnland, Schweden und Norwegen kaum jemanden gibt, der nicht seine eigene Sauna oder wenigstens einen Zuber im Garten hat, während man hier nicht einmal weiß, wie eine Saunazelebration überhaupt aussieht? Überhaupt ist es ein Rätsel, dass es hier trotz all der Ungemütlichkeit nichts gibt, mit dem man es sich gemütlich machen kann. Nahezu niemand hat eine Badewanne und auch Kaminöfen waren eher selten. Selbst die Duschen waren größtenteils so konstruiert, dass man sie nicht richtig genießen konnte, weil sie entweder das Geräusch eines Elektrogenerators von sich gaben, sobald man sie einschaltete, weil der Wasserdruck dem eines Niselregens entsprach oder weil das Wasser einfach nicht warm werden wollte.

Die Kuppel der Kathedrale bei Sonnenuntergang

Die Kuppel der Kathedrale bei Sonnenuntergang

Als wir uns auf den Weg zum Ausgang machten, fand im großen Schwimmerbecken gerade die Wassergymnastik mit den großen Schwimmnudeln statt. Vor dem Becken stand eine junge Frau mit der gleichen Nudel, die die Rentnerinnen im Wasser anleitete. Als wir jedoch an ihr vorüber gingen, geschahen zwei Sachen gleichzeitig, die beide zur Folge hatten, dass die Damen im Wasser nur noch bedröppelt herumstehen konnten. Zum einen konnte die junge Frau nicht mehr mit dem Starren aufhören, als sie uns sah und begann sofort, uns mit ihren Blicken auszuziehen. Zum anderen war ihr plötzlich die Wassergymnastik die sie hier anleitete so peinlich, dass sie nicht weiter machen konnte. Sie klammerte sich an ihre Schwimmnudel und bewegte sich keinen Millimeter mehr, bis wir in der Umkleide verschwanden.

Spruch des Tages: Rasieren in der Sauna verboten!

Höhenmeter. 130 m

Tagesetappe: 28km

Gesamtstrecke: 25.425,27 km

Wetter: sonnig, angenehm, leichter Wind

Etappenziel: Festsaal der Stadt, Cuon, Frankreich

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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